07. Oktober 2010
Den Armen ein neues Gesicht schenken
Bochumer Anästhesist hilft entstellten Menschen in Entwicklungsländern
Endlich mal den Alltag hinter sich lassen: Das wollen die meisten in ihren Ferien – auch Dr. Frank Möller, Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie im Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum. Doch im Gegensatz zu üblichen Pauschaltouristen macht er „Urlaub“ in Entwicklungsländern wie Indien, Nepal, Indonesien und Brasilien. Hier lernt er Land und Leute nicht durch Reiseführer kennen, sondern ganz persönlich, ganz intensiv, ganz hautnah. Als Anästhesist engagiert sich Möller nämlich ehrenamtlich für den gemeinnützigen Verein „Interplast Germany e.V.“. Diese Vereinigung kümmert sich darum, dass Patienten mit Gesichtsfehlbildungen, Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten, Handfehlbildungen, schweren Verbrennungen, Tumoren oder Kriegsfolgen, die sich normalerweise keine Behandlung leisten können, unentgeltlich plastisch-chirurgisch operiert werden und so die Chance bekommen, wieder ein integrierter Teil der Gesellschaft zu werden. Wer unter Fehlbildungen oder Krankheiten leidet, wird meist weggesperrt, weil ein entstelltes Äußeres häufig als Strafe für Fehlverhalten durch göttliche Mächte verstanden wird. Hier schafft Möller Abhilfe.
Ein bis zwei Mal im Jahr „opfert“ er seinen Urlaub, um in einem Team aus erfahrenen Plastischen Chirurgen, Anästhesisten und OP-Schwestern in ein Entwicklungsland aufzubrechen und dort für zwei Wochen zu arbeiten. Dazu gekommen ist er durch einen ehemaligen Kollegen aus der Mund-, Kiefer- und Plastischen Gesichtschirurgie, der ihn vor acht Jahren einfach ansprach.
In diesem Sommer bereiste er bereits zum wiederholten Mal die Armenregion Coroatá / Maranhao im Nordosten Brasiliens. Hier ist 1992 ein kleines Krankenhaus entstanden, in dem die wechselnden „Interplast“-Teams in Zusammenarbeit mit Landshuter Ordensschwestern den mittellosen Menschen helfen, schwere angeborene Entstellungen oder verstümmelnde Verbrennungsfolgen zu überwinden. Während bei uns Operationen der Mund-, Kiefer-, Gaumenspalte bereits im Babyalter vorgenommen werden, müssen die Betroffenen in Coroatá schlichtweg damit leben und das obwohl sie nicht nur unter den ästhetischen Einbußen leiden, sondern auch schlecht sprechen und essen können. Doch der Weg zur nächsten Klinik, die sich um eine Rekonstruktion kümmern könnte, ist weit: Meist 1000 Kilometer und mehr. Dazu fehlt das Geld.
Ein weiteres Problem sind die zahlreichen Verbrennungen. „Die meisten Menschen haben dort statt eines Ofens einen Kerosin-Brenner, die leider sehr häufig explodieren, mit der Folge, dass Frauen und Kinder grauenhaft entstellt sind“, erzählt Möller und erinnert sich an ein kleines Mädchen, dessen Haut durch Verbrennung so zerstört war, dass es nicht mal mehr die Arme strecken konnte. Auch wenn nach einer OP Narben bleiben, so sind die Gliedmaßen zumindest wieder funktionell einsatzfähig. Und das ist es, was den Bochumer Mediziner immer aufs Neue dazu bewegt, her zu kommen.
„Es macht mir Spaß, anderen Menschen zu helfen“. Zumal er den Patientenkontakt hier viel intensiver erlebt als in der Heimat. „Aufgrund der Tatsache, dass wir für die Zeit unseres Aufenthaltes alle unter einem Dach wohnen, sieht man sich 24 Stunden und kennt den Patienten – ganz ohne lange in einem Stapel Papieren suchen zu müssen“.
Den besonderen Reiz macht für den 53-Jährigen allerdings aus, sich in der Diagnostik ausnahmsweise mal nicht auf Computer und moderne Geräte zu verlassen, sondern voll und ganz auf die eigene Erfahrung und persönliche Einschätzung. „Man ist dort auf sich allein gestellt“, sagt er und meint damit, dass keine Hilfsmittel wie Labor, Blutkonserven und Monitoring (EKG, Röntgen etc.) zur Verfügung stehen. „Wenn etwas schief geht, gibt es keine Intensivstation“.
Auch wenn es noch ein paar Jahre bis zum Ruhestand hin ist, so liebäugelt Dr. Frank Möller doch schon mit dem Gedanken, seine Aktivitäten auszubauen. Und bis dahin investiert er weiterhin einen Teil seines Jahresurlaubs.
Allgemeine Informationen zu „Interplast“:
Ein Einsatz dauert zwei bis drei Wochen und kostet zwischen 10.000 und 15.000 Euro. In dieser Zeit können bis 150 Patienten operiert werden. Jährlich können so rund 3000 Hilfsbedürftige behandelt werden. Finanziert wird die Hilfe durch Spendengelder und ehrenamtliche Arbeit. Internet: www.interplast-germany.de.