17. August 2016

Start mit Selbsttests auf der gamescom 2016

Ab 1.9. Internetsucht zuhause behandeln: OASIS machtŽs möglich

In seiner Mediensprechstunde in Bochum behandelt Dr. med. Bert te Wildt, Ärztlicher Psychotherapeut und Leiter der Ambulanz der LWL-Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Ruhr-Universität Bochum, bereits seit mehreren Jahren junge Erwachsene mit einer Internetabhängigkeit von Computerspielen oder sozialen Netzwerken. Auf der gamescom 2016 stellt er ab Mittwoch (17.8.) ein neuartiges Therapieangebot an der Klinik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) vor: den Online-Ambulanz-Service für Internetsüchtige, kurz OASIS. Am 1. September wird die Online-Sprechstunde an den Start gehen.

Das OASIS-Programm ist ein vom Bundesministerium für Gesundheit gefördertes Hilfsprojekt und soll deutschlandweit die Versorgung von Internet- und Computerspielsüchtigen verbessern. „Im Rahmen von webcam-basierten Sprechstunden möchten wir die Betroffenen dort abholen, wo die Sucht ihren Anfang genommen hat: im Internet selbst“, beschreibt te Wildt. „Damit gehen wir das Thema Internetabhängigkeit mit einem Werkzeug der Cybertherapie an.“

Schon mit Eröffnung der weltweit größten Computerspielmesse gamescom wird OASIS zugänglich sein. Unter http://www.onlinesucht-ambulanz.de können Interessierte sich einem Selbsttest unterziehen und überprüfen, ob möglicherweise eine Internetabhängigkeit besteht. Im Rahmen eines gemeinsamen Standes mit dem von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unterstützten Präventionsprojekt „Net-Piloten“ in der Halle des Jugendforum NRW wird das OASIS-Team ins Gespräch mit den Messebesuchern gehen und das Projekt vorstellen.

„Die Internetsucht ist eine Verhaltenssucht, die in der Öffentlichkeit noch nicht als Suchterkrankung akzeptiert wird“, so der Arzt und Forscher te Wildt. „Dabei erzeugt sie einen großen Leidensdruck, hat negative Folgen für Körper und Psyche und ist damit behandlungsbedürftig.“ Die Betroffenen zeigen ein exzessives Nutzungsverhalten mit krankhafter Impulsivität, Kontrollverlust und Entzugserscheinungen. Das komplette soziale und berufliche Umfeld bricht weg, und im schlimmsten Fall tragen sie sich mit Suizidgedanken.

Leidtragende sind auch die Angehörigen. Daher steht OASIS ebenfalls für erwachsene Angehörige von Betroffenen ab 14 Jahren zur Verfügung. „Wir vermitteln deutschlandweit in Fachambulanzen und Beratungsstellen“, erklärt Diplom-Psychologin Laura Bottel, die direkt am Bildschirm für OASIS tätig ist, das neue Angebot. Es sieht zwei Online-Sprechstundentermine jeweils für Diagnostik und Beratung vor. Ziel ist es, nicht nur therapeutische Möglichkeiten vor Ort zu vermitteln, sondern auch Therapiebereitschaft zu erzeugen – in Form eines Beziehungsangebots.

Mit Unterstützung der Bundesdrogenbeauftragten Marlene Mortler, die im Sommer vergangenen Jahres die Medienambulanz in Bochum besucht hatte und sich seitdem für die Anerkennung der Internetsucht stark macht, sowie in Zusammenarbeit mit dem ZTG – Zentrum für Telematik und Telemedizin und dem Fachverband Medienabhängigkeit konnte das deutschlandweit einzigartige OASIS-Angebot auf den Weg gebracht und entwickelt werden. „Wir möchten das Internet nicht verteufeln. Uns geht es darum, das Internet in diesem Zusammenhang auch positiv zu nutzen“, macht te Wildt, Autor des Buches „Digital Junkies“, deutlich. „Wir wollen Betroffenen eine digitale Brücke bauen, damit sie im analogen Hilfesystem Unterstützung erfahren und schließlich in der konkret-realen Welt wieder einen Halt und Freude erleben.“

Bildquelle: Gregor von Glinski