22. Dezember 2023

Wenn im Krankenhaus Abfallverwertung auf Arbeitsschutz trifft

17. Krankenhaus-Umwelttag zeigte Widerspruch zwischen Chancen und Hemmnissen für Kreislaufwirtschaft im Gesundheitswesen

© KGNW Unter dem Motto „Transformation im Krankenhaus: von Abfallentsorgung und Umweltschutz zu Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung“ veranstaltete die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) am 9. November 2023 den 17. Krankenhaus-Umwelttag NRW. Kooperationspartner waren der Arbeitskreis Umweltschutz im Krankenhaus NRW und die Fachvereinigung Krankenhaustechnik e. V. (FKT). Rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten dem Ruf ins Haus der Unternehmer nach Duisburg.

Die Bedeutung des Themas stellte KGNW-Geschäftsführer Matthias Blum in seiner Begrüßung heraus: Krankenhäuser sollen bis 2045 klimaneutral werden. Doch dazu benötigen sie bestimmte politische Weichenstellungen und müssen beachtliche Investitionsmittel aufbringen, um zum Beispiel Gebäude energetisch zu sanieren, Strom- und Wärmeversorgung auf erneuerbare Quellen sowie modernste Technologie umzustellen und nachhaltige Lösungen für das Raumklima einzuführen. Das zeigen auch die beiden für das im März 2022 von der KGNW veröffentlichte Zielbild „Klimaneutrales Krankenhaus“ erstellten Gutachten des Wuppertal Instituts und des hcb Institute for Health Care Business (Essen). Im Nachgang zu den beiden Gutachten erarbeitete die KGNW ein Konzept für die Initiative „Klimaneutrales Krankenhaus“. Sie soll die nordrhein-westfälischen Kliniken dabei unterstützen, die angestrebten Klimaziele zu erreichen: „Die KGNW ist bis jetzt die einzige Krankenhausgesellschaft, die ihre Häuser so intensiv auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützt und kostenfreie Qualifizierungslehrgänge anbietet. Wir wünschen uns, dass sich noch viele weitere Krankenhäuser unserer Initiative anschließen und das Angebot zur Qualifizierung von Klimaschutzmanagerinnen und Klimaschutzmanagern nutzen“, sagte KGNW-Geschäftsführer Blum.

Neue industrielle Lösungsansätze für stoffliche Verwertung von Krankenhausabfällen

Im Plenum am Vormittag zeigte sich exemplarisch bei der Abfallentsorgung und -verwertung der Widerspruch zwischen Chancen und Hemmnissen für eine Kreislaufwirtschaft im Gesundheitswesen. Es gibt strenge Regularien, wie Krankenhausabfälle zu entsorgen sind. Die zuständige „Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA)“ hat dazu im Juni 2021 ihre „Mitteilung der Bund-/Länder-Gemeinschaft Abfall (LAGA) 18: Vollzugshilfe zur Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes“ veröffentlicht. Der Großteil der Abfälle gilt als „nicht gefährlich“ und stellt aus infektionspräventiver Sicht bei Sammlung und Entsorgung keine besonderen Anforderungen. Ihr amtlicher „AVV Abfallschlüssel“ lautet „AS 18 01 04“. Beispiel: Gipsverbände und Einwegkleidung. Dennoch fallen sie danach aus dem Verwertungskreislauf heraus. Sie dürfen nur in zugelassenen Abfallverbrennungsanlagen verbrannt oder – soweit behördlich zugelassen – thermisch behandelt werden. Offiziell genehmigte Ausnahmen sind möglich, solange der Arbeitsschutz gewahrt bleibt.

Dr. Michael Oberdörfer aus dem nordrhein-westfälischen Umweltministerium brachte diesen Zielkonflikt der Kreislaufwirtschaft in seinem Vortrag zu Herausforderungen bei der hochwertigen Verwertung von Krankenhausabfällen auf den Punkt: „Mit guten Konzepten können vermutlich mehr Abfälle aus dem Gesundheitsdienst als bisher stofflich verwertet bzw. für eine mehrfache Verwendung aufbereitet werden. Die Belange des Arbeitsschutzes müssen jedoch berücksichtigt werden.“ Lösungsansätze stellten Meike Lessau, Circularity Manager bei Resoucify, und Stephan Fimpeler, Vertriebsleiter bei Remondis Medison, vor. Resourcify präsentierte beim Umwelttag seine Recyclingplattform für ein digitales Rücknahmesystem am Beispiel elektrisch betriebener Einweginstrumente. Darüber können Krankenhäuser entsprechende Abfallbehälter digital abholen und tauschen lassen. Außerdem erhalten sie ein Reporting über den Prozess der Dekontamination und des möglichen Recyclings. Voraussetzung für die Krankenhäuser: die behördliche Freigabe. Die Optimierung des digitalen Abfall- und Wertstoffmanagements soll bis zu 40 Prozent an Kosten einsparen.

Remondis Medison nutzt bei seinem Ansatz die Ausnahmeregelung für Verfahren, die bei Abfallverwertung optimalen Arbeitsschutz mit Bestätigung der zuständigen Behörde garantieren. Das Unternehmen hilft Kliniken dabei, das kontaminierte Material getrennt zu sammeln und anschließend bei innerhalb der Klinik selbst dekontaminiertem oder mit behördlicher Genehmigung in der Klinik vordesinfiziertem und extern dekontaminiertem Abfall abholen zu lassen. Perspektivisch möchte Remondis sogar als „AVV 18 01 04“ markierten Abfall nach Abholung und Dekontamination umschlüsseln lassen und damit die Voraussetzung für eine Wiederverwertung (anstelle der für AVV 18 01 04 eingestuften Abfall vorgesehenen Verbrennung) schaffen – ein Verfahren, das es bisher in Deutschland nicht gibt.

© KGNW

Ist mögliche Umschlüsselung von Abfällen die Zukunft?

In einer anschließenden Podiumsdiskussion zum Thema „Kreislaufwirtschaft im Gesundheitswesen: Wie kann das funktionieren?“ unter begleitender Moderation von Gerd Schäfer aus dem Arbeitskreis Umweltschutz im Krankenhaus NRW wurde das Dilemma an einem Beispiel deutlich: Eine Edelstahlschere, die zum Aufschneiden eines Verbandes Patientenkontakt hat, zählt zum Sonderabfall, der aufwändig entsorgt werden muss. Demgegenüber gilt das nicht für klassischen Haushaltsabfall im Krankenhaus, bei denen auch ein Kontakt mit Patientinnen und Patienten möglich ist. Diesen Widerspruch nahm Dr. Michael Oberdörfer mit zurück ins Umweltministerium. Zudem berichteten die Industrievertreterinnen und -vertreter von großen Problemen auf regionaler Verwaltungsebene, neue Recyclingansätze zu realisieren.
Nach der Podiumsdiskussion rundeten am Nachmittag vier parallele Workshops die Veranstaltung ab:

  • CO2-Rechner: Möglichkeiten, Herausforderungen, Limits
  • Nachhaltiges Abfallmanagement im Krankenhaus
  • CO2-Einsparung durch verbessertes Nutzerverhalten
  • „Cradle-to-Cradle“: Möglichkeiten der CO2-Reduzierung am Beispiel des Lebenszyklus der Medizintechnik

Der Dank gilt allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, den Referentinnen und Referenten sowie den Moderatorinnen und Moderatoren:

Darüber hinaus dankt die KGNW den Mitveranstaltern, dem Arbeitskreis Umweltschutz im Krankenhaus NRW und der Fachvereinigung Krankenhaustechnik e. V. (FKT), dem Organisationsteam des Umwelttages, Matthias Vahrson von der FKT sowie Silvia Hermes und Kirsten Woyk, den anwesenden Sprecherinnen des Arbeitskreises Umweltschutz in Krankenhaus NRW, und den beteiligten KGNW-Mitarbeitenden Lucia Donath, Melissa Kurscheid, Nico Reinke und Robert Färber.

Am 18. und 19. September 2024 wird die KGNW im Rahmen der FKT-Fachtagung „Technik im Gesundheitswesen 2024“ im Gelsenkirchener Wissenschaftspark zusammen mit dem Arbeitskreis Umweltschutz in Krankenhaus NRW verschiedene Workshops anbieten. Im Jahr 2025 ist dann wieder der nächste reguläre Krankenhaus-Umwelttag NRW geplant.

Alle Vorträge lassen sich hier downloaden (16 MB).