08. Juli 2022

Pflege Wert: Gesundpflegen und gesund pflegen

Betriebliche Gesundheitsförderung von großer Bedeutung

Psychosoziale Gesundheit ist „der Zustand des Wohlbefindens, in dem der Einzelne seine Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und einen Beitrag zu seiner Gemeinschaft leisten kann.“
(Weltgesundheitsorganisation WHO, 2004, Promoting mental health: Concepts, emerging evidence, practice: Summary report.)

Die Arbeit in der Pflege ist immer wieder mit Situationen und Aufgaben verbunden, die für die Pflegenden sehr belastend sein können. Die Betreuung der Patientinnen und Patienten ist eine erfüllende und sinnstiftende Tätigkeit. Gleichzeitig verlangen die Aufgaben sehr viel Empathie und können körperlich sowie psychisch beanspruchend sein. Umso wichtiger ist es, auf die psychosoziale Gesundheit zu achten. Denn: „Nur wer gesund pflegt, kann gesundpflegen.“ So brachte Claus Bockermann, Co-Federführender der Koordinierungsstelle für betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) in Nordrhein-Westfalen (NRW), das Ziel des Gesundheitsmanagements in Krankenhäusern auf den Punkt.
Mit der Veranstaltung „Pflege Wert“ informierten die BGF-Koordinierungsstelle NRW, die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V. (KGNW) über die Möglichkeiten der betrieblichen Gesundheitsförderung in der Krankenhauspflege.

Daten und Fakten: Wie geht´s der Pflege?

Die Anforderung an die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten sei immens gestiegen, erklärte Bockermann in einem kurzen einleitenden Vortrag. Das hinterlasse Spuren und zeige sich in der Zunahme der psychischen Erkrankungen. Bockermann verdeutlichte, dass der Krankenstand weitaus höher als in anderen Berufen sei. Insbesondere in der Krankenpflege erleiden die Beschäftigten am häufigsten Krankheiten im Muskel-Skelett-System. Eine Erkrankung des Muskel-Skelett-Systems sei bei Pflegekräften doppelt so häufig wie in anderen Berufsfeldern. Ähnlich häufig erkranken Pflegekräfte an einer psychischen Erkrankung. Grundsätzlich sei die Berufszufriedenheit in der Pflege aber hoch. Die Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen sei allerdings gering.

Abläufe und Bedingungen optimieren

Einen weiteren fachlichen Input lieferte Rainer Wieland, Professor an der Bergischen Universität Wuppertal und dortiger Leiter des „Weiterbildungsstudiengangs Arbeits- und Organisationspsychologie“. Er richtete den Blick auf die psychosoziale Gesundheit: Vor dem Hintergrund, dass die Ressourcen eines Menschen begrenzt sind, stellte er die Frage: „Was können wir tun, um die psychosoziale Gesundheit der Beschäftigten in Unternehmen nachhaltig zu fördern?“ Er zeigte, dass das Wohlbefinden während der Arbeit die Gesundheit positiv beeinflusst. Dazu seien die Arbeitsabläufe und Arbeitsbedingungen stets zu optimieren. Für Wieland war der Zweck der innerbetrieblichen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung klar: Es ließen sich zukünftige ökonomische Belastungen verhindern. Zudem werde die Produktivität nachweislich gesteigert.

Erfolgreiche Modelle

Über Best-Practice-Lösungen für ein funktionierendes betriebliches Gesundheitsmanagement informierten Britta Andresen, Referentin für Personalentwicklung und Andreas Hundeshagen, stellvertretender Pflegedirektor, beide tätig im Krankenhaus Bergmannsheil und Kinderklinik Buer gGmbH. Die Kurse, zum Beispiel im Bereich Bewegung und Entspannung, werden nicht erst nach Feierabend angeboten und Pausen aktiv gestaltet. Zu diesen präventiven Maßnahmen werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv abgeholt. In das Portfolio gehört auch die Erste Hilfe durch eine Psychologin. Zur Verarbeitung von belastenden Situationen steht sie auch kurzfristig online für ein Vier-Augen-Gespräch bereit. Außerdem sind die Personalverantwortlichen verpflichtet, offen für die Belange der Pflegenden und stets vertrauensvolle Ansprechpartner zu sein.

Attraktivität des Pflegeberufes erhöhen

Die Belastungen in der Pflege gründen auch auf dem Mangel an Fachkräften. Mehr Menschen für den Pflegeberuf begeistern ¬muss deshalb das Ziel sein – daran arbeiten die Verbände der Krankenhäuser auf verschiedenen Ebenen mit großem Nachdruck. Sascha Klein, Vize-Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, erklärte, dass die Angebote zur betrieblichen Gesundheitsförderung eine Möglichkeit seien, die Attraktivität des Arbeitgebers und des Pflegeberufes zu steigern. Inzwischen seien zunehmend Maßnahmen gefragt, die die Resilienz der Mitarbeitenden stärken. Auch Weiterbildungsangebote würden bewirken, dass sich die Mitarbeitenden wertgeschätzt fühlen. Oftmals fehle es allerdings an entsprechenden Investitionsmitteln, die mit einem unbürokratischen Vorgehen einhergehen und den Kliniken für die Ausgestaltung von verbesserten Rahmenbedingungen auch kurzfristig zur Verfügung stehen.

Das Damokles-Schwert: der demografische Wandel

Die Vorsitzende des Errichtungsausschusses der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen, Sandra Postel, richtete den Blick auf die Herausforderungen der Pflegenden während der Pandemie. Die Pflegekräfte hätten in der Pandemie einer erhöhten psychischen Belastung standhalten müssen. Der Berufstand Pflege sei bisher derjenige, der sich am häufigsten mit dem Coronavirus infiziert habe. Die Angst, sich selbst anzustecken sei daher sehr groß. Sascha Klein, der auch Geschäftsführer des Klinikums Oberberg ist, bestätigte dies aus der Erfahrung im Krankenhausalltag. In der Anfangsphase seien die Mitarbeitenden in den Häusern vermehrt durch die notwendige Quarantäne ausgefallen. Mit der Verbreitung der hochansteckenden Varianten des Coronavirus hätten sich leider auch die Beschäftigten in den Kliniken angesteckt und konnten daher den Dienst nicht antreten. Sandra Postel wies zuletzt darauf hin, dass jetzt neue Strukturen aufgebaut werden müssten. Denn die nächste Herausforderung warte schon: der demografische Wandel. Mehr Ältere und wenige Junge – viele Pflegekräfte verabschieden sich in den Ruhestand, während zwar mehr, aber nicht ausreichend neue Auszubildende nachkommen.

BGF wirkt

Alle Beteiligten waren sich darüber einig: Die prozessuale Betriebliche Gesundheitsförderung wirkt auf vielen Ebenen.

Die gesamte Veranstaltung gibt es hier zum Nachschauen:
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