30. August 2012

Modernes Lernen: Wenn’s schmerzt, schreit die Puppe

Neues Übungsmodell schult die Sozialkompetenz in der Krankenpflegeausbildung

Sie hustet, stöhnt bei Unwohlsein, schreit bei Schmerz. Der Magen knurrt, der Brustkorb hebt und senkt sich, die Verletzung blutet – alles wie bei einem echten Menschen und doch ist es nur eine Puppe aus Gummi und Computertechnik. Um Schüler/innen besser für den pflegerischen Alltag zu rüsten und die Patientensicherheit zu erhöhen, hat die Krankenpflegeschule am Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum für rund 15.000 Euro ein neues Übungsmodell angeschafft, an dem nicht das Erlernen des reinen Fach- und Methodenwissens wie bei üblichen Trainingspuppen im Vordergrund steht, sondern das Training der sozialen Kompetenz und damit das adäquate, der jeweiligen Situation entsprechende Verhalten gegenüber einem agierenden Patienten.

Bislang kamen in der Krankenpflegeschule zwei Erwachsenenmodelle und zwei Säuglingspuppen zum Einsatz. Während die Schüler durch die naturgetreue Nachbildung eines Neugeborenen von Größe, Gewicht und Gestik das Wickeln und das Anlegen eines Babys bei einer stillenden Mutter einüben können, dienen die Erwachsenenmodelle dem Erlernen von Pflegehandlungen. Dazu gehören das Legen eines Katheters in die Harnblase und von Schläuchen in den Magen sowie der Verbandswechsel bei Luftröhrenschnitten oder künstlichen Darmausgängen. Lernschwerpunkt ist hierbei die Vermittlung der reinen Technik.

Die neue Übungspuppe hingegen ist für das vertiefende Lernen vorgesehen und fördert die Ausbildung von Schlüsselqualifikationen wie Empathievermögen, Eigeninitiative, Kommunikationsfähigkeit, abstraktes und vernetztes Denken sowie Flexibilität. Sie lässt somit nicht alles reglos mit sich machen wie ihre Vorgänger, sondern ist mit Hilfe eines Computers programmierbar und kann beispielsweise während der Körperpflege zusätzliche Kenntnisse verlangen. Wie reagiere ich richtig, wenn meinem Patienten beim Waschen der Beine übel wird, er plötzlich würgt oder Luftnot bekommt? Wird nun richtig gehandelt, verbessern sich die Symptome, wird falsch gehandelt, verschlechtern sie sich. So können die Auszubildenden schon vor ihrem Einsatz am echten Patienten lernen, situationsbedingt zu handeln und gewinnen dadurch Sicherheit für ihre berufliche Praxis.

Beim Einsatz des neuen Trainingsmodells geht es damit nicht mehr nur um das technische Vorgehen wie bei einem Verbandswechsel, sondern darum, was man tut, wenn sich die Situation während der Handlung verändert: wenn die Wunde plötzlich blutet, die Atemgeräusche auf einen Kreislaufkollaps hinweisen oder der Patient vor Schmerz schreit. Zudem können die Auszubildenden an der Puppe das Setzen von Injektionen üben, Lungen- und Herzgeräusche abhören, den Blutdruck messen, Blut abnehmen sowie den Umgang mit sämtlichen Bauchwunden (offener Bauch, geklammerte oder genähte OP-Wunde mit Lasche zum Ablauf des Wundsekretes) oder Beinverletzungen (diabetischer Fuß, Krampfadern, amputierter Unterschenkel, Oberschenkel mit Durchschuss) einstudieren.

Der Einsatz solcher programmierbaren Modelle ist an Krankenpflegeschulen noch selten. „Mit der Anschaffung werden wir den veränderten Berufsanforderungen gerecht und nehmen damit auch eine Vorreiterrolle in der Ausbildung ein“, sagt Thomas Drossel, Leiter der Krankenpflegeschule am Knappschaftskrankenhaus. Derzeit arbeitet er mit seinem Team daran, den Lehrplan entsprechend anzupassen. Im ersten Ausbildungsjahr soll fortan die Pulsmessung an der Puppe geübt werden, im zweiten Ausbildungsjahr das Legen eines Blasenkatheters (wenn z.B. die Pflegekraft steril angezogenen ist und der Patient plötzlich Kreislaufprobleme entwickelt) und im dritten Ausbildungsjahr die Pflege von tracheotomierten (mit Luftröhrenschnitt) Patienten. Gerade hier können schnell lebensbedrohliche Komplikationen auftreten, wenn nicht sicher gehandelt wird.

Informationen zur Krankenpflegeschule
Die staatlich anerkannte Krankenpflegeschule des Universitätsklinikums Knappschaftskrankenhaus Bochum verfügt über 100 Ausbildungsplätze und bildet ihre Schüler/innen nach einem schuleigenen Curriculum umfassend, sach- und fachgerecht aus. Ausbildungsbeginn ist immer am 1. Oktober und zusätzlich alle drei Jahre zum 1. August. Weitere Infos gibt es per E-Mail unter krankenpflegeschule@kk-bochum.de oder telefonisch unter der Nummer 0234 / 299-4100.

Auf den Bildern zu sehen sind (v.l.):
Bild 1: Julius Schneppendahl, Margarete Klimek (Lehrerin), Anna Arnold
Bild 2: Anna Arnold, Laura Diße, Margarete Klimek (Lehrerin), Dagmar Hagenbrock (Praxisanleiterin), Julius Schneppendahl
Bild 3: Yonathan Ghebretensae, Anna Arnold, Laura Diße, Margarete Klimek (Lehrerin), Dagmar Hagenbrock (Praxisanleiterin)