12. März 2021

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen – Probleme der Kinder- und Jugendmedizin gehören ins Bewusstsein der Öffentlichkeit

Bundestagsabgeordnete Nezahat Baradari und Landtagsabgeordnete Lisa Kapteinat informierten sich online mit Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Ärztlichem Leiter über Nöte und Bedürfnisse der Siegener DRK-Kinderklinik und dem Bildungsinstitut für Gesundheitsberufe Südwestfalen

© Foto: DRK-Kinderklinik Siegen gGmbH Siegen. Im Rahmen einer rund 90-minütigen Online-Konferenz haben sich die Bundestagsabgeordnete der SPD für den Kreis Olpe/Märkischer Kreis I (mit Betreuungswahlkreis Siegerland), Nezahat Baradari, und die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Landtagsabgeordnete der SPD für Castrop-Rauxel, Waltrop und Teile Dattelns, Lisa Kapteinat, über die aktuellen Herausforderungen und Bedürfnisse der DRK-Kinderklinik Siegen sowie des Bildungsinstituts für Gesundheitsberufe Südwestfalen (BiGS) informiert.
In der Konferenz haben sich die Politikerinnen mit dem Vorsitzenden des DRK Landesverband Westfalen-Lippe, Dr. Hasan Sürgit, Interims-Klinikgeschäftsführer Dr. Martin Horchler, dem neuen Geschäftsführer Carsten Jochum sowie dem stellvertretenden Ärztlichen Direktor und Chefarzt Markus Pingel via Online-Konferenz ausgetauscht. Besprochen wurde zunächst die unzureichende Finanzierung der Kindermedizin. Besonders betroffen ist der ländliche Raum. Hier waren sich alle Teilnehmer schnell einig, dass kranke Kinder nicht einfach nach Pauschalen abgerechnet werden können, sondern nach dem gesundheitlichen Bedarf. Die beiden Politikerinnen brachten zudem einen Versorgungszuschlag bzw. eine Grundfinanzierung ins Gespräch. Durch Berechnungen von Experten stiegen die aktuellen gesamten Gesundheitskosten um lediglich etwa zwei Prozent, wenn die Finanzierung im Kinder- und Jugendbereich um 25 Prozent erhöht würde. Treffend fand man den Vergleich der heimischen Abgeordneten Baradari - selbst Kinder- und Jugendärztin- die Kinder mit Setzlingen vergleicht, die gerade in jungen Jahren eine ganz besondere Zuwendung benötigen, um sich zu starken Bäumen zu entwickeln.
Darüber hinaus wurden neben den aktuellen Herausforderungen im Rahmen der Corona-Pandemie Punkte wie etwa die neue generalistische Pflegeausbildung, die Finanzierungslücken für Kliniken oder die Probleme mit den neuen Pflegepersonal-Untergrenzen diskutiert. Durch die Generalistik werden weniger für Kinder und Jugendliche spezialisierte Pflegekräfte ausgebildet und fehlen in der Versorgung für diese Patientengruppe. Wie die Vertreter der Kliniken einhellig darstellten, ist gerade die schwierige Personalsituation über alle Bereiche bzw. Professionen hin ein bereits seit Jahren großes Problem, das im Zusammenspiel mit wirtschaftlichen Zwängen und Nöten eher zu- statt abnimmt.
Ebenfalls als inzwischen kritisch stellt sich für alle am Gespräch beteiligten Einrichtungen die IT-Infrastruktur Thematik dar. Auch in diesem Bereich könnten gerade die Kliniken den von Politik und Gesellschaften vorgegebenen Anforderungen und Vorgaben durch fehlende Mittel und zu viele parallele Aufgaben kaum Folge leisten. Obwohl man in Siegen mit dem Bildungsinstitut für Gesundheitsberufe über eine der modernsten und größten Einrichtung dieser Art im bundesdeutschen Vergleich verfüge, stellt aus Sicht der Lehrer und der Auszubildenden Online-Theorie-Stunden keine ausreichende Alternative zum Präsenzunterricht dar. Dass man dennoch alle Ausbildungsplätze für beide in 2021 beginnenden Kurse zur Kinderkrankenpflege voll belegt habe, erfreut die Verantwortlichen. Qualifizierte, spezialisierte Fachärzte nach Siegen-Wittgenstein zu holen, sei hingegen deutlich schwieriger, so Chefarzt Markus Pingel. Es gäbe viel zu wenige Absolventen, außerdem suchten die Bewerber lieber große Kliniken in Oberzentren als kleinere Fachkliniken in ländlicher Lage als Arbeitgeber.
Viele der von den Beteiligten aus Klinik, Wohlfahrtsverband und Bildungsinstitut angesprochenen Punkte konnten die Politikerinnen nachvollziehen. Wichtig sei es aus deren Sicht gewesen, diese Aspekte einmal aus erster Hand, wenn auch im Vergleich zu den Vorjahren nur per Videokonferenz, zu erfahren. Beeindruckt zeigte man sich von dem Engagement der DRK-Kinderklinik Siegen und des BiGS mit dem Bundesministerium für Familie, Soziale und Jugend, das einen der Azubis aus Siegen im Rahmen der Kampagne "FrühSpätNachtSchicht" portraitiert und begleitet hat. Der entsprechende Youtube-Film, der inzwischen über 170.000-mal betrachtet wurde, zeige sehr gut, wie fortschrittlich sich die Ausbildung zur Pflegefachkraft inzwischen gestalte.
Die Kinder- und Jugendmedizin ist in ihrer Gesamtheit der komplexeste medizinische Fachbereich überhaupt. Dennoch besitzt sie, wie Kinder und Jugendliche allgemein, keine Lobby, und die Probleme seien der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Dies müsse zum Wohle der Kinder und Jugendlichen dringend geändert werden. Sowohl Frau Baradari im Bundestag als auch Frau Kapteinat im Landtag wollen die Themen nun kritisch reflektieren und mit in die entsprechenden Gremien einbringen. Mit der Hoffnung, sich möglichst bald wieder im Rahmen eines Präsenzbesuches austauschen zu können, vertagte man sich.

Bild: Chefarzt Markus Pingel und Geschäftsführer Dr. Martin Horchler in Video-Konferenz mit weiteren Teilnehmern aus Politik und Gesundheitswesen

Bild: Symbolbild zur Video-Konferenz mit Teilnehmern aus Politik und Gesundheitswesen