20. September 2016

DGPPN-Wanderausstellung über Nazi-Gräuel in der Sparkasse Bochum

Initiative von Kliniken und sozialen Einrichtungen erinnert an Verbrechen an psychisch Kranken

„erfasst, verfolgt, vernichtet. Kranke und behinderte Menschen im Nationalsozialismus“ – so lautet der Titel der Wanderausstellung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), die seit mehr als zwei Jahren im In- und Ausland unterwegs ist. Heute (20.9.) wird die Ausstellung in einem feierlichen Akt in der Pauluskirche eröffnet und dann in der Hauptstelle der Sparkasse Bochum einen Monat lang zu sehen sein.

Seit der Premiere 2014 im Deutschen Bundestag war die Ausstellung unter anderem in Düsseldorf, Köln, Dresden, München und Hamburg, aber auch im fernen Ausland wie zum Beispiel in Wien, London, Osaka und Toronto zu sehen. Weitere Stationen sind in Kapstadt, Rom, Warschau und Sao Paulo geplant. Dem LWL-Universitätsklinikum Bochum für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatische Medizin und Präventivmedizin ist es gemeinsam mit dem Martin-Luther-Krankenhaus Wattenscheid, der Diakonie Ruhr Wohnen gGmbH, der Kommunalen Inklusionskonferenz der Stadt Bochum sowie dem Gemeindepsychiatrischen Verbund Bochum gelungen, die Ausstellung nach Bochum zu holen.

„Wir freuen uns, dass die Sparkasse Bochum sich bereit erklärt hat, sich als Ausstellungsort zur Verfügung zu stellen“, dankt Prof. Dr. Georg Juckel, Ärztlicher Direktor des LWL-Universitätsklinikums Bochum. „Auf diesem Weg bietet sich allen Interessierten die Gelegenheit, den Blick auf dieses traurige Kapitel in der deutschen Geschichte, das auch in unserer Region stattgefunden hat, zu richten.“

Eröffnen werden die Ausstellung neben Prof. Dr. Georg Juckel und Thomas Eiskirch, Oberbürgermeister der Stadt Bochum und örtlicher Schirmherr, Andreas Wilming, stellvertretendes Vorstandsmitglied der Sparkasse Bochum, und Prof. Dr. Dr. Frank Schneider, früherer Präsident der DGPPN.

Zur Ausstellung in Bochum (Details siehe Ausstellungsbroschüre):
Die Ausstellung thematisiert die Tötung psychisch kranker Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus. Auf Tafeln und Medienstationen können Besucherinnen und Besucher sich ein Bild über die Verbrechen an psychisch kranken Menschen während der NS-Zeit machen. Bis zum 21. Oktober können Interessierte zu den Öffnungszeiten der Sparkasse (Montag bis Mittwoch 9 Uhr – 16 Uhr, Donnerstag 9 Uhr – 18.30 Uhr, Freitag 9 Uhr – 16 Uhr) die Ausstellung besuchen. Zusätzlich wird sie in den darauffolgenden Wochen von verschiedenen öffentlichen Vortragsveranstaltungen in der Pauluskirche begleitet:
27.9., 18 Uhr: Die Geschichte der Euthanasie im Nationalsozialismus und die Bedeutung für heute
25.10., 18 Uhr: Stigmatisierung psychisch kranker Menschen heute
8.11., 18 Uhr: Von der „behindertenbefreiten Zone“ zum Leben mitten unter uns – Zur Geschichte der psychiatrisch-psychosozialen Versorgung im Bochum der letzten 50 Jahre
15.11., 18 Uhr: NS-Euthanasie und die aktuelle Kontroverse zur ärztlich unterstützten Patientenselbsttötung in Deutschland. Historische und ethische Perspektiven

Zum Hintergrund der Ausstellung:
Bis zu 400.000 Menschen wurden zwischen 1933 und 1945 zwangssterilisiert, mehr als 200.000 wurden ermordet. Bei der Selektion der Patienten wurde der vermeintliche „Wert“ des Menschen zum leitenden Gesichtspunkt. Ärzte, Pflegende und Funktionäre urteilten nach Maßgabe von „Heilbarkeit“, „Bildungsfähigkeit“ oder „Arbeitsfähigkeit“ über die ihnen Anvertrauten. Dabei fand die Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung auffälliger, störender und kranker Menschen auch innerhalb des damaligen Anstalts- und Krankenhauswesens statt.
Die Wanderausstellung richtet sich gezielt an ein breites Publikum: Sie nimmt die Frage nach dem Wert des Lebens als Leitlinie und beschäftigt sich mit den gedanklichen und institutionellen Voraussetzungen der Morde, sie fasst das Geschehen von Ausgrenzung und Zwangssterilisationen bis hin zur Massenvernichtung zusammen, beschäftigt sich mit exemplarischen Opfern, Tätern, Tatbeteiligten und Opponenten und fragt schließlich nach der Auseinandersetzung mit dem Geschehen von 1945 bis heute. Exemplarische Biografien ziehen sich durch die gesamte Ausstellung: In den Akten der Opfer werden die vielen verschiedenen Akteure fassbar, die an den Verbrechen beteiligt waren. Ihren Beurteilungen von Patienten werden deren eigene Äußerungen gegenübergestellt.
Den Schlusspunkt der Ausstellung bilden zahlreiche Stimmen, die das damalige Geschehen von heute aus reflektieren und sich aus unterschiedlichen Perspektiven der Frage stellen, welche Bedeutung es für sie persönlich hat: Ärzte, Politiker, Vertreter von Selbsthilfeverbänden, Angehörige von Opfern, Pflegepersonal, Vertreter der Gesundheitsverwaltung und andere.
(Quelle: www.dgppn.de)

Bildzeile:
Verantwortlich für die DGPPN-Ausstellung (v.l.): Eckhard Sundermann, Vorsitzender der Kommunalen Inklusionskonferenz der Stadt Bochum, Prof. Dr. Georg Juckel, Ärztlicher Direktor des LWL-Universitätsklinikums Bochum, Margit Salzmann, Sparkasse Bochum, Marita John, Geschäftsführerin der Diakonie Ruhr Wohnen gGmbH, Dr. Jörg Kalthoff, Gemeindepsychiatrischer Verbund Bochum, sowie. Dr. Jürgen Höffler, Chefarzt am Martin-Luther-Krankenhaus. (Bildquelle: LWL)