„Das digitale Krankenhaus“
Eine Initiative der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V. in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Software und Systemtechnik ISST (2019 – 2024)
Die Initiative „Das digitale Krankenhaus“ wurde 2019 mit dem Ziel gestartet, die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen in der digitalen Transformation zu begleiten. Unter Digitalisierung ist dabei mitnichten die digitale Abbildung analoger Prozesse zu verstehen. Vielmehr setzt Digitalisierung auf eine multidisziplinäre Transformation der Versorgungsprozesse, um diese digitaler, effizienter und effektiver zu gestalten. Und Digitalisierung beginnt mit einer Strategie, hinter der sich die vielen Maßnahmen der Ablösung analoger Strukturen ausrichten. Umso wichtiger ist es daher für Krankenhäuser, Strukturen zu schaffen, auf denen Digitalisierung aufsetzen und weiterentwickelt werden kann. Die Einbindung von Mitarbeitenden sowie Patientinnen und Patienten, die Orientierung an Prozessen oder auch die Reflektion der eigenen Strategie sind wichtige Bausteine auf dem Weg hin zum digitalen Krankenhaus. Dies greift die Initiative eindrücklich in ihrem Zielbild auf. Das Zielbild ist somit ein zentraler Anker für die Roadmap, aber auch für die innerhalb der Initiative platzierten Angebote. Mit der abschließenden Evaluation im Jahr 2024 endet die Initiative, die von Beginn an auf fünf Jahre ausgelegt war. Der Weg hin zum digitalen Krankenhaus hat dabei erst begonnen und wird mit der Verstetigung des Digitalisierungsanschubes durch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) und der weiter voranschreitenden intersektoralen Vernetzung der Telematikinfrastruktur weitergeführt.
Digitalisierung in Krankenhäusern
© KGNW/Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST
Titelgrafik des Weißbuchs „Zielbild digitales Krankenhaus“ (2019)
Digital unterstützte Prozesse und Kommunikation schaffen eine Durchgängigkeit sowohl im Krankenhaus als auch zu extern unterstützenden Strukturen. Sie dient keinem Selbstzweck, sondern soll wesentlich zu mehr Qualität und wirtschaftlicher Effizienz beitragen.
Das digitale Krankenhaus ist dabei geprägt durch:
- eine gesteigerte Qualität und
- mehr Effizienz und Effektivität im Versorgungsprozess im Sinne der Patientinnen und Patienten, Mitarbeitenden und des Unternehmens.
Zahlreiche Digitalisierungsvorhaben treiben die digitalen Strukturen im Krankenhaus aktuell voran. Nicht zuletzt das Krankenhauszukunftsprogramm befindet sich dabei in der Umsetzung und wird in den nächsten Jahren verstetigt werden. Auch der Ausbau der Telematikinfrastruktur und die steigende Nutzung der digitalen Anwendungen wie die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU), das elektronische Rezept (E-Rezept), die Nutzung von KIM zur Kommunikation unter den Leistungserbringern und die elektronische Patientenakte (ePA) bauen digitale Strukturen auf und stärken die Brücken zwischen den Sektoren. Und die Roadmap der gematik, die nach den Plänen der Bundesregierung in eine zentrale Digitalagentur umgebaut werden soll, listet in der nächsten Zeit weitere Meilensteine auf. Vor allem die „ePA für alle“ wird dabei auch die Patientinnen und Patienten aktiv in den digitalen Versorgungsprozess einbinden.
Nicht vergessen werden darf dabei, dass dieser Weg auch abgesichert werden muss. Hackerangriffe auf Krankenhäuser machen deutlich, welchen Stellenwert Cybersicherheit für Krankenhäuser hat. Diese sichert nicht nur die Versorgung, sondern vor allem auch die Patientendaten und muss zwingend mitbetrachtet werden.
Zielbild „Das digitale Krankenhaus“
Die Initiative „Das digitale Krankenhaus“ hatte von Beginn an den Anspruch, dass Krankenhäuser eine aktive Rolle bei der Gestaltung der Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung übernehmen. Allein in Nordrhein-Westfalen erbringen rund 330 somatische und psychiatrische Krankenhäuser mit etwa 293.000 Beschäftigten Leistungen an 4,2 Millionen stationären und etwa so vielen ambulanten Patientinnen und Patienten. Um die Vernetzung innerhalb einer Klinik und zu weiteren Akteurinnen und Akteuren im Gesundheitswesen zu gewährleisten, hatte die Initiative ein gemeinsames Zielbild für das digitale Krankenhaus entwickelt.
Die Basis eines digitalen Krankenhauses stellt der Aufbau neuer Kompetenzen dar – und das, ohne die primäre Aufgabe, die Versorgung von Patientinnen und Patienten, aus den Augen zu verlieren:
© KGNW/Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST
Die vier Dimensionen der Digitalisierung im Krankenhaus
Eine genaue Definition des Zielbilds bildet das gemeinsame Verständnis innerhalb der Initiative „Das digitale Krankenhaus“ ab.
Das digitale Krankenhaus erbringt ärztliche und pflegerische Leistungen mithilfe von digital unterstützten Prozessen und ist gekennzeichnet durch:
- Strategieorientierung,
- Patientenorientierung,
- Mitarbeiter- und Prozessorientierung,
- (in Kombination mit Digitalisierung) einen Werkzeugkasten technologischer Unterstützung.
Das Zielbild zeigt dabei für die einzelnen Dimensionen auf, durch welche Aspekte sich das digitale Krankenhaus auszeichnet.
1. Strategieorientierung:
Das Aufstellen einer Digitalstrategie bedarf einer gemeinschaftlichen Betrachtung der Geschäftsführung, ärztlichen Direktion, Pflegedirektion, IT & Technik, Controlling und weiterer Fachbereiche. Digitalisierung ist aufgrund der Innovationsdichte ein kontinuierlicher, stark projektgetriebener Prozess.
Das digitale Krankenhaus im Bereich Strategieorientierung
- formuliert eine individuelle Digitalstrategie und trifft Entscheidungen im Einklang mit dieser Strategie,
- nutzt Ansätze der digitalen Reifegradbestimmung, um sich in Bezug auf Digitalisierung innerhalb eines Vergleichssystems zu verorten und den Fortschritt zu messen,
- stellt Projekt-Roadmaps auf, steuert und bewertet die Projektdurchführung,
- erkennt Chancen der Digitalisierung für Pflege, Medizin, Personalwesen, Technik, Medizinprodukte, Einkauf, Controlling, IT und bezieht die Mitarbeiter systematisch in die Umsetzung ein,
- versteht Zukunftstechnologien und kann Chancen und Risiken selbstbestimmt bewerten,
- kennt internationale Standards zur Sicherstellung der Interoperabilität wie IHE und HL7,
- ist in der Lage, Technik & IT ganzheitlich zu denken, das notwendige Zusammenspiel zu verstehen und integrierte Lösungen zu schaffen,
- verfolgt den Ansatz einer digitalen Plattformstrategie über monolithische Systemstrukturen hinaus,
- erkennt Chancen von KI und Big Data für Medizin, Pflege und Administration.
2. Patientenorientierung:
Digitalisierung kann zu einer erhöhten Patientensicherheit, zum Beispiel durch durchgängige Informationsflüsse, führen. Gleichzeitig sieht die Patientin oder der Patient aus dem privaten Umfeld immer mehr Informations-, Zugriffs- und Beteiligungsmöglichkeiten, um selbstbestimmt Einfluss auf den Behandlungsprozess zu nehmen. Das Krankenhaus ist gefordert, die Patientinnen und den Patienten weiterhin als Mensch und mündigen Mitgestalter seiner eigenen Therapie zu verstehen.
Das digitale Krankenhaus im Bereich Patientenorientierung
- gestaltet den digitalen Wandel gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten (Partizipation),
- berücksichtigt, dass nicht alle Patientinnen und Patienten gleichermaßen digitale Angebote wahrnehmen werden beziehungsweise können (Patientensouveränität),
- erkennt die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten und greift deren Erwartungen in Bezug auf digitale Angebote auf,
- stellt den Patientinnen und Patienten digitale Dienste zur Verfügung, um sie aktiv am Versorgungsprozesses zu beteiligen und ihnen Transparenz über die eigenen Daten zu ermöglichen,
- fördert durch digitale Angebote die Gesundheitskompetenz der oder des Einzelnen.
3. Mitarbeiter- und Prozessorientierung:
Digitalisierung kann die Mensch-zu-Mensch-Interaktion fördern, zum Beispiel durch Entlastung, einfachere Dokumentation und durchgängigere Informationsflüsse. Das Krankenhaus als Arbeitgeber ist gefordert, Beschäftigte in den Veränderungsprozess mit einzubeziehen.
Das digitale Krankenhaus im Bereich Mitarbeiterorientierung
- vereinfacht Dokumentation und entlastet Personal in dieser Hinsicht, um Raum für die Mensch-Mensch-Interaktion zu schaffen,
- besitzt Konzepte zur kontinuierlichen Weiterbildung von Beschäftigten in Bezug auf Digitalisierung,
- hat ein Konzept, um Berührungs- und Verlustängsten in Bezug auf Digitalisierung beim Personal zu begegnen,
- gestaltet den digitalen Wandel gemeinsam mit dem Personal,
- erkennt Auswirkungen, Chancen und Risiken der Digitalisierung und formt ein menschliches Verhältnis zwischen den Beschäftigten und den Patientinnen und Patienten,
- weiß um die Rolle von Annehmbarkeit, intuitiven Systemlösungen und positiver Nutzererfahrung als Fallstrick oder Multiplikator bei der Einführung von Softwaresystemen.
Digitalisierung erlaubt einen durchgängigen Informationsfluss – jedoch nur dann, wenn Prozesse kooperativ, transparent und durchgängig etabliert sind. Ein bereits bestehender, schlechter analoger Prozess wird als Ergebnis immer auch einen schlechten digitalen Prozess hervorbringen.
Das digitale Krankenhaus im Bereich Prozessorientierung
- kennt die internen Abläufe, kann diese bewerten und an sich verändernde Rahmenbedingungen anpassen (Change-Management),
- denkt Prozesse innerhalb des Hauses ganzheitlich und durchgängig über Schnittstellen, Organisationseinheiten und Berufsgruppen hinweg,
- unterstützt den Versorgungsprozess über die Organisationsgrenze hinweg und überwindet Schnittstellen in einer ganzheitlichen Leistungskette (intersektorale Kommunikation),
- erkennt Auswirkungen der Digitalisierung auf den operativen Betrieb, bewertet die Relevanz für die eigene Digitalstrategie und hat ein Konzept zur Umsetzung in der breiten Anwendung,
- identifiziert entlang von Prozessen benötigte Ressourcen beziehungsweise Fähigkeiten und erkennt Grenzen der Leistungsfähigkeit im eigenen Hause (Notwendigkeit für externe Kompetenz),
- schafft ein gemeinsames und vertrauensvolles Werteverständnis für die mit Prozessdigitalisierung einhergehende steigende Transparenz.
4. Werkzeugkasten technologischer Unterstützung (in Kombination mit Digitalisierung):
(IT)-technische Services unterstützen in sämtlichen Bereichen der Digitalisierung: Sie schaffen die Voraussetzungen für eine durchgängige Dokumentation, Kommunikation und Logistik (Waren, Daten und Wissen) im Sinne aller Akteure eines Krankenhauses.
Einbettung in bestehende Strukturen
Das Zielbild der Initiative „Das digitale Krankenhaus“ ist auf den Aufbau von Kompetenzen innerhalb der NRW-Krankenhäuser ausgerichtet, um einen souveränen und selbstbestimmten Umgang mit der Digitalisierung zu ermöglichen. Bestehende Strukturen lassen sich also optimal nutzen. Die Initiative gab den Krankenhäusern dabei Methoden mit, die Ziele des digitalen Krankenhauses erreichen zu können und den Weg dahin besser zu verstehen und zu kontrollieren.
© KGNW/Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST
Zielbild "Das digitale Krankenhaus"
Fünf-Jahres-Plan: von der Zielbild-Definition bis hin zur Kompetenzbildung
Vor allem die vier Fähigkeiten und Fertigkeiten – Strategieorientierung, Patientenorientierung, Mitarbeiter- und Prozessorientierung – bilden in Kombination mit Digitalisierung den perfekten Werkzeugkasten, um den bestmöglichen Nutzen der Digitalisierung zu erreichen. Danach richtete sich die Initiative „Das digitale Krankenhaus“ mit ihrem Fünf-Jahres-Plan aus:
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Roadmap der KGNW-Initiative „Das digitale Krankenhaus“ für den KHZG-adaptierten Ansatz ab 2022
Erste Erfolge stellten sich bereits 2021 ein. Die 2. Online-Erhebung zeigte: Der Digitalisierungsgrad stieg in der Wahrnehmung der Geschäftsführungen. Sicherlich hat auch die Initiative dazu beigetragen. Doch mehr Digitalisierung erfordert auch neue Strukturen zur Umsetzung. Dazu zählen die technischen Strukturen. Um die Beteiligten im Gesundheitswesen, darunter auch die Krankenhäuser, miteinander zu vernetzen, bedarf es einer umfassenden Telematikinfrastruktur (TI). Deren Aufbau kostet viel Geld. Digitalisierung kostet die Kliniken sogar sehr viel Geld, nicht nur zum Start, sondern auch mittel- und langfristig.
Digitalisierung kostet Geld: KHZG und KHZF
2020 trat das „Gesetz für ein Zukunftsprogramm Krankenhäuser (Krankenhauszukunftsgesetz – KHZG)“ in Kraft. Das KHZG treibt die Digitalisierung der Krankenhäuser voran. Durch den Krankenhauszukunftsfonds (KHZF) des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS) werden Projekte mit einem Gesamtvolumen von bis zu 4,3 Milliarden Euro gefördert. Dafür stellte der Bund 3 Milliarden Euro bereit, die Länder steuern weitere 1,3 Milliarden Euro bei.
Das ermöglichte es Krankenhäusern, über Förderprojekte in zukunftsweisende Notfallkapazitäten, in Digitalisierungsprojekte und in ihre IT-Sicherheit zu investieren. 15 Prozent der Fördermittel sind für die Verbesserung der Informationssicherheit einzusetzen. Für NRW stehen bis zu 900 Millionen Euro für die Krankenhäuser zur Verfügung. Den Eigenanteil in Höhe von 270 Millionen Euro hat das Land komplett übernommen. Doch die KHZG-Mittel schließen lediglich den investiven Rückstand. Hier fehlen bislang Konzepte, um die Nachhaltigkeit der Strukturen im laufenden IT-Betrieb zu gewährleisten sowie zu finanzieren und um Fachpersonal zu rekrutieren.
Neuausrichtung der Initiative „Das digitale Krankenhaus“
Die Erkenntnisse der 2. Online-Erhebung und die Einführung des KHZG sowie die Pandemie-Erfahrungen führten zur Neuausrichtung der Initiative und zu einem adaptierten Ansatz. Denn die Ausschüttung der Fördermittel ist an exakt definierte Maßnahmen („Fördertatbestände“, FTB) gebunden.
In Teil 3 der Fokusveranstaltungen der Initiative „Das digitale Krankenhaus“ für den Zeitraum 2022 bis 2024 standen daher acht Themen im Vordergrund, die die Krankenhäuser bei der Umsetzung der KHZG-Förderprojekte unterstützen sollten. Diese acht Themen sind:
- Roadmap und Integration
- Pflege- und Behandlungsdokumentation
- Medikationsmanagement
- IT-Service-Management
- Patientenportal und Patienten-App
- Entscheidungsunterstützung
- Leistungsanforderung
- Digitaler Reifegrad: Erreichtes reflektieren und Neues in Angriff nehmen
Die Fokusveranstaltungen stellten Foren zur Umsetzung der (KHZG-)Förderprojekte in den Krankenhäusern dar. Dabei wurden Best-Practices gezeigt, die auch zur Diskussion der rechtssicheren Ausgestaltung sowie dem Aufzeigen ganzheitlicher Ansätze dienten.
Blick in die Zukunft
Das offizielle Ende der Initiative „Das digitale Krankenhaus“ Mitte 2024 bedeutet nicht das Ende der Digitalisierungs-Unterstützung für die nordrhein-westfälischen Krankenhäuser. Für die KGNW steht das Thema weit oben auf der Agenda. Aufgebaute Strukturen und Netzwerke lassen sich weiterhin perfekt zum Erfahrungsaustausch nutzen. Und auch die Erklärung der Landesgesundheitskonferenz 2024 trägt der bleibenden Aktualität Rechnung. Unter dem Titel „Digitalisierung im nordrhein-westfälischen Gesundheitswesen sinnvoll und sicher ausbauen“ werden aktuelle und kommende Herausforderungen – auch im Lichte von Künstlicher Intelligenz – formuliert.
Kontakt
Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V.
Humboldtstraße 31
40237 Düsseldorf
Telefon: +49 211 47819-0
E-Mail: digitaleskrankenhaus@kgnw.de
www.kgnw.de
In Zusammenarbeit mit
Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST
Emil-Figge-Str. 91
44227 Dortmund