16. September 2011

Ein Tagebuch für Frühgeborene

Kinderkrankenschwester des Vincenz gewinnt Preis mit der Entwicklung eines Frühchentagebuchs

Im Rahmen einer Fachweiterbildung für pädiatrische Intensiv- und Anästhesiepflege musste Yvonne Arlt (26), seit 2007 Kinderkrankenschwester der Kinderintensivstation des St. Vincenz-Krankenhauses, zwischen Juni und November 2010 eine Projektarbeit anfertigen. Ihr Ziel war es, etwas Praktisches zu kreieren, das sowohl für die Station als auch für das Team positiv sein sollte. Daraus entstand die Idee, ein Tagebuch für Frühgeborene zu entwickeln. Dieses sollte den Eltern dabei helfen, die schwierige Situation besser zu verarbeiten, Ängste zu kompensieren, Gefühle und Erlebtes in der Zeit des Kinderklinikaufenthaltes festzuhalten und so später noch einmal nachlesen zu können. Darüber hinaus sollten die Tagebucheinträge den Pflegenden dabei helfen, die Sorgen und Ängste der Eltern zu verstehen und so besser darauf eingehen zu können, denn das Tagebuch wird von beiden Seiten gemeinsam geführt.

Mit der Idee des Frühchentagebuchs hat Yonne Arlt nicht nur Kolleginnen und Eltern überzeugt, sondern auch einen Wettbewerb der Fachzeitschrift Thieme Intensiv gewonnen. Anfang dieser Woche fand die Preisverleihung in Berlin statt, verbunden mit einem Vortrag beim Hauptstadtkongress Anästhesie und Intensivmedizin (HAI). Auch das Universitätsklinikum Münster (UKM) hat Yvonne Arlt eingeladen, um das Konzept des Frühchentagebuchs Anfang Oktober beim Tag der Intensivpflege vorzustellen.

Auf der Kinderintensivstation des Vincenz ist das Frühchentagebuch seit Juli 2010 im Einsatz. Etwa 40 Exemplare wurden seitdem an Eltern ausgegeben, deren Babys vor der 32. Schwangerschaftswoche geboren wurden, die beatmet werden oder aus anderen Gründen längere Zeit in der Kinderklinik verweilen müssen. "Ich war sehr überrascht, wie gut das Tagebuch bei den Eltern aufgenommen wurde", erzählt Yonne Arlt. "Schließlich ist die Gesamtsituation für die Eltern sehr schwierig. Doch es hilft den Eltern, das Tagebuch zu führen."

Pia Schröder (23) und Steffen Hille (30) aus Bad Driburg bestätigen dies sofort. Ihre Tochter Maya kam am 11. März 2011 in der 26. Schwangerschaftswoche zur Welt. 31 cm "groß" und 640 Gramm "schwer" musste sie vier Monate in der St. Vincenz-Kinderklinik bleiben, bevor sie vor zwei Monaten gesund nach Hause entlassen werden konnte. In der Zeit des Krankenhausaufenthaltes haben die Eltern das Frühchentagebuch geführt. "Am Anfang haben wir uns schwer getan, etwas einzutragen", erzählt Pia Schröder. "Was schreibt man? Die ersten Tage im Leben unserer Tochter waren ja sehr kritisch." Den ersten Eintrag haben dann die Kinderkrankenschwestern gemacht, dabei aus Mayas Sicht geschrieben.

Nachdem der Anfang geschafft war, war das Schreiben auch für die Eltern nicht mehr schwer: "Wir haben jedes Detail festgehalten", erzählen sie. "Den Tag, an dem Maya zum ersten Mal die Augen geöffnet hat, jede 10 Gramm, die sie zugenommen hat, die ersten 3 ml, die sie aus der Flasche getrunken hat - wir waren so stolz!" Dabei haben sie nicht nur die guten Tage, sondern auch die schlechten festgehalten, die Texte dabei an ihre Tochter formuliert. "Das Tagebuch hat uns eine Aufgabe gegeben", berichten sie. Schließlich konnten die Eltern anfänglich nichts tun, außer da zu sein und Maya im Inkubator mit den Fingern zu berühren. "Wir hatten große Angst, dass die Bindung zu unserer Tochter deshalb verloren geht." Das Tagebuch hat Pia Schröder und Steffen Hille diese Angst genommen. Gemeinsam mit dem Team der Kinderintensivstation haben sie während der vier Monate in der Kinderklinik zwei Tagebücher mit Fotos und Erinnerungen gefüllt. Auch jetzt schaue sie immer mal wieder hinein, erzählt Pia Schröder. "Auch für Maya ist das Buch später bestimmt eine schöne Erinnerung."