10. Februar 2004

Statement von KGNW-Präsident Dr. Kramer bei der KGNW-Pressekonferenz am 10.02.2004

Dr. Johannes Kramer
Präsident

der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen


Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen:

Finanzielle Notlage weiter verschärft


Pressekonferenz

KGNW-Geschäftsstelle

Düsseldorf

10. Februar 2004


Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen:

Finanzielle Notlage weiter verschärft

Festschreibung der Krankenhauseinnahmen und die Folgen

Nach wie vor sind die Krankenhäuser nicht nur hochqualifizierte und unverzichtbare Einrichtungen für die medizinische Versorgung der Bevölkerung, sondern mit einem jährlichen Gesamtumsatz von 12 Mrd. € und 240.000 Beschäftigten ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber im Land Nordrhein-Westfalen. Vielfach sind Krankenhäuser die größten Arbeitgeber vor Ort.
Die Anforderungen und Ansprüche an die Patientenversorgung in den Krankenhäusern steigen kontinuierlich an. Immer mehr Patienten müssen in immer kürzerer Zeit bei ständig wachsenden Qualitätsansprüchen in den Krankenhäusern behandelt werden. Vor diesem Hintergrund ist die fortdauernde Deckelung (Festschreibung) ihrer Einnahmen (Budgets) für die Krankenhäuser ein Desaster, da im Ergebnis die Gesamtvergütung für die Behandlungsleistungen der Krankenhäuser in den letzten Jahren bei immer höheren Kosten konstant geblieben ist. Dies führt zu real sinkenden Krankenhausbudgets und gravierenden Auswirkungen auf die Versorgung der Patienten in den nordrhein-westfälischen Krankenhäusern. Die qualitätsorientierte bürgernahe Patientenversorgung ist nach fast zehnjähriger Deckelung der Budgets und einer dadurch entstandenen gravierenden Unterfinanzierung der Krankenhäuser in hohem Maße gefährdet.

Auch durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) wurde das größte Problem unseres Gesundheitswesens – die wegbrechenden Beitragseinnahmen und die daraus folgende absolut unzureichende Finanzierung der Krankenhäuser – nicht gelöst. Zentrale Ursache für die ständige Flickschusterei im Gesundheitswesen ist keinesfalls eine Kostenexplosion, sondern eine Beitragsimplosion - und dieses zentrale Problem wurde von der Regierung in die Rürup-Kommission verschoben und im GMG nicht gelöst!

Leistungs- und Effizienzsteigerung bei reduzierten finanziellen Resourcen

Parallel zu dieser Entwicklung haben die nordrhein-westfälischen Krankenhäuser ihre Leistung und Effizienz gesteigert und mit erheblichem Aufwand Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt:

* Die Zahl der Patienten, die in den 462 nordrhein-westfälischen Krankenhäusern behandelt werden, steigt von Jahr zu Jahr. Sie ist von knapp 3,3 Mio. im Jahr 1990 auf inzwischen fast 3,9 Mio gestiegen. Gründe für die Zunahme der Patientenzahlen sind die demografische Entwicklung – die Bevölkerung wird immer älter, – die Zunahme der Zivilisationskrankheiten sowie der medizinische Fortschritt.

* Weiterhin wurde in den Krankenhäusern zwischen 1990 und 2001 die Verweildauer von 13,9 Tagen auf 10,1 Tage gesenkt; die Zahl der Betten von 161.298 auf 134.883 reduziert und – nach einem vorübergehenden Anstieg – die Zahl der Mitarbeiter seit 1995 um fast 14.000 auf jetzt 239.000 abgebaut.

In einem personalintensiven Dienstleistungsunternehmen wie dem Krankenhaus ist diese Arbeitsverdichtung nicht unbegrenzt
verlängerbar.
Steigende Fallzahlen bei sinkenden Erlösen

Während die Fallzahlen steigen, sinken die Budgets der Krankenhäuser real seit 1997. Die sogenannte Personalkostenschere stellt die Krankenhäuser vor große Probleme, d.h. das Auseinanderdriften zwischen den linearen und strukturellen Tariferhöhungen einerseits und der Refinanzierung über die Veränderungsrate andererseits.

So dürfen in diesem Jahr durch die Anbindung der Krankenhausbudgets an die Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen der Krankenkassen (Veränderungsrate) die Krankenhausbudgets nur marginal um höchstens 0,02 Prozent steigen. Die Krankenhäuser stehen damit wieder quasi vor einer Nullrunde und müssen ihre Budgets de facto weiter absenken. Der geringen Steigerungsrate von 0,02 Prozent stehen Kostenzuwächse im Personal- und Sachkostenbereich von insgesamt mindestens 2,7 Prozent gegenüber. Die Mehrausgaben beruhen auf linearen und strukturellen Tarifsteigerungen (2,94 Prozent in den alten Bundesländern) und der Er-höhung der Verbraucherpreise. Erfahrungsgemäß liegt die Sachkostenentwicklung in den Krankenhäusern circa 1 % über der vorraussichtlichen Verbrau-cherpreisentwicklung von 1,3 Prozent. Somit kann für das Jahr 2004 von einer Sach-kostensteigerung in Höhe von + 2,3 % ausgegangen werden.

Berechnung der Mehrbelastung der Krankenhäuser aus Personal- und Sachkostensteigerungen::
Eine Mehrbelastung ergibt sich (bei einer Gewichtung von 66 % Personal- und 34 % Sachkosten) in Höhe von insgesamt + 2,94 % x 0,66 Personalkosten + 2,3 % x 0,34 Sachkosten = 2,72 Prozent abzüglich der möglichen Kompensation der Veränderungsrate von 0,02 % = 2,70 Prozent Gesamtbelastung

Durch diesen Budgetabzug, die Kostensteigerungen im Personal- und Sachkostenbereich sowie den Wegfall der Arzt-im-Praktikum-Phase (AiP-Phase) müssen die nordrhein-westfälischen Krankenhäuser in 2004 damit ein zusätzliches Defizit von insgesamt über 340 Millionen Euro (über 730.000 Euro je Krankenhaus) verkraften. Diese Mehrbelastungen können von den Krankenhäusern nicht mehr weiter aufgefangen werden und verstärken die seit Jahren bestehende chronische Unterfinanzierung weiter. Schon jetzt haben Krankenhäuser in NRW Insolvenzantrag gestellt. Durch die bereits bestehenden Finanzierungslücken aufgrund der fortgeschriebenen Budgetierung der Krankenhauseinnahmen werden weitere Krankenhäuser in den wirtschaftlichen Ruin getrieben.

Weitere finanzielle Mehrbelastungen

Zusätzlich werden die Krankenhäuser auch durch das Gesundheitsmoderniserungsgesetz (GMG) massiv finanziell belastet.

· Anschubfinanzierung der Integrierten Versorgung

So sieht das GMG eine Kürzung der Klinikbudgets als Anschubfinanzierung integrierter Versorgungsformen von bis zu einemProzent vor. Mit den Regelungen zu den integrierten Versorgungsformen (§ 140 SGB V) hat der Gesetzgeber die Möglichkeit zum Abschluss von Einzelverträgen für eine sektorenübergreifende Versorgung eingeführt und auf diese beschränkt.

Weitere Mehrbelastungen ergeben sich für die Krankenhäuser durch

· das Arbeitszeitgesetz

Das zweijährige Übergangsregelung zum neuen Arbeitszeitgesetz ist für die Krankenhäuser ein Lichtblick. Und es wird deutlich, dass die Politik in diesem Fall glücklicherweise den Argumenten der Fachleute gefolgt ist. Die gefundene Übergangslösung verhindert zunächst einmal das drohende Chaos. Dies ist jedoch nur eine Atempause und ändert nichts an der chronischen Unterfinanzierung der Personalkosten im Krankenhaus. Alle Krankenhäuser sind aufgerufen, weiter an der Entwicklung und Umsetzung neuer Arbeitszeitmodelle mitzuwirken. Es ist aber ein Trugschluss zu glauben, das neue Arbeitszeitgesetz sei kostenneutral und ohne zusätzliches Personal zu realisieren.

· die Zusatzversorgung

Durch die Reform der Zusatzversorgung der Mitarbeiter sind in den beiden letzten Jahren zum Teil erhebliche Mehrbelastungen auf die Arbeitgeber zugekommen. Auf jeden Fall müssen die Krankenhäuser vielfach auch im nächsten Jahr mit einer außerordentlich hohen Belastung durch die Zusatzversor-gung rechnen. So liegt der Beitrag zu den unterschiedlichen Zusatzversorgungskassen zwischen 4 Prozent und fast 10 Porzent. Aufgrund der Vielfalt an Zusatzversorgungskassen kann Ermittlung der Beitragshöhe für die Zusatzversorgung der Mitarbeiter daher nur krankenhausindividuell erfolgen.

· Rückgang der KHG-Fördermittel:

Mit den für Krankenhausinvestitionen für das Jahr 2003 bereitgestellten finanziellen Mitteln, die voraussichtlich für 2004 und 2005 um ein Prozent erhöht werden sollen, trägt die Landesregierung dem bestehenden Investitions- und Modernisierungsbedarf der nordrhein-westfälischen Krankenhäuser Rechnung. Das Investitionsprogramm für das Jahr 2003 hatte ein Volumen in Höhe von 729,4 Mio. Euro. Nach ersten Zahlen des Finanzministeriums sollen für die Jahre 2004 und 2005 (Doppelhaushalt) jeweils 734,8 Mio. Euro an Investitionsmittel bereitgestellt werden.

Zwar hat die die Landesregierung trotz der angespann-ten Haushaltslage beim Investitionsprogramm 2003 für die nordrhein-westfälischen Krankenhäuser von Kürzun-gen bei den investiven Fördermitteln abgesehen. Angesichts der förderfähigen Anmeldungen zum Investitionsprogramm 2003 wird allerdings sehr deut-lich, dass das bisher zur Verfügung gestellte Investitionsvo-lumen für die Krankenhäuser in NRW viel zu niedrig ist und von den angemeldeten Maßnahmen immer noch nur rund 16 Prozent zum Zuge kommen. Dieser Trend wird sich nach ersten Berechnungen auch im Jahr 2004 fortsetzen. Aktuelle Studien (z.B. Studie des Bankhauses M. Warburg/Hamburg und der Landesbank Sachsen) belegen, dass bundesweit durch den permanenten Rückgang der öffentlichen Förderung der Investitionsstau auf 50 Mrd. Euro angewachsen ist. Für NRW ist ein Fehlbetrag von rund 12 Mrd. Euro entstanden. Damit fehlen den Kranken-häusern wichtige finanzielle Mittel, die u.a. zu einer Senkung der Betriebskosten bei-tragen könnten.

· die DRG-Einführung:

Schon im Vorlauf auf die gesetzlich verpflichtende Einführung des neuen Fallpauschalensystems (DRG-System/ DRG = Diagnosis-Related-Groups) sind auf das Krankenhauswesen hohe Kosten, u.a. für die Beschaffung neuer Software, Einstellung von zusätzlichen Medizincontrollern, für die Weiterbildung des bereits vorhandenen Personals, etc. bzgl. der Umstellung auf das DRG-System angefallen. Durch die Umstellungsverpflichtung auf das DRG-System aller Krankenhäuser für das Jahr 2004 ist erneut mit Belastungen zu rechnen.