02. März 2015
Digital Junkies – wenn der Mensch von digitalen Medien beherrscht wird
Medienexperte berichtet über seine Erfahrungen mit internetabhängigen Menschen
Über eine Million Menschen in Deutschland gelten als medienabhängig, das heißt abhängig vor allem von Internet- und Computerspielen. Mit dieser Suchterkrankung gehen Depressionen, soziale Ängste oder Störungen von Aufmerksamkeit und Aktivität einher. Die Betroffenen bedürfen dringend einer Therapie. Behandlungsangebote sind hierzulande allerdings noch rar.
Privatdozent Dr. Bert te Wildt, der seit über zwei Jahren als Oberarzt die Medienambulanz in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des LWL-Universitätsklinikums Bochum im Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) leitet, beobachtet seit vielen Jahren das Phänomen rund um Cybersex, Online-Spielsucht und Social Media und stellt fest, dass es Erwachsene wie Kinder krank machen kann. Nun hat er seine wissenschaftlichen Beobachtungen und Erfahrungen in seiner Praxis als Mediziner in einem Buch zusammengefasst, welches ab heute im Droemer Knaur-Verlag erscheint: „Digital Junkies – Internetabhängigkeit und ihre Folgen für uns und unsere Kinder“.
„Ich sehe in der Internetabhängigkeit mittlerweile eine lebensgefährliche Sucht“, so te Wildt. „Zu meinen Patienten zählen vor allem junge Menschen, die auch noch unter Depressionen leiden und schlimmstenfalls suizidal sind.“ In seine Spezialsprechstunde kommen unter anderem online-spielsüchtige Heranwachsende ab 18 Jahren, die bis zu 16 Stunden am Tag ununterbrochen spielen. Sie vernachlässigen ihre Körperpflege, Ernährung und Gesundheit, haben soziale Probleme im persönlichen Umfeld und sind nicht mehr in der Lage, Leistungen in Schule, Ausbildung und Beruf zu erbringen. Dazu gehören auch Menschen, die sich in die Cybersex- und Social Media-Welten flüchten und dort zusehends vereinsamen. Zum Angebot der Medienambulanz gehört neben einer ausführlichen Untersuchung und Diagnosestellung die Beratung von Probanden und Angehörigen über verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, gegebenenfalls auch eine Weitervermittlung an andere Facheinrichtungen.
Medienabhängigkeit ist noch nicht abschließend offiziell als Krankheit anerkannt, obwohl die Fälle seit Jahren zunehmen. Mit seinem Buch möchte Bert te Wildt das Thema einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen und sich an diejenigen wenden, die wissen möchten, wie sich eine Internetab¬hängigkeit erkennen und behandeln lässt. Er stellt pädagogische und politische Prä¬ventionsmaßnahmen vor, mit deren Hilfe Erwachsene wie Kinder vor Internetabhängig¬keit geschützt werden können. „Es geht mir aber nicht darum, das Internet einseitig zu verurteilen, sondern die digitale Revolution kritisch zu begleiten“, möchte te Wildt klargestellt wissen.
Er ist Mitbegründer und Vorsitzender des 2008 gegründeten Fachverbands Medienabhängigkeit. In ihm sind rund 120 Forscher und Praktiker aus dem europäischen deutschsprachigen Raum zusammengeschlossen.
Weitere Informationen zur Medienambulanz sind im Internet unter www.lwl-uk-bochum.de/klinik-fuer-psychosomatische-medizin-und-psychotherapie oder www.fv-medienabhaengigkeit.de) abrufbar.
Kontakt zur Medienambulanz: Tel. 0234 5077-3333 und E-Mail anja.volke@wkp-lwl.org
Öffnungszeiten: montags – freitags, 8.00 Uhr – 16.00 Uhr (Termine nach telefonischer Vereinba-rung)
Bildzeile 1:
LWL-Medienexperte Dr. Bert te Wildt sieht in der Internetabhängigkeit eine lebensgefährliche Sucht und hat hierüber ein Buch geschrieben. (Bildquelle: LWL)
Bildzeile 2:
Mit seinem Mitarbeiter Toni Andreas Steinbüchel (re.) bietet Dr. Bert te Wildt in seiner Medienambulanz eine ambulante Gruppentherapie für internetabhängige Menschen an. (Bildquelle: LWL)