04. März 2010

Die Überwindung der Sektorengrenzen zwischen ambulantem und stationärem Bereich darf nicht gestoppt werden

Düsseldorf, 4. März 2010 – „Die nordrhein-westfälischen Kliniken wollen ihren Patienten eine Behandlung aus einem Guss anbieten und die erheblichen Versorgungsvorteile, die mit der Verzahnung stationärer und ambulanter Versorgung durch eine weitere Öffnung für ambulante Leistungen verbunden sind, für ihre Patienten nutzen“, erklärte Dr. Hans Rossels, Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), auf einer Pressekonferenz am 4. März 2010 in Düsseldorf. Ziel für die Kliniken sei es, sich zu Gesundheitszentren weiterzuentwickeln und mit niedergelassenen Ärzten und anderen Leistungsanbietern zu kooperieren sowie ihr Know-How in die ambulante Versorgung einzubringen.

Dr. Rossels stellte die Bedeutung der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) in Trägerschaft der Krankenhäuser sowie der Erbringung ambulanter hochspezialisierter Leistungen durch die Kliniken nach § 116b SGB V in diesem Prozess heraus. Sie seien zudem wichtige Bestandteile zur Umsetzung des erklärten Ziels des Gesetzgebers, eine bessere Verzahnung zwischen ambulantem und stationärem Sektor zu erreichen.

„Deshalb darf die Beteiligung der Kliniken an MVZ nicht auf unter 50 Prozent begrenzt werden, wie dies auf der Bundesebene von CDU/CSU und FDP im Koalitionsvertrag vorgesehen ist“, hob der KGNW-Präsident hervor. Medizinische Versorgungszentren in der Trägerschaft von Krankenhäusern seien keineswegs als Konkurrenz für die Vertragsärzte anzusehen. Sie gewährleisteten vielmehr eine koordinierte patientenorientierte Versorgung der kurzen Wege und sicherten die ambulante Versorgung in Regionen, in denen niedergelassene Ärzte fehlten. Steigende Bedeutung komme den MVZ darüber hinaus auch aufgrund des Ärztemangels und dem steigenden Frauenanteil im Arztberuf zu, so der KGNW-Präsident.

„Im Sinne der vernetzten ambulant-stationären Patientenversorgung fordern die Kliniken in NRW weiterhin eine offensive Zulassung der Krankenhäuser zur Erbringung ambulanter hochspezialisierter Leistungen und seltener Erkrankungen nach § 116b SGB V“, erklärte Dr. Rossels. Die ambulante Behandlung dieser Erkrankungen wie z. B. Onkologische Erkrankungen, HIV/AIDS, Mukoviszidose und Tuberkulose aus einer Hand im Krankenhaus biete für die Patienten erhebliche Vorteile und sei nach dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) seit dem 1. April 2007 möglich.

Der KGNW-Präsident wies darauf hin, dass vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales von den insgesamt circa 800 Anträgen der Kliniken in NRW bisher ein Drittel entschieden worden seien. „Nunmehr hat das Ministerium zugesagt, noch bis zum Jahresende die Zulassungsverfahren für die jetzt noch vorliegenden Anträge abzuschließen“ betonte Dr. Rossels. Damit bestehe dann schließlich für alle Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung die Möglichkeit, bei hochspezialisierten Leistungen und seltenen Erkrankungen eine Behandlung aus einem Guss am Krankenhaus zu wählen, so der KGNW-Präsident.

„Aus Sicht der Kliniken sind eine Offensive zum Abbau der Einschränkungen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung und zum Abbau der Bürokratie sowie eine Erhöhung der Studienplatzkapazitäten in der Medizin zudem wirksame Strategien gegen den Ärztemangel“, hob der KGNW-Präsident hervor.

So fehlen nach Berechnungen des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) in Deutschland derzeit rund 5.000 Ärzte in Krankenhäusern, davon circa 1200 Ärzte in NRW-Kliniken. Betroffen hiervon sind vor allem die großen Fachgebiete Chirurgie, Innere Medizin und Gynäkologie. Nach den Worten von Dr. Rossels sind diese Zahlen umso bemerkenswerter, da in Deutschland noch nie so viele Ärzte im Krankenhausbereich tätig waren wie zum jetzigen Zeitpunkt. Die Zahl der Ärzte in den nordrhein-westfälischen Krankenhäusern sei allein im Zeitraum 1995-2008 um 4.200 angestiegen, wohingegen im Pflegebereich fast 14.000 Stellen abgebaut wurden.

„Dies zeigt, dass die Kliniken auf die Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie reagiert haben und dass die ärztliche Arbeit auf mehrere Schultern verteilt wurde“ erklärte der KGNW-Präsident. Die Kliniken hätten sich damit auch auf das gestiegene Interesse der Ärzte an einer ausgeglichenen Worklife-Balance eingestellt. Angesichts des bestehenden Ärztemangels fordere die KGNW neben einer maßgeblichen Erhöhung ausreichend finanzierter Medizinstudienplätze auch einen erleichterten Zugang zum Medizinstudium. Der Numerus Clausus als vorherrschendes Zulassungskriterium dürfe nicht mehr länger zahlreichen geeigneten Bewerbern den Weg in die Medizin erschweren oder gar versperren.

Kritik übte der KGNW-Präsident abschließend an der unzureichenden Investitionsfinanzierung der nordrhein-westfälischen Kliniken durch das Land. So belaufe sich der Investitionsstau in den 418 NRW-Kliniken auf 14,6 Mrd. Euro. NRW liege bei der Krankenhausförderung seit der Neuregelung der Krankenhausfinanzierung 1972 bundesweit in Bezug zur Bevölkerungszahl NRW auf einem enttäuschenden 14. Platz und mit 83.286 Euro pro Planbett im Zeitraum von 1991 bis 2008 lägen die NRW-Kliniken sogar auf dem letzten Platz.

Dr. Rossels verwies in diesem Zusammenhang auf ein Gutachten von Prof. Rürup, das von der früheren Bundesregierung in Auftrag gegeben wurde. Nach diesem Gutachten müssen die Investitionsmittel bundesweit von 2,7 Milliarden Euro (2007) auf 5 Mrd. Euro aufgestockt werden, um ein adäquates Investitionsniveau zu erhalten. Demnach müssen in NRW die Fördermittel für die Krankenhäuser um jährlich zusätzlich circa 700 Millionen Euro für dringend notwendige Investitionen erhöht werden, um ein Anwachsen des Investitionsstaus zu stoppen.

Der KGNW-Präsident forderte die Politik und die Länder auf sicherzustellen, dass den Kliniken die für die medizinische Versorgung und den medizinischen Fortschritt benötigten finanziellen Mittel bereit gestellt und den Kliniken eine ausreichende Refinanzierung von Personal- und Sachkostensteigerungen garantiert werde.