04. Juni 2019

Zum achten Mal bei den Ruhrfestspielen: Wo Lügner nach der Wahrheit su

Projekt zeigt mutige Theaterspielende in wunderbaren Kostümen

Lügengespinste, Gemeinheiten und Heuchelei bestimmen das Geschehen der diesjährigen Theaterproduktion der LWL-Klinik Herten bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen: „Liar, Liar, Pants on Fire! Alle Kreter lügen!“ nimmt sich der Lüge an, um der Wahrheit schließlich auf den Grund zu gehen. Premiere war Montagabend (3.6.) im Klinik-Schloss, und als Spielerinnen und Spieler stehen Patienten und Mitarbeitende der LWL-Klinik Herten für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) auf der Bühne. Ohne Literaturvorlage, ganz bei sich und völlig aufrichtig.

Sandra Anklam führt nach einer Pause von den Ruhrfestspielen wieder Regie – dieses Mal unter der neuen Intendanz von Olaf Kröck, der von 2017 bis 2018 das Schauspielhaus Bochum leitete. Die beiden Theatermacher haben bereits in Bochum erfolgreich zusammengearbeitet. Gemeinsam mit der Theatergruppe in Herten hatte Sandra Anklam für das Bühnenstück in den zurückliegenden Monaten verschiedene Bruchstücke aus Erfahrenem und Erlebtem rund um die Lüge gesammelt und zusammengefügt, womit auch der Untertitel von „Liar, Liar, Pants on Fire! Alle Kreter lügen!“ zu verstehen ist: „Eine theatrale Untersuchung von kreativen Informationen zu Sachverhalten der Realität zum Zweck mittelfristiger Stressvermeidung“. Damit entpuppt sich das Leitmotiv Lüge als eine Farce, denn „‘Lügen sind eine essentielle Ingredienz unserer sozialen Intelligenz‘ oder anders ausgedrückt: Wer immer und überall die Wahrheit sagt, ist zumindest sozial ein wenig einfältig“ – so das Programm. Im Stück geht es darum, den inneren und äußeren Wahrheiten auf den Grund zu gehen, und nicht darum, die Lüge als scham- und schuldbehaftete Todsünde zu entlarven. An Leichtigkeit gewinnt das Stück nicht zuletzt durch die Kostüm- und Bühnengestaltung von Susann Bieling, bekannt geworden durch einen Oscar für „Nirgendwo in Afrika“. Sie arbeitet bereits zum siebten Mal für das Theaterprojekt.

Wie für jedes Theaterstück in den Jahren zuvor befassen sich die Mitspielenden des Theaterprojekts mit den eigenen Biografien und legen auf diesem Weg ihre Stärken und ihr Können offen. Ihnen gelingt damit Großes: die Auseinandersetzung mit sich selbst. Unterstützt und begleitet von der Regisseurin und Theatertherapeutin Sandra Anklam und der Ärztin Sandra Laghusemann wurden die Mitspielenden mit ihrem eigenen Leben konfrontiert. „Krisensituationen gehören dazu und fordern eine therapeutische Reflexion heraus. Belastende Erfahrungen aus der Vergangenheit können im theatertherapeutischen Prozess verarbeitet und das Selbstwertgefühl gestärkt werden“, so die Fachärztin für Neurologie.

Letztlich geht es bei den Theaterprojekten, zu denen die Öffentlichkeit im Rahmen der Ruhrfestspiele Zugang hat, um wertvolle Anti-Stigma-Arbeit. Der Ärztliche Direktor Dr. Luc Turmes und Dr. Frank Hoffmann, bis 2018 Intendant der Ruhrfestspiele Recklinghausen, starteten vor sieben Jahren das Kooperationsprojekt. „Wir freuen uns, dass der neue Intendant der Ruhrfestspiele, Olaf Kröck, die Zusammenarbeit mit uns fortsetzt und damit ein Zeichen setzt gegen Intoleranz. Es liegt an uns allen, die Vorurteile gegenüber seelischen Erkrankungen zu überwinden. Mit Hilfe eines solchen Theaterprojektes schaffen wir Brücken“, so Turmes.

Seit vielen Jahren setzt sich der Mediziner für eine Entstigmatisierung psychisch Erkrankter ein. In der Hertener LWL-Klinik am Schlosspark werden Menschen mit Depressionen, Psychosen, Persönlichkeitsstörungen, Demenzen und Abhängigkeitserkrankungen behandelt – in Form von ambulanten, tagesklinischen, teilstationären und stationären Angeboten. In diesem Rahmen können Patienten das theatertherapeutische Angebot wahrnehmen, bei dem mit Hilfe von Spielsequenzen und Übungen unter anderem das Selbstbewusstsein gefördert wird.

An folgenden Tagen werden 11 Patientinnen, Patienten und Mitarbeitende „Liar, Liar, Pants on Fire! Alle Kreter lügen!“ im Barocksaal Schloss Herten zeigen:
3. Juni (Premiere) und 4. Juni, jeweils um 19 Uhr
16. Juni, um 16 Uhr und 19 Uhr
28. Juni, um 19 Uhr als Gastspiel im Kreishaus Recklinghausen

Bildquelle: Wolfgang Kühnen