14. Dezember 2015

Mein Wille Geschehe

Der Ärztlich assistierte Suizid

Begleitet von persönlichen Erlebnissen und Einschätzungen der Abgeordneten hat jüngst der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das Sterbebegleitung und Sterbehilfe aus dem „rechtsfreien Raum“ zu führen sucht. Obgleich in Zeiten großen Umwälzungen verabschiedet, handelt es sich hierbei um das vermutlich anspruchsvollste Gesetzgebungsprojekt der laufenden Legislaturperiode. Partei- und soziale Grenzen lösten sich bei diesem Thema auf. Fragen werden zu Fragen des Gewissens: Hat der Mensch das Recht, sich selbst töten zu lassen? Darf ihm geholfen werden? Eine öffentliche Podiumsdiskussion anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Ethikkomitees im St. Marien-Krankenhaus Siegen versuchte, gemeinsam mit Experten Antworten zu finden und die neue rechtliche Grundlage zu bewerten. Die Diskussion, zu der über 100 Zuhörer kamen, fand Anfang Dezember im Ambulanten Zentrum Albertus Magnus in Siegen statt.

Unterschieden wird zwischen der aktiven, der passiven und der indirekten Sterbehilfe. Die aktive Sterbehilfe ist in Deutschland als Tötung auf Verlangen strafbar, passive und indirekte Sterbehilfe jedoch nicht. Bei der passiven Sterbehilfe werden lebensverlängernde medizinische Maßnahmen entsprechend dem Patientenwillen nicht eingeleitet, nicht fortgesetzt oder abgebrochen. Bei der indirekten Sterbehilfe bekommt der Patient zur Schmerzlinderung medizinisch gebotene Mittel, die als unvermeidbare Folge eine lebensverkürzende Wirkung haben. Auch eine Beihilfe zur Selbsttötung ist nicht strafbar. Mediziner betonen jedoch, dass Ärzten in Deutschland die Beihilfe zum Suizid nach dem Berufsrecht verboten sei. So verpflichtet das Berufsethos den Arzt, Hilfe zum Leben zu leisten, nicht Hilfe zum Sterben. Verstößt ein Arzt gegen das Berufsrecht, kann er seine Zulassung verlieren. Auch die Kirchen haben Position bezogen: Sie sprechen sich gegen alle Formen der aktiven Sterbehilfe und der Beihilfe zur Selbsttötung aus. Hilfen beim Sterben durch die passive Sterbehilfe hingegen sind für sie ethisch vertretbar.

„Viele sehen in der Sterbehilfe den Respekt vor der Selbstbestimmung des Menschen – ein Menschenrecht. Sie fordern die Erlösung vom Leiden durch Krankheit und Behinderung. Die anderen sprechen von einer Lizenz zum Töten. Sie warnen vor dem Missbrauchsrisiko und der Anmaßung, über den Wert eines Lebens zu entscheiden“, fasste Hubert Berschauer, Vorsitzender des Ethikkomitees die Positionen zusammen. Der Wunsch nach einem immer längeren Leben sei in der Gesellschaft lange Zeit ganz groß geschrieben worden. Doch nun stelle sich angesichts der immer weiter reichenden medizinischen Möglichkeiten die Frage nach Selbstbestimmung, der Durchsetzung des eigenen Willens. Gerade für ein katholisches Krankenhaus sei diese Fragestellung besonders bedeutsam, da die christliche Lehre hier eine Position einnimmt, die nicht von allen geteilt werde, jedoch zweifelsohne gut begründet sei. „Eine möglichst breit angelegte, von wechselseitigem Respekt geprägte Debatte mit unterschiedlichen Akteuren aus Medizin, Religion und Gesellschaft konnte beobachtet werden, was bestimmt als eine Sternstunde des Parlaments gewertet werden kann“, so der Siegener Jurist.

Gemeinsam mit dem Publikum diskutierten Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff, Mitglied des Deutschen Ethikrates, Prof. Dr. Frank Willeke, Chefarzt für Chirurgie, Prof. Dr. Winfried Gassmann, Chefarzt für Onkologie, Pfarrer Tadeusz Senkowski, katholischer Krankenhausseelsorger, Reiner Scholler, niedergelassener Arzt, Barbara Yokota Beuret, Pflegedirektorin, und Hubert Berschauer, Rechtsanwalt und Vorsitzender des Ethikkomitees.

(Bild: Kai Osthoff)