02. November 2010

Schmerzmedizin bei Demenz

Schmerz ist das meist vernachlässigte Symptom bei Demenz

"Brauchen Menschen mit Demenz eigentlich Palliativmedizin?" Diese Frage stellte Dr. Klaus Maria Perrar, Oberarzt des Zentrums für Palliativmedizin in Köln, den ca. 80 interessierten Zuhörern, Fachkräfte unterschiedlicher Disziplinen, im St. Marien-Krankenhaus Siegen. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Ganzheitliche Begleitung am Lebensende", zu der seit Jahresbeginn die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der katholischen Einrichtungen im Dekanat Siegen fortgebildet werden, referierte Dr. Perrar zum Thema Palliativmedizin und Demenz.

Nicht die Demenz an sich benötige eine palliativmedizinische Behandlung, aber die damit verbundenen leidvollen Symptome müssten erkannt und behandelt werden, forderte der Palliativmediziner und Gerontopsychiater. Anhand von eindrücklichen Zahlen zeigte Dr. Perrar, dass die Schmerzbehandlung von Menschen mit Demenz immer noch völlig unzureichend sei. Einer Studie nach erhielten Patienten nach einer Oberschenkelhalsfraktur ohne Demenz dreimal mehr Schmerzmittel als die Patienten mit Demenz. Als Todesursachen würden Tumorerkrankungen bei Menschen mit Demenz deutlich weniger diagnostiziert als in der Bevölkerung ohne Demenz. "Schützt also Demenz vor Krebs oder müssen wir genauer hinschauen?", fragte Perrar.

Grundsätzlich sollte bei Verhaltensänderungen von Menschen mit Demenz auch an ein Schmerzerleben gedacht werden. Hier sind spezielle Erhebungsbögen hilfreich, da die Betroffenen selbst mit fortschreitender Demenz immer weniger in der Lage sind, über ihre Schmerzen Auskunft zu geben. Insbesondere seien hier die Pflegekräfte in Alten- und Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern aber auch im ambulanten Bereich aufgefordert, die vorhandenen Instrumente zur Schmerzerkennung anzuwenden und den Hausarzt über ihre Beobachtungen zu informieren. "Es gibt auch keinen Grund, Menschen mit Demenz Opioide bei entsprechender vorzuenthalten. Sind Schmerzen vorhanden, so sollten Schmerzmedikamente zwar nach einem festen Schema gegeben werden; jedoch auch kurz vor einer Pflege-Handlung, die möglicherweise mit Schmerzen einher geht. Dies hilft, Schmerzen besser vorzubeugen", forderte Perrar.

Ebenfalls bewertete er die Ernährung über eine Sonde bei weit fortgeschrittener Demenz aufgrund der aktuellen Forschungslage kritisch. So sei es bislang nicht nachgewiesen, dass in den schweren Krankheitsfällen durch die künstliche Ernährung Vorteile bezogen auf die Lebenserwartung, eine Mangelernährung, die Entstehung von Druckgeschwüren oder Lungenentzündungen durch Verschlucken sowie auf die Besserung der Lebensqualität zu erwarten seien. Wichtig sei jedoch, dass eine angemessene palliative Betreuung wie z.B. Schmerzbehandlung, angemessene Lagerung und palliative Mundpflege durchgeführt werden. Kommunikation über Körperkontakt, beruhigende Einreibungen und Musik könnten Sicherheit und Geborgenheit vermitteln und seien ebenfalls wichtiger Bestandteil einer palliativen Betreuung am Lebensende.