21. Februar 2001

Versorgungsbedarf der Bevölkerung statt tradierte Bettenbedarfsformeln berücksichtigen

Stellungnahme der KGNW zur Zukunft der Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen

Hamm, 21. Februar 2001 – Die künftige Krankenhausplanung darf nicht nur von finanzwirtschaftlichen Interessen geleitet sein, sondern muss den realen Bedarfsmaßstäben einer qualifizierten und wohnortnahen Krankenhausversorgung Rechnung tragen. Dieser Maxime müssen sich alle Vorschläge und Überlegungen für die künftige Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen unterstellen. Dies ist die Kernaussage der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) auf der heutigen Pressekonferenz anlässlich ihrer zentralen Informations- und Diskussionsveranstaltung in Hamm mit Teilnehmer/innen aus den nordrhein-westfälischen Krankenhäusern zum Thema "Zukunft der Krankenhausversorgung in Nordrhein-Westfalen".

Das soeben veröffentlichte Gutachten der Krankenkassenverbände in Westfalen-Lippe zur "Neustrukturierung der Krankenhausversorgung in Westfalen-Lippe", welches die Schließung von 38 Krankenhäusern, 70 Fachabteilungen und den Abbau von weiteren 574 Betten in bestehenden Abteilungen allein in Westfalen-Lippe fordert und damit einen Kahlschlag in der Krankenhausversorgung dieses Landesteils hinterlassen würde, ziele ausschließlich auf eine simple Ausgabenersparnis für die Krankenkassen, so die KGNW. Dies könne nicht im Sinne der Patientinnen und Patienten sein, die eine angemessene Versorgung auch der Bedarfsspitzen – beispielsweise bei den Grippewellen in den Wintermonaten – sichergestellt wissen möchten. Gerade für ältere Menschen sei wegen ihrer eingeschränkten Mobilität bei gleichzeitig vermehrter Krankheitsbelastung eine wohnortnahe Versorgung mit Krankenhäusern wichtig.
Da die Zielvorgabe des Kassengutachtens – Ausgabenersparnis durch Schließung von Krankenhäusern und Abteilungen – bereits bei der Auftragsvergabe vorformuliert worden sei und das Gutachten diese Vorgabe schließlich mit nicht mehr zeitgemäßen Bettenbedarfsformeln zu belegen versuche, hätten sich die Krankenhäuser nicht in der Lage gesehen, daran mitzuwirken. Dr. Rudolf Kösters, Präsident der KGNW: "Wir wären diesen Weg gerne zusammen mit den Krankenkassen gegangen, dann aber auch von Beginn an. Man kann allerdings nicht von uns erwarten, dass wir uns an einem Gutachten beteiligen, bei dessen Auftragsvergabe wir kein Wort mitreden durften und dessen Ansatz wir grundlegend ablehnen." Im Übrigen habe der Leiter des von den Kassen beauftragten Instituts unmissverständlich deutlich gemacht, dass eine Beteiligung der Krankenhäusern an den Ergebnissen seines Gutachtens letztlich nichts geändert hätte.

Um tatsächlich zukunftsfähige, konzeptionelle Grundlagen für die Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen zu liefern, hat sich die KGNW gemeinsam mit den beiden nordrhein-westfälischen Ärztekammern entschlossen, eine zukunftsorientierte Praxisstudie in Auftrag zu geben, welche die Krankenhausversorgung in ganz Nordrhein-Westfalen untersucht und die Krankheitsbelastung der Bevölkerung in den Mittelpunkt ihrer Analyse stellt. Dieses am 17. Januar 2001 der Landesgesundheitsministerin übergebene Gutachten der renommierten Institute BASYS (Augsburg) und I + G Gesundheitsforschung (München) kommt zu dem Ergebnis, dass die derzeitige Krankenhauskapazität in Nordrhein-Westfalen aufgrund einer im Vergleich zu anderen Bundesländern nachweisbar erhöhten Krankheitsbelastung der Bevölkerung sowie vergleichsweise geringeren Angebotskapazitäten in der Vor- und Nachsorge gegenwärtig angemessen ist. Zudem erfolgt die Krankenhausversorgung wegen der geringeren Personalausstattung in Nordrhein-Westfalen zu geringeren Kosten pro Einwohner als im Bundesdurchschnitt. Dies müssen sich die Krankenkassenverbände in Westfalen-Lippe sogar durch ihr eigenes Gutachten bestätigen lassen, wonach "die Kosten der Krankenhausversorgung in Westfalen-Lippe im Vergleich mit Nordrhein-Westfalen und Deutschland unauffällig sind".

Für die künftige Entwicklung in der nordrhein-westfälischen Krankenhausversorgung prognostizieren die Gutachter der Praxisstudie erhebliche Veränderungen. So wird es mittelfristig und erst recht langfristig zu erheblichen Verschiebungen im Bedarf kommen. Bei entsprechenden Ausbau der ambulanten und teilstationären Behandlungsmöglichkeiten an den Krankenhäusern könne durchaus auch ein deutlicher Abbau der stationären Kapazitäten eintreten. Dr. Rudolf Kösters: "Die KGNW läuft vor den künftigen Herausforderungen nicht weg. Wer den Mut hat, wie wir ein Gutachten ohne Vorbedingungen in Auftrag zu geben, der muss auch den Mut haben, zu den Resultaten zu stehen."

Die Behauptung von Vertretern der Krankenkassenverbände in Westfalen-Lippe, beide Gutachten kämen hinsichtlich der Zahlen eines künftigen Bettenabbaus zu ähnlichen Ergebnissen, weist die KGNW allerdings als völlig haltlos zurück. Reinhard Stadali, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der KGNW: "Der punktuelle Kahlschlag zur summarischen Bettenreduzierung in Westfalen-Lippe hat nichts zu tun mit einer bedarfsorientierten Umstrukturierung für Nordrhein-Westfalen und damit verringerter Zahl an stationären Betten, die sich aber mit Sicherheit anders verteilt als durch das bloße Herausbrechen konkreter gegenwärtiger Angebote."

Scharf kritisierte die KGNW das Vorgehen der Kassen, der Öffentlichkeit eine "Schließungsliste" zu präsentieren, ohne die Krankenhäuser vorher zu informieren. Die Nachricht über die Schließung von Häusern und Abteilungen habe die Krankenhausleitungen völlig unvorbereitet getroffen und bereits jetzt großen Schaden angerichtet. Die Bevölkerung, Patienten/innen wie Mitarbeiter/innen der Krankenhäuser seien erheblich verunsichert. Verschiedentlich sei es spontan zu Protestveranstaltungen gekommen.

Auch beim nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium wie bei den Landtagsfraktionen haben das Vorgehen und die Forderungen der Krankenkassen nachhaltig Kritik ausgelöst.

Nach Ansicht der KGNW dürfte die Landesregierung keine Schwierigkeiten haben, sich mit den offenen Aussagen der Praxisstudie von KGNW und Ärztekammern unbelastet auseinander zu setzen und diese Erkenntnisse zu einer wesentlichen Grundlage ihrer Versorgungsplanung zu machen.

Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V. (KGNW) ist der Zusammenschluss der Krankenhausträger und ihrer Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Düsseldorf. Die Aufgabe der KGNW ist es, auf "eine der Würde des Menschen verpflichtete, humane, bedarfsgerechte, leistungsfähige, wirtschaftliche und finanziell abgesicherte Versorgung durch eigenverantwortlich tätige Krankenhäuser mit pluraler Trägerstruktur hinzuwirken". Sie vertritt die Interessen ihrer Mitgliedskrankenhäuser und nimmt die ihr gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben im Rahmen der Selbstverwaltung wahr. In den etwa 470 nordrhein-westfälischen Krankenhäuser werden jährlich mehr als 3,7 Millionen Patienten behandelt. Mit rund 250 000 Beschäftigten sind die Krankenhäuser einer der bedeutendsten Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen.