29. Juli 2013

Nachbericht 7. Krankenhaus-Qualitätstag NRW

Horst Imdahl, Geschäftsführer der Städtischen Kliniken Mönchengladbach und Vorsitzender der Kommission Qualitätsmanagement der KGNW, brachte es in seiner Begrüßungsrede auf den Punkt: Nur durch ein funktionierendes und von allen Mitarbeitern gelebtes Qualitätsmanagement seien die Krankenhäuser in einem durch Kostendruck und Arbeitsverdichtung geprägtem Umfeld in der Lage, die Behandlungsqualität auf hohem Niveau zu erhalten. Der Nutzen von Qualitätsmanagement und die sachgerechte Organisation eines Qualitätswettbewerbes waren die beherrschenden Themen am Vormittag des mit rund hundert Teilnehmern gut besuchten 7. Krankenhaus-Qualitätstages am 03.07.2013 in Bochum.

Dr. Heidemarie Haeske-Seeberg, Leiterin des Qualitätsmanagements bei den Sana Kliniken, brachte in ihrem Vortrag ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass der Nutzen des QM die Kosten rechtfertigte. An vielen konkreten Maßnahmen aus dem Sana-Konzern zeigte sie die positiven Effekte des Qualitätsmanagements für die Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit sowie für die Steuerbarkeit der Behandlungsprozesse auf. Die Sana-Kliniken würden sich mit ihrem Qualitätsmanagement an acht patientenorientierten Qualitätsdimensionen vom „Medizinischen Ergebnis“ über „Servicequalität“ bis zur „Beziehungsqualität“ und „Ethik“ orientieren. Für diese Qualitätsdimensionen würden Maßnahmen entwickelt, eingeführt und deren Erfolg durch Messung und/oder Audits geprüft.

Haeske-Seeberg ist überzeugt: „QM rechnet sich nur dann nicht, wenn es unprofessionell, halbherzig und nicht nachhaltig umgesetzt wird.“ und: „Wenn es QM nicht mehr gäbe, würden die Häuser sehr schnell wieder in den Modus professioneller Improvisation umschalten. Die Steuerbarkeit der Prozesse und die anderen Vorteile wären schnell verspielt.“

Dorian Doumit vom GKV-Spitzenverband präsentierte die auf den ersten Blick entmutigende Bilanz einer Literaturrecherche zum Nutzen von Maßnahmen des Qualitätsmanagement. Das Kompetenzzentrum „Quaitätssicherung/Qualitätsmanagement“ der MDK Gemeinschaft hatte diese Recherche im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes durchgeführt. In der Literatur liesen sich nur sehr wenige Nachweise für den Nutzen von QM finden, zumindest wenn man den Nutzen an einer Verbesserung der Ergebnisqualität für die Patienten festmachen würde. Doumit relativierte allerdings selbst das eigentlich schlechte Ergebnis der Recherche. Es sei in einem sich ständig verändernden komplexen und von vielen unterschiedlichen sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren geprägten Kontext, wie der Gesundheitsversorgung, sehr schwer einen statistischen und darüber hinaus einen kausalen Zusammenhang zwischen QM-Maßnahme und medizinischer Ergebnisqualität nachzuweisen.

In seinem Vortrag zum Qualitätswettbewerb zwischen Krankenhäusern ging Dr. Christoph Veit vom BQS-Institut der Frage nach, wie qualitätsorientierte Leistungsvergütung gestaltet werden müsse, damit sie im Sinne einer Qualitätsverbesserung wirksam ist, nur geringe Nebenwirkungen hat und wenig Fehlanreize bietet. Er fasste dazu die Ergebnisse des Gutachtens „Pay for Perfomance im Gesundheitswesen. Grundlagen für die Weiterentwicklung“ zusammen, die das BQS im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) erstellt hatte. Qualitätsorientierte Leistungsvergütung sei kein Allheilmittel für die Probleme der Gesundheitsversorgung, da die primäre Motivation der Leistungsbringer nicht durch finanzielle Anreize ersetzt, sondern höchstens verstärkt werden könne. Finanzielle Anreize hätten außerdem immer nur temporäre Wirkung. In der Literatur fände sich nur geringe Evidenz für den Erfolg von P4P-Modellen. Notwendige Voraussetzung für den Erfolg solcher Modelle seien konkrete Qualitätsziele und daraus abgeleitete valide und nicht manipulierbare Messgrößen.

v. l. n. r.: Horst Imdahl, Dr. Christoph Veit, Dr. Heidemarie Haeske-Seeberg, Dorian Doumit, Burkhard Fischer, Prof. Uvo Hölscher

Workshop 1 „Organisationsentwicklung oder Prozessoptimierung?“

Lean Management, ein Konzept, das aus der Autoindustrie bekannt ist, lässt sich auch auf Krankenhäuser übertragen. Der Begriff dafür heißt „Lean Hospital“. Diese Ansicht vertrat Judith Felsches vom Lean Management Institut aus Hilden sehr überzeugend. Ziel sei es, Werte ohne Verschwendung von Zeit und Ressourcen zu schaffen. Der ganzheitliche und systematische Ansatz zur Prozessverbesserung durch Eliminierung von Verschwendung könne helfen, vielfältige Probleme im Krankenhaus, z.B. Wartezeiten und Koordination von arbeitsteiligen Behandlungsprozessen, zu lösen.

Stefan Hastreiter vom Fraunhofer-Institut SCS in Nürnberg stellte die Ergebnisse einer vergleichenden Studie zur Effizienz von Patiententransportprozessen in sechs Krankenhäusern der Maximalversorgung vor. Durch Benchmarking von prozessorientierten Kennzahlen könnte die Patiententransportlogistik zwischen verschiedenen Krankenhäusern vergleichbar gemacht und zudem die Transportprozesse analysiert und verbessert werden. Eine motivierte und gelungene Kommunikation zwischen den beteiligten Berufsgruppen können die strukturellen Nachteile und organisatorischen Mängel beim Patiententransport kompensieren.

Ein vom BMG gefördertes langfristiges Fortbildungsprojekt zum berufsgruppen- und standortübergreifenden Prozessmanagement in der Patientenversorgung stellte der Medizinische Direktor der Lahn-Dill Kliniken, Dr. Norbert Köneke, vor. Die Gesundheitsversorgung müsse immer mehr sektoren-, abteilungs- sowie prozessübergreifend organisiert werden. Von Mitarbeitern aller Berufsgruppen in Krankenhäusern werde zunehmend ein netzwerkorientiertes Prozessmanagement gefordert. Die Fortbildung für 32 Mitarbeiter der Lahn-Dill Kliniken, organisiert von der Akademie der Steinbeis-Hochschule in Marburg, vermittelte Kenntnisse in den Themenbereichen Organisationsentwicklung, integrierte Managementsysteme, Projektmanagement, Unternehmensführung und Kommunikation im beruflichen Kontext.

Die Diskussion im Workshop zeigte, dass die im Titel benannte Frage „Organisationsentwicklung oder Prozessoptimierung?“ nur mit einem eindeutigen „sowohl als auch“ beantwortet werden könne. In den Krankenhäusern tatsächlich gelebtes QM sei dabei wichtiger als Methodenfragen.

Workshop 2 "Qualitätssicherung mit Routinedaten in der praktischen Anwendung"

Die Referenten Dr. Guido Lerzynski vom Heilig-Geist-Krankenhaus Köln, Carsten Thüsing und Ute Westphal von den Kliniken der Stadt Köln und Prof. Andreas Becker von Clinotel stellten die jeweils krankenhausspezifische Aufbereitung von verfügbaren Qualitätsindikatoren aus Routinedaten vor. Ziel aller Verfahren ist es, risikoadjustierte Qualitätsunterschiede aufzuzeigen und in Einzelfallanalysen mit den betroffenen Fachabteilungen Verbesserungspotenziale für Behandlungsprozesse zu entdecken.

Der Workshop machte deutlich, dass das bloße Erheben von Indikatoren und Kennzahlen aus administrativen Routinedaten nicht sinnvoll sei. Erst wenn es gelinge, die Frage zu beantworten, „Welcher Unterschied macht einen Unterschied?“ und dann die möglichen Ursachen für die Qualitätsunterschiede zu benennen und schließlich qualitätsverbessernde Veränderungen der Behandlungsprozesse zu etablieren, erst dann könne man auch mit Qualitätsindikatoren aus administrativen Routinedaten Qualitätssicherung betreiben. Zwingend notwendig sei dazu eine fundierte Einzelfallanalyse. Dies werde mit den QSR-Indikatoren der AOK nicht erreicht werde. Kritisiert wurde neben zweifelhaften Endpunkten insbesondere, dass die Risikoadjustierung intransparent sei und das Analysieren auf Fallebene mangels Referenz auf die Ursprungsdaten unmöglich sei. Diese Nachteile haben die vorgestellten Projekte nicht.

Workshop 3 „Patientensicherheit“

In dem Workshop wurden drei wichtige Aspekte der Patientensicherheit beleuchtet. Prof. Uvo Hölscher zeigte eine Vielzahl von Optimierungspotentialen im Umgang mit medizinprodukte-assoziierten Risiken auf. Diese reichten vom besseren Produktdesign der Hersteller über Vorschläge für ein effizienteres staatliches Melde- und Analyse- und Lernsystem für Vorkommnisse mit Medizinprodukten bis zur besseren Einweisung von Krankenhausmitarbeitern.
Dr. Daniel Berning von Institut für Patientensicherheit der Universität Bonn stellte die Ergebnisse einer Begleitforschung zum Einsatz von OP-Checklisten zur Vermeidung von Eingriffsverwechslungen vor. 16 Krankenhäuser hatten sich an dem Projekt der WHO beteiligt. Trotz hausindividueller Anpassungen der Checklisten war die Compliance bei der Nutzung der Checklisten sehr unterschiedlich. Die Wahrnehmung der Risiken von Eingriffsverwechslungen habe aber in allen Häusern zugenommen.

Ulrike Kramer, Leiterin des Sozialdienstes der Universitätsklinik Essen berichtete anschaulich über den Arbeits- und Konsentierungsprozess einer Arbeitsgruppe aus allen beteiligten Einrichtungen der Gesundheitsversorgung in Essen von 2005 bis 2012, die ein Instrumentenset für eine gezielte interdisziplinär abgestimmte Patientenüberleitung an den Schnittstellen zwischen den Sektoren entwickelt hat. Dabei war das wichtigste Ziel, dass die Informationsübermittlung genauso schnell erfolgen sollte wie der Transport der Patienten. Derzeit nutzen in Essen 80% aller Einrichtungen der Gesundheitsversorgung dieses Instrumentenset. Der in Essen entwickelte Überleitungsbogen dient inzwischen als Blaupause für viele ähnliche Projekte in NRW und anderen Bundesländern.

Hier können Sie sich das Programm, einige Impressionen und die vorliegenden Vorträge anschauen: