11. November 2022
10 Jahre CIRS-NRW: Sicherheitskultur kommt Patienten und Heilberuflern zugute
Über 100 Teilnehmende beim CIRS-Gipfel in Münster
Münster. Ein offener Umgang mit sicherheitsrelevanten Ereignissen kommt allen Seiten zugute: denjenigen, die aus Fehlern anderer lernen, ohne sie selbst zu begehen; und denjenigen, die einen Fehler nicht am eigenen Leib erfahren müssen, da bereits präventive Maßnahmen zur Vermeidung ergriffen wurden. Was im Bereich der Luftfahrt, wo jeder Fehler eine Katastrophe auslösen kann, gang und gäbe ist, hat sich mit CIRS-NRW auch im Bereich von Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäusern etabliert. Denn auch hier können Fehler schlimmste Folgen nach sich ziehen. CIRS – das steht für „Critical-Incident-Reporting-System“. Es ist ein einrichtungsübergreifendes internetgestütztes Berichts- und Lernsystem für anonyme Berichte von kritischen Ereignissen in der Patientenversorgung. Aktuelle Themen und Erkenntnisse aus diesem lebenswichtigen Arbeitsbereich standen nun im Fokus des alle zwei Jahre stattfindenden CIRS-NRW-Gipfels in Münster – über 100 Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker sowie Risiko-Managerinnen und Risiko-Manager aus Krankenhäusern kamen in die Räumlichkeiten der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Organisatorisch getragen wird CIRS-NRW von gleich sieben Organisationen: den Ärztekammern, den Apothekerkammern und den Kassenärztlichen Vereinigungen Nordrhein und Westfalen-Lippe sowie von der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen. Seit zehn Jahren leistet CIRS-NRW bereits aktiv einen Beitrag für die Sicherheitskultur im Gesundheitswesen.
Worauf es bei CIRS ankommt, stellte Dr. Annette Gebauer (Geschäftsführerin Interventions for Corporate Learning) in ihrer Keynote heraus: Es gelte, präventiv zu agieren und eine Kultur zu etablieren, damit man über Dinge sprechen könne, die nicht optimal laufen, so Gebauer. Die Bedeutung einer offenen Sicherheitskultur hatten auch Mark G. Friedrich (Geschäftsführer der Ärztekammer Westfalen-Lippe) und Dr. Hannes Müller (Vorstandsmitglied der Apothekerkammer Westfalen-Lippe und der Bundesapothekerkammer) in ihren Begrüßungsworten unterstrichen: „Fehler können passieren, auch im Gesundheitswesen“, so Friedrich, „derselbe Fehler sollte nur nicht zweimal passieren. Wichtig ist, transparent und ohne Schuldzuweisung mit solchen Fehlern umzugehen, und zwar sektoren- und berufsgruppenübergreifend.“ Hannes Müller betonte dies ebenfalls: „Ich erlebe jeden Tag, wie wichtig der offene Austausch über Fehler ist, berichtete Müller aus seinem Alltag als Apotheken-Inhaber. „Wir müssen uns bewusst sein, dass Fehler überall möglich sind, und uns darüber austauschen – sowohl im Apothekenteam als auch mit anderen Akteuren.“
Fehlersuche im praktischen Umfeld: Der "Room of Horror" ist ein Trainingsraum für Patientensicherheit
Im Zentrum des Gipfels standen diverse Workshops, die sich mit Themen wie angstfreier Kommunikation, Patientensicherheit in der Akutversorgung (Anonymes Meldesystem Akutversorgung – AMA) und Führung beschäftigten. Die Bedeutung von Sicherheitskultur hautnah erlebbar machten zwei eigens eingerichtete sogenannte „Rooms of Horror“: In einer provisorisch eingerichteten Apotheke wurden Medikationsfehler für kleine Gruppen erlebbar gemacht. Sei es eine Namensverwechslung (Unterschied zwischen Rezept und Lieferschein erkennbar) oder irreführende Dosierungsangaben – 2,5 Milligramm Wirkstoff, oder doch 2,5 Tabletten eines Präparats. Im Team galt es, mögliche Fehlerquellen zu erkennen und auszumerzen. Das gilt auch für eine falsche Dosis eines Medikaments für frühgeborene Säuglinge, die auf individuell herzustellende Arzneimittel angewiesen sind: Auch hier gelte es, die Plausibilität der Dosis zu prüfen, so die Organisatoren.
Stark frequentiert war auch ein weiterer „Room of Horror“, der ein Patientenzimmer in einem Krankenhaus nachbildete. Und auch hier sind es vermeintliche Kleinigkeiten, die sicherheitsrelevant sind: Ein Patient erhält Penicillin, obwohl bereits eine Penicillin-Allergie dokumentiert ist. Den lebertoxischen Wirkstoff Paracetamol bekommt der Patient gleich doppelt – sowohl als Tablette als auch als Infusion. Und zu essen gibt’s als Nachtisch „normalen“ Joghurt: Die dokumentierte Laktose-Intoleranz des Patienten wird übersehen. Auch hier zeigte sich, dass die nachgestellten „Fehler“ mit Aufmerksamkeit und auch als Team entdeckt wurden.
Beispiele wie diese zeigen, wie bedeutend es für alle an der Patientenversorgung Beteiligten ist, aus den eigenen und den Erfahrungen anderer konstruktiv zu lernen, Lösungsstrategien zu entwickeln und daraus entsprechende Maßnahmen für die Zukunft abzuleiten. Das seit 2012 in NRW existierende CIRS-Netzwerk wird dabei auch zukünftig einen grundlegenden Beitrag zur aktiven Patientensicherheit leisten.