08. Oktober 2007
"Krankenhaus Barometer 2007": Kürzungspolitik erreicht Mitarbeiter und Patienten
Düsseldorf, 8.Oktober 2007 - Das Krankenhausbarometer des Deutschen Krankenhausinstituts dokumentiert die dramatische Lage vieler Krankenhäuser
In mehreren Interviews haben Richard Zimmer, Geschäftsführer der KGNW, und weitere Geschäftsführer nordrhein-westfälischer Krankenhäuser auf die gravierenden Auswirkungen der Sparzwänge der Klinken aufgrund gesetzlicher Regelungen hingewiesen. Die finanziellen Belastungen seien nicht zu verkraften und die Politik müsse sich der absolut unzureichenden Finanzausstattung der Krankenhäuser annehmen, sonst drohe einen schlechtere Versorgung und Stellenabbau, hieß es.
Die DKG stellte heute die DKI-Studie im Rahmen einer Pressekonferenz in Berlin vor und erklärte in ihrer Pressemittelung:
„Die Umfrage macht eine alarmierende Trendumkehr bei den Krankenhäusern deutlich. Die wirtschaftliche Lage ist extrem angespannt – Einnahmen und Kosten klaffen immer weiter auseinander. Die Belastungen für die Kliniken sind nicht mehr zu verkraften. Ein Drittel der Krankenhäuser schreibt bereits Verluste. Die Kliniken mit ausgeglichenen Ergebnissen erreichen diese nur unter extremen Anstrengungen. Nach Jahren intensiver Durchrationalisierung ist die ‚Zitrone’ ausgequetscht. Die nächste Stufe führt in die Rationierung der Versorgung, die schon heute spürbar ist. In den letzten zehn Jahren wurden mehr als 150.000 Arbeitsplätze im Krankenhaus abgebaut, insbesondere in der Pflege. Die 17 Mio. Patienten merken dies längst am Krankenbett. Weitere Stellenkürzungen gehen zwangsläufig zu Lasten der Zuwendung.
Zentrales Problem auf der Einnahmenseite ist die gesetzliche Kappung der Vergütungen. So dürfen die Krankenhäuser im nächsten Jahr die Vergütungen um maximal 0,64 Prozent erhöhen. Gleichzeitig wird jede Rechnung um 0,5 Prozent Sanierungsabgabe für die Krankenkassen gekürzt. Bei einem Preiserhöhungsspielraum von fast Null bringen die Kostensteigerungen und vor allem die 2008 anstehenden Tarifverhandlungen das Fass zum Überlaufen.
Kliniken müssen – wie andere Wirtschaftszweige auch – Kostensteigerungen an ihre Vergütungen weiter geben können. Anderenfalls werden die 1 Mio. Beschäftigten in den 2.100 Krankenhäusern nicht an dem von Bundeskanzlerin Merkel versprochenen Aufschwung teilhaben können.
Das kann und darf die Politik nicht zulassen. Die Dramatik der Lage in den Krankenhäusern zwingt zum Handeln. Die Kürzungen und Einschnitte aus der Gesundheitsreform waren in 2006 unter ganz anderen Annahmen zustande gekommen. Tatsache ist inzwischen:
1. Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erwirtschaftet nach dem Milliarden-Überschuss in 2006 erneut 307 Mio. Euro Netto-Überschuss allein im ersten Halbjahr 2007. Per saldo ist die GKV längst entschuldet und damit das Reformziel erreicht.
2. Die Bundesagentur für Arbeit erzielt in 2007 einen unerwarteten Haushaltsüberschuss von 3,0 Mrd. Euro.
3. Allein in 2007 fallen die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand um 20,2 Mrd. Euro höher aus als noch zur Zeit der Planung der Gesundheitsreform in 2006 erwartet.
4. Bis 2010 kann die Koalition gegenüber 2006 mit unerwarteten Steuermehreinnahmen in Höhe von 179,2 Mrd. Euro rechnen.
5. Zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung hat Deutschland im ersten Halbjahr 2007 einen gesamtstaatlichen Haushaltsüberschuss in Höhe von 1,2 Mrd. Euro erzielt.
Es zeigt sich, dass der konjunkturelle Aufschwung früher seine Wirkungen entfaltet als erwartet. Sowohl die Steuereinnahmen als auch die Haushalte der Sozialversicherungen haben eine Trendumkehr zum Positiven unterlaufen.
Folglich kann es nicht angehen, dass die Kliniken weiterhin verpflichtet werden, den Krankenkassen mittels einer so genannten Sanierungsabgabe von 280 Mio. Euro jährlich die Kassen füllen. Jetzt muss die Krankenhausfinanzierung – insbesondere vor dem Hintergrund des Ausblutens der stationären Versorgung – neu bestimmt werden. Die Politik muss erkennen, dass der fortgeschrittene Substanzverzehr in der stationären Versorgung inzwischen massive Ausmaße angenommen hat und einer schnellen Trendumkehr bedarf.“
Die Ergebnisse des “Krankenhaus Barometer 2007”
1. Wirtschaftliche Lage schlecht – Pessimismus verstärkt sich
Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser wird zunehmend schlechter. Die Grenzen der finanziellen Belastbarkeit sind, nicht zuletzt für die kleineren Kliniken, erreicht.
Im Jahr 2006
· schrieben ca. 30 Prozent der Krankenhäuser Verluste
· wiesen 15 Prozent ein ausgeglichenes Ergebnis auf
Für das Jahr 2007 erwarten die Krankenhäuser insgesamt eine Verschlechterung ihrer Jahresergebnisse.
· ca. 30 Prozent der Krankenhäuser erwarten ein negatives Ergebnis
· nur noch 38 Prozent der Kliniken rechnen mit Überschüssen (2006: 55 Prozent).
Bei den Aussichten für 2008
· erwarten 42 Prozent der Krankenhäuser nochmals eine schlechtere wirtschaftliche Situation als 2007
Der DKI-Krankenhausindex zeigt, dass die Kliniken seit Einführung des Fallpauschalensystems im Jahr 2003 wieder deutlich pessimistischer in die Zukunft blicken.
Die Ursachen liegen im wesentlichen in dramatischen Kostensteigerungen, wie den deutlichen Tariferhöhungen für Klinikärzte, der Mehrwertsteuererhöhung, Energiekostensteigerungen sowie Mehrkosten durch das neue Arbeitszeitgesetz. Allein die Tariferhöhungen für die Klinikärzte summieren sich jährlich auf rund 1,5 Mrd. Euro. Das entspricht etwa 15 Prozent der gesamten Personalkosten des ärztlichen Dienstes. Bei vorgegebenem Landesbasisfallwert können diese Kostensteigerungen nicht an die Vergütungen (Fallpauschalen) weiter gegeben werden.
Gleichzeitig hat die Politik massive Kürzungen bei den Krankenhäusern mit den Einspargesetzen 2006 und der Sanierungsabgabe der Kliniken im Rahmen der Gesundheitsreform 2007 vorgenommen.
Maßnahmen der Kliniken:
Zur Vermeidung wirtschaftlicher und existenzbedrohender Probleme haben derzeit 11 Prozent der Krankenhäuser einen Notlagentarifvertrag abgeschlossen – mit Einbußen der Mitarbeiter beim Weihnachtsgeld und z. T. bei der Grundvergütung. In den neuen Bundesländern verfügt fast jedes fünfte Krankenhaus über einen entsprechenden Notlagentarifvertrag. Zudem planen bundesweit weitere 8 Prozent solche Verträge.
Die Kliniken planen daher konkrete Maßnahmen:
· Ein Drittel der Kliniken will offene Arztstellen nicht wiederbesetzen
· Fast 40 Prozent der Kliniken plant einen Stellenabbau in anderen Berufsgruppen
· Jede neunte Klinik plant einen Stellenabbau im Ärztlichen Dienst
· Jedes zweite Krankenhaus will ärztliche Aufgaben verstärkt an andere Berufsgruppen delegieren
Viele Krankenhäuser sehen dem Ende der Konvergenzphase (im Rahmen der Einführung der Fallpauschalen bis 2008) skeptisch entgegen, weil ihre nachweisbaren Bemühungen zur Verbesserung von Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung durch gesundheitspolitische Interventionen konterkariert werden.
2. Arbeitszeitgesetz – die Mehrheit hat Probleme bei der Umsetzung
Rund drei Viertel der deutschen Krankenhäuser hat nach wie vor Probleme mit der Umsetzung des neuen Arbeitszeitrechts. Die wesentlichen Ursachen dafür liegen in
· Finanzierungsproblemen
· Problemen mit der Mitarbeiterakzeptanz
· Schwierigkeiten, den Mehrbedarf an Ärzten am Markt zu decken
Das neue Arbeitszeitgesetz schreibt vor, zahlreiche Details der Umsetzung in Tarif-, Betriebs- und Dienstvereinbarungen zu regeln (z. B. Bereitschaftsdienst- und Höchstarbeitszeiten). Die unübersichtliche Tarifsituation erschwert die Anwendung des neuen Arbeitszeitgesetzes zusätzlich. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen setzen die Kliniken neue Arbeitszeitmodelle gleichwohl zusehends um.
3. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden – nur wenige kommen durch
In den Krankenhäusern wird der medizinische Fortschritt rasch in eine bessere Patientenbehandlung umgesetzt. Allerdings: medizinische Innovationen (neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) werden nur langsam in das Fallpauschalensystem eingepreist. Die Finanzierung des medizinischen Fortschritts vor Ort erfolgt zunächst durch die Krankenhäuser selbst. Die Krankenhäuser treten somit in Vorleistung.
Nur rund ein Viertel der Anträge von Kliniken führt am Ende auch zu einer Vereinbarung eines fallbezogenen Entgeltes oder Zusatzentgeltes für innovative Leistungen.
4. DRG-Zeitalter – Fokussierung und Wettbewerb stark zunehmend
Seit 2004 hat rund ein Fünftel der Krankenhäuser durch interne Schwerpunktsetzung mindestens einen Fachbereich neu errichtet.
Etwa ein Drittel der Krankenhäuser hat allein in den letzten drei Jahren Aufgaben an Fremdfirmen outgesourct.
Über ein Viertel der Krankenhäuser stimmen ihr Leistungsspektrum mit Auswirkung auf die Leistungsplanung mit anderen Häusern ab. Gegenüber dem letzten Jahr hat dieser Anteil damit im stationären wie ambulanten Sektor deutlich zugenommen.
Knapp die Hälfte der Krankenhäuser ist seit dem Jahr 2004 eine institutionalisierte Form von Kooperation mit anderen Krankenhäusern eingegangen.
5. Unternehmensziele – Qualität steht hoch im Kurs
Bei den Unternehmenszielen sind den Krankenhäusern
· eine hohe Patientenzufriedenheit
· eine hohe Qualität der Leistungserbringung und
· ein gutes Image ihres Hauses in der Öffentlichkeit
am wichtigsten.
Diese Ziele werden auch in sehr guter Weise erreicht. Nur begrenzt erreicht werden dagegen die ökonomischen Ziele.
Während die Krankenhäuser in den letzten Jahren die ökonomischen Ziele noch in hohem Maße erreichten, wurde die Zielerreichung bei den qualitätsorientierten Zielen teilweise kritisch gesehen. Der Zeitvergleich belegt den steigenden ökonomischen Druck durch das Fallpauschalensystem und damit die zunehmende Bedeutung ökonomischer Sichtweisen im Krankenhaus. Die Verbesserungen bei den qualitätsorientierten Zielen spiegeln hingegen auch das erfolgreiche Bemühen vieler Krankenhäuser etwa mit Blick auf die strategische Neuausrichtung ihres Unternehmens, das Prozess- und Qualitätsmanagement wider.
6. Entlassungsmanagement – gut gerüstet in die Zukunft
Die Krankenhäuser sind für das Versorgungs- und Entlassungsmanagement gut vorbereitet:
· jedes zweite Krankenhaus verfügt über schriftlich fixierte Arbeitsanweisungen oder Behandlungspfade – vielfach mit Erfassung zentraler Aspekte wie eine gezielte und frühzeitige Entlassungsplanung oder eine bedarfsorientierte Einbeziehung nachsorgender Leistungserbringer
· die Hälfte der Krankenhäuser hat speziell qualifizierte Fachkräfte, die ausschließlich oder schwerpunktmäßig für das Entlassungsmanagement bzw. die Patientenüberleitung zuständig sind (Case-Manager, Fachkräfte für Pflegeüberleitung o. ä.)
· der Ärztliche Dienst, der Pflegedienst sowie der Sozialdienst sind vielfach standardmäßig in die Entlassungsplanung einbezogen.
· der Einsatz standardisierter Assessmentinstrumente zum poststationären Pflege- und Versorgungsbedarf sowie die Überprüfung der Entlassungsplanung nach der Entlassung durch das Krankenhaus selbst finden zusehends Verbreitung
· das Schnittstellenmanagement relativ weit fortgeschritten. Die Kostenträger und nachsorgenden Leistungserbringer (z. B. Reha-Kliniken, ambulante und stationäre Pflegeinrichtungen) sind weitgehend in die Entlassungsplanung eingebunden
Das Krankenhaus Barometer liefert seit dem Jahr 2000 umfangreiche Informationen zum aktuellen Krankenhausgeschehen. Die Umfrage 2007 beruht auf den Angaben von 304 Allgemeinkrankenhäusern, die im April bis Juni diesen Jahres durchgeführt wurden. Die Ergebnisse sind repräsentativ für alle allgemeinen Krankenhäuser ab 50 Betten in Deutschland, die gemäß § 108 SGB V zur Krankenhausbehandlung zugelassen sind. Die gesamte Studie ist auf der Internetseite www.dkgev.de sowie www.dki.de verfügbar.
Das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) wird von führenden Verbänden und Institutionen der Krankenhauswirtschaft getragen: der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), dem Verband der Krankenhausdirektoren (VKD), dem Verband der leitenden Krankenhausärzte (VLK) und der Deutschen KrankenhausVerlagsgesellschaft (DKVG).
Die Dateien der Studie finden Sie in unserem Downloadbereich.