21. September 2012

Reise in den Sonnenuntergang des Lebens

Vortrag zum Welt-Alzheimer-Tag

„Wenn Sie sich vor 30 Jahren auf einen Marktplatz gestellt und Passanten gefragt hätten: ‚Was ist Demenz?‘ wären die Antworten sicherlich spärlich gewesen“, leitete Diplom-Pädagogin Tabea Katharina Stoffers vor zahlreichen Zuhörern in Haus Mutter Teresa, einer zum St. Marien-Krankenhaus Siegen gehörenden Wohn- und Pflegeeinrichtung, ihren Vortrag anlässlich des Welt-Alzheimer-Tages ein. In den letzten Jahren habe vor allem die Alzheimer-Demenz als die verbreitetste Form die Nische des Expertendiskurses verlassen und sei in das Rampenlicht des öffentlichen Interesses getreten.

In Deutschland lebten gegenwärtig mehr als 1,4 Mio. demenziell Erkrankte und zum jetzigen Zeitpunkt gehe man davon aus, dass sich diese Zahl bis zum Jahr 2050 wohl auf 2,6 Mio. erhöhen dürfte – die Rede sei hier von Betroffenen in fortgeschrittenem Stadium. Über die Häufigkeit leichterer Erkrankungsformen gebe es keine gesicherten Erkenntnisse. Jährlich erkrankten 300.000 Menschen neu an Demenz, das entspräche 820 Neuerkrankungen pro Tag.

Die Referentin erläuterte, was vor allem auf Angehörige zukommen wird, wenn Familienmitglieder dement werden. Es sei ein schleichender Prozess und für Familienangehörige „ganz schwer, das mitzuerleben“. Weil sich der Demenzkranke verändere, ein anderer Mensch werde. „Sicherlich werden Außenstehende die Welt eines Demenzkranken niemals richtig verstehen; dennoch können einige ‚seltsam anmutende‘ Verhaltensweisen demenziell erkrankter Menschen verstehbar gemacht werden“, beschrieb sie. Die Krankheit sei aber auch für die Betroffenen selbst schwer zu akzeptieren: „Es gibt verschiedene Strategien, wie demenziell Erkrankte mit der Diagnose umgehen. Viele verneinen die Diagnose, versuchen die Symptome zu ignorieren, zu überspielen, sich Ausreden einfallen zu lassen“, so Tabea Katharina Stoffers.

Die Grundhaltung bei einem verstehenden Umgang mit Demenzkranken sei geprägt von Empathie, Wertschätzung und Kongruenz; zudem gelte es, das Subjektsein des Klienten zu respektieren, d.h. in ihm nicht nur ein Objekt zu sehen, und die ganze Person nach Leib, Seele und Geist in ihrer einzigartigen Subjektivität mit ihrer singulären Biographie zu akzeptieren und wertzuschätzen. Hilfreiche Prinzipien bei der Umsetzung dieser Grundhaltung sind Ressourcen-, Bedürfnis- und Biographieorientierung.

Die Diplom-Pädagogin zitierte den ehemaligen amerikanische Präsidenten Ronald Reagan, als der von seiner eigenen Demenzerkrankung - noch im Anfangsstadium - erfahren habe. „Ich beginne jetzt die Reise, die mich in den Sonnenuntergang meines Lebens führen wird“, konstatierte Reagan seinerzeit. Prägnanter, so Tabea Katharina Stoffers, könne man eine Demenzerkrankung nicht beschreiben.