10. Juli 2018

Ehefrau rettet Ehemann das Leben

Erfolgreich durchgeführte Herzdruckmassage verhindert Folgeschäden

Paderborn. Als Edgar Wolff aus Delbrück Ende Mai einen Herzinfarkt erlitt, begann für ihn ein Wettlauf mit der Zeit. Dank der besonnenen Reaktion seiner Ehefrau und einer telefonisch angeleiteten Herzdruckmassage, konnte der 64-Jährige das St. Vincenz-Krankenhaus, welches auf die Versorgung reanimierter Patienten spezialisiert ist, schon wieder verlassen – ohne Folgeschäden.

„Der 23. Mai war mein zweiter Geburtstag“, blickt Edgar Wolff zurück. An jenem Morgen verspürte er Schmerzen in der Brust, ging deshalb auf seine Terrasse, um frische Luft zu schnappen. Glücklicherweise war seine Frau in der Nähe, als er plötzlich nach vorn kippte. „Mein Mann lief im Gesicht blau an und verkrampfte sich. Ich hatte große Angst um ihn und Panik kam in mir hoch“, berichtet Angela Wolff.

Sie tat das einzig Richtige: Sie wählte sofort den Notruf 112. Axel Schewe, diensthabender Disponent in der Leitstelle Büren-Ahden, nahm das Gespräch entgegen und alarmierte umgehend den Rettungsdienst, nachdem bekannt war, dass Herr Wolff bewusstlos war. Anschließend informierte er Frau Wolff, dass der Rettungsdienst zu ihr unterwegs sei. Nach einer kurzen weiteren Abfrage war dem Disponenten klar, dass Herr Wolff einen Atemstillstand erlitt. Ohne Zeit zu verlieren leitete er die Ehefrau an, Wiederbelebungsmaßnahmen durchzuführen und unterstützte sie telefonisch mit Hinweisen zum Rhythmus der Herzdruckmassage.

„Das Wissen über Erste Hilfe, das ich damals in der Fahrschule gelernt hatte, war einfach wieder da“, so die Ehefrau. „Herr Schewe hat mich immer weiter gepusht – bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes. Ich bin ihm so unendlich dankbar!“
Bei einem Herzinfarkt verschließt ein Blutgerinnsel ein Herzkranzgefäß. Dies führt zu einer Mangeldurchblutung des Herzens und ist für Patienten lebensbedrohlich. Edgar Wolff wurde für die weitere Versorgung in das St. Vincenz-Krankenhaus gebracht. Wenige Zeit später konnte Dr. Sebastian Lay, Oberarzt und interventioneller Kardiologe, und sein Notfallteam mittels Herzkatheteruntersuchung das verschlossene Gefäß wieder öffnen und den Kreislauf des Patienten stabilisieren. „Häufig treten nach einem Herzinfarkt Herzrhythmusstörungen auf. Rhythmusexperten wie Dr. Matthias Hammwöhner gewährleisten dann eine bestmögliche Versorgung“, klärt Prof. Dr. Andreas Götte, Chefarzt der Medizinischen Klinik II, auf.
Die Belegschaft der Leitstelle und die des St. Vincenz-Krankenhauses sind sich einig: Das Verhalten der Ehefrau war vorbildlich. Durch den sofortigen Beginn der Reanimation hat der Patient keine Folgeschäden. Allerdings führt ein Großteil der durchgeführten, außerklinischen Wiederbelebungsmaßnahmen nicht zu einer erfolgreichen Wiederherstellung des Kreislaufes. Große Relevanz für das Überleben dieser Patienten hat dann die Expertise des weiterversorgenden Krankenhauses. Für die Versorgung reanimierter Patienten hat sich das St. Vincenz-Krankenhaus optimal gerüstet. „Wir behandeln täglich Patienten mit der Diagnose Herzinfarkt. Neben der Herzkatheteruntersuchung ist die intensivmedizinische Versorgung entscheidend. Diese haben wir in den letzten Jahren erheblich ausgebaut“, berichtet Prof. Götte. Durch ein ärztliches und pflegerisches Drei-Schicht-Modell steht auf der Intensivstation ein eingespieltes Team für die Behandlung der Herzinfarktpatienten bereit. So erfolgen zunächst ein lückenloses und konsequentes Monitoring der Vitalparameter und die Fortführung der Beatmungstherapie. „In vielen Fällen erfolgt danach eine Hypothermiebehandlung. Zum Schutz des Gehirns nach der Reanimation kühlen wir die Körpertemperatur des Patienten herunter“, so Dr. Markus Patscheke, Oberarzt der Intensivmedizin. „Unsere Fachabteilungen verfügen über alle notwendigen modernen Geräte, die bei der Versorgung reanimierter Patienten erforderlich sind.“
Den Kardiologen und Intensivmedizinern steht unter anderem die „kleinste Herzpumpe der Welt“, das sogenannte Impella-System zur Verfügung. Über einen Katheter wird diese kleine Pumpe ins Herz geschoben und unterstützt das Herz solange, bis es sich wieder erholt. „In Ausnahmefällen wird diese koaxiale-Pumpe zusammen mit einer Herz-Lungen-Maschine implantiert, so dass für eine Zwischenphase der natürliche Herzschlag gar nicht gebraucht wird“, so Prof. Götte. Neben hochqualifizierten Intensivmedizinern, Intensivpflegepersonal sind Atem- und Physiotherapeuten und Logopäden an Behandlung als Standard beteiligt. Auch Nephrologen, Neurologen, Radiologen und Allgemein- und Gefäßchirurgen werden im Bedarfsfall kurzfristig hinzugezogen, um schnellst möglichst die richtige Therapie einzuleiten. „Reanimierte Patienten werden über eine Intensivhotline angemeldet. Strukturierte und standardisierte Behandlungsabläufe sorgen bei uns dafür, dass möglichst wenig Zeit in der Rettungskette verloren geht. So erhöhen wir die Überlebenschancen unserer Patienten“, berichtet Dr. Christina Müller, Oberärztin in der Kardiologie, die für die Anwendung von extrakorporalen Herz-Kreislauf-Pumpen am St. Vincenz Krankenhaus verantwortlich ist. „Wiederbelebungsmaßnahmen und Intensivmedizin sind Teamarbeit und wir können sehr stolz sein, dass im aktuellen Fall die Beteiligten zum Wohl des Patienten erneut hervorragend zusammengearbeitet haben“, resümiert der Intensivmediziner Prof. Götte.
Edgar Wolff schätzt sich über den Ausgang seines Herzinfarktes glücklich. „Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas zustoßen könnte. Deshalb möchte ich dazu aufrufen: Setzen Sie sich mit Erster Hilfe auseinander und legen Sie nicht sofort nach Ihrem Notruf auf! Dann können auch Sie ein Lebensretter sein!“
Im Notfall richtig handeln
Ingo Christiansen, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst, erklärt die ersten Anzeichen eines Herzinfarktes: „Ein möglicher Herzinfarkt kündigt sich häufig durch ein Enge- oder Druckgefühl in der Brust an. Möglicherweise breiten sich diese Beschwerden bis in die Bereiche der Arme, des Halses, des Rückens oder des Oberbauches aus. Damit einhergehen können auch Atemnot, Übelkeit, Schweißausbrüche und eine blasse, fahle Gesichtsfarbe. Wer solche Schmerzen verspürt, sollte sofort den Notruf wählen. Nur so kann schnellstmöglich eine qualifizierte Hilfe vor Ort sein und die Person ohne Zeitverlust und unter fortlaufender Überwachung in ein geeignetes Krankenhaus gebracht werden.“ Schon vor Ort können dann bereits erste wichtige diagnostische Maßnahmen und Behandlungsschritte durchgeführt und auftretende Komplikationen während des Transportes rechtzeitig erkannt und behandelt werden.

„Viele Menschen haben die Angst, während einer Wiederbelebungsmaßnahme etwas falsch zu machen. Das Einzige, was man aber falsch machen kann, ist untätig zu sein. Der Leitsatz zum Handeln lautet: Prüfen, Rufen, Drücken. Reagiert eine Person nicht auf Ansprache und weist keine normale Atmung auf, muss umgehend die 112 gewählt und mit der Herzdruckmassage begonnen werden. Diese darf bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes nicht aufhören es sei denn, der Patient erlangt sein Bewusstsein wieder“, appelliert Dr. Felix Brandt, Oberarzt in der Klinik für Anästhesiologie sowie ärztlicher Leiter des Notarztstandortes. Beistehende sollten den Ersthelfer unterstützen, denn nach etwa zwei bis vier Minuten kann der Ersthelfer bereits erschöpft sein. „Wählen Sie die 112, beachten Sie die zwei „W“: Wo und Warten auf Rückfragen! Legen Sie also nicht sofort nach dem Absetzen des Notrufs auf, damit die Disponenten der Leitstelle Erste Hilfe- und Verhaltenshinweise geben können“, so Marc Hammerstein, Leiter der Leitstelle des Kreises Paderborn.
Eine Reanimation durchzuführen zu müssen, trifft Laien regelhaft unvorbereitet. Umso wichtiger ist es, sich mit dem Thema Erste Hilfe vertraut zu machen und Auffrischungskurse zu besuchen. „Die spätere Erkenntnis, in einer Notsituation eventuell nicht richtig gehandelt zu haben, kann für die Beteiligten sehr belastend sein“, weiß Dr. Brandt.

Die Disponenten der Kreisfeuerwehrzentrale sind speziell dafür ausgebildet, Laien in Notsituationen auf verständliche Art und Weise Wiederbelebungsmaßnahmen zu erklären. Seit einigen Jahren wird eine strukturierte Notrufabfrage genutzt. Dabei übernimmt der Disponent die Gesprächsführung. „Pro Woche leiten wir etwa drei Reanimationen telefonisch an. Natürlich gibt es auch andere Fälle, bei denen wir telefonisch Erste Hilfe leisten – beispielsweise bei Bewusstlosigkeit oder starken Blutungen. Erfreulicherweise beenden aber nur wenige Anrufer das Gespräch selbst“, berichtet Hammerstein.

Bildunterzeile von links: Mihai Hasmasan, Assistenzarzt Medizinische Klinik I, Dr. Matthias Hammwöhner, Oberarzt Kardiologie, Edgar Wolff, Angela Wolff, Dr. Christina Müller, Oberärztin Kardiologie, Ludger Fiebig, stellv. Leitung Intensivstation (Foto: St. Vincenz-Krankenhaus/Hoppe)