09. September 2003

EuGH-Urteil: Ärztlicher Bereitschaftsdienst gilt als Arbeitszeit

Die KGNW hat die Bundesregierung aufgefordert, das derzeit geltende Arbeitszeitgesetz in einer angemessenen Übergangsfrist dem EuGH-Urteil. anzupassen.


Ärztlicher Bereitschaftsdienst gilt nach dem EuGH-Urteil als Arbeitszeit:

KGNW fordert angemessene Übergangsfrist

Düsseldorf, 9. September 2003. – „Jetzt muss die Bundesregierung das Personalproblem angehen und eine Lösung finden“, forderte Staatssekretär a. D. Richard Zimmer, Geschäftsführer der KGNW, nach dem heutigen Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) die Bundesregierung auf, das derzeit geltende Arbeitszeitgesetz (ArbZG) in einer angemessenen Übergangsfrist der Forderung des EuGH anzupassen. In seinem heutigen Urteil hat der EuGH entschieden, dass der Bereitschaftsdienst der Krankenhausärzte als Arbeitszeit zu werten ist. Dem EuGH-Urteil vorausgegangen war der Fall eines Kieler Krankenhausarztes vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein zur Frage, ob es sich bei einem Bereitschaftsdienst, den ein Arzt durch persönliche Anwesenheit im Krankenhaus leistet, in vollem Umfang um Arbeitzeit handelt. Das LAG hatte den Fall dem EuGH vorgelegt.

„Mit der jetzt notwendigen Umsetzung des Urteils und der damit verbundenen Anpassung des deutschen Arbeitszeitgesetzes sind gravierende Auswirkungen für die Krankenhäuser verbunden“, erklärte Zimmer. So werde sich nach einer Studie der Deutschen Krankenhausgesellschaft die finanzielle Lage der Krankenhäuser weiter verschärfen. Nach KGNW-Berechnungen ergibt sich mit Aufgabe des Bereitschaftsdienstes in Nordrhein-Westfalen bei 462 Krankenhäusern ein zusätzlicher Stellenbedarf von über 5500 Ärzten und fast 3000 Krankenschwestern/Krankenpfleger mit zusätzlichen Personalkosten in Höhe von rund 360 Mio. Euro.

„Die umgerechnet etwa 780.000 Euro je Krankenhaus können für einzelne Krankenhäuser angesichts knapper Budgets und der vom Gesetzgeber verordneten Budgetierung eine existenzbedrohende Verpflichtung bedeuten“, hob Zimmer hervor. Die Krankenhäuser seien kaum in der Lage, die mit der Umsetzung des EuGH-Urteils und dem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst verbundene Kostenlawine aus eigener Kraft zu bewältigen.

Auch der im Gesetzentwurf von Regierungskoalition und Opposition zur Gesundheitsreform vorgesehene Betrag für neue Arbeitszeitmodelle sei unzureichend. „Dieser Betrag wird nicht einmal für alle Krankenhäuser in NRW reichen“, hob der KGNW-Geschäftsführer hervor. Nach den vorgesehenen Regelungen sollen die Krankenhäuser für die Jahre 2003 bis 2009 einen zusätzlichen jährlichen Betrag von bis zu 0,2 Prozent ihres Gesamtbudgets zur Verbesserung der Arbeitszeitbedingungen erhalten. Einem Krankenhaus mit einem Budget von 50 Mio. Euro stünden demnach 100.000 Euro jedes Jahr bis 2009 zusätzlich zu, um damit etwa 1,5 Arztstellen neu zu schaffen, erklärte Zimmer.

Als dramatisch bezeichnete Zimmer bereits jetzt den Ärztemangel in den nordrhein-westfälischen Krankenhäusern. Schon jetzt sei der für Nordrhein-Westfalen errechnete zusätzliche Bedarf an Arztstellen durch das EuGH-Urteil nicht zu decken. Nach Zahlen des aktuellen Krankenhausbarometers des deutschen Krankenhausinstituts sind landesweit 850 Stellen im Ärztlichen Dienst unbesetzt. „Die Krankenhausmitarbeiter wandern entweder ins Ausland oder andere Berufsfelder ab“, sagte der KGNW-Geschäftsführer. Diese Situation werde dadurch noch verschärft, dass im Pflege- und Funktionsdienst je Krankenhaus 1,3 Stellen nicht besetzt werden können. Dies bedeute nochmals 600 offene Stellen im pflegerischen Bereich in NRW. Zusammen sind trotz großen Bedarf in diesen Personalgruppen damit fast 1300 Stellen von den Krankenhäusern nicht zu besetzen. „Das macht deutlich, dass der Arbeitsplatz im Krankenhaus an Attraktivität verliert- - mit negativen Folgen für die Patientenversorgung“, erklärte Zimmer.

Nach einer weiteren Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts für Nordrhein-Westfalen wollen 88 Prozent der Krankenhäuser in NRW Personal abbauen, um den massiven Kostensteigerungen/Einnahmeminderungen zu begegnen. Nach dieser Umfrage sind 7000 Stellen in diesem Jahr gefährdet.

Zimmer forderte eindringlich Politik und Kostenträger auf, finanzielle Lösungen und Regelungen zur Umsetzung des EuGH-Urteil und zur Refinanzierung der tariflich bedingten Personalkostensteigerung zu schaffen, sonst werde sich die bereits bestehende dramatische Unterfinanzierung der Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen mit zwangsläufigen Folgen auch für die Patienten weiter verschärfen.

„Es drohen zusätzlich Leistungskürzungen, weniger Zeit für persönliche Zuwendung und Wartelisten für Operationen“, warnte Zimmer. Angesichts der dramatischen Personalmisere sei es zwingend notwendig, den Arbeitsplatz Krankenhaus endlich wieder attraktiver zu gestalten.