12. Mai 2015

Das Feuer in mir

1. Siegener Reflux-Tag

Mit zunehmendem Wohlstand steigt auch die Anzahl der Neuerkrankungen der Reflux-Krankheit, die im Volksmund vereinfacht als Sodbrennen bezeichnet wird. Unter der Leitung von Prof. Dr. med. Joachim Labenz und Prof. Dr. med. Frank Willeke erhielten die zahlreichen Besucher des Siegener Reflux-Tages einen detaillierten Überblick über die aktuellen Fortschritte in Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung. Die Veranstaltung fand zum ersten Mal im Haus der Siegerländer Wirtschaft statt.
Die Reflux-Krankheit bezeichnet eine entzündliche Erkrankung der Speiseröhre, welche unter Umständen sogar zu Krebs führen kann. Komplikationen zeichnen sich etwa durch Blutungen, Geschwüre und Verengungen im Bereich des Übergangs von Speiseröhre und Magen aus.
„Medikamente und die Änderung der Lebens- und Essgewohnheiten können den Reflux günstig beeinflussen“, erklärte Dr. med. Gisela Labenz, ärztliche Leiterin des Reflux-Zentrums Siegerland, in ihrem anschaulichen Vortrag. Einen großen Einfluss auf die Reflux-Erkrankung hätten die Zusammensetzung und die Art der Nahrungseinnahme. Zu stark gesalzene, süße, saure Speisen, fettreiche und zu üppige Mahlzeiten könnten die Beschwerden verstärken. Auch Alkohol und Nikotin setzte die Ärztin auf den Index. Sie schwächten den unteren Schließmuskel der Speiseröhre und verschlimmern so die Erkrankung.
Dann konnte die Ernährungsmedizinerin auch leichte Entwarnung geben: Leichte Beschwerden klingen gewöhnlich durch eine Umstellung der Lebensgewohnheiten, etwa durch Anpassung der Nahrungsqualität ab. Hierzu gehören beispielsweise die Vermeidung von Süßigkeiten – insbesondere Schokolade –, Weißwein und fettigen Speisen, kleinere Mahlzeiten auf den Tag verteilt, Gewichtsreduktion sowie kein Nikotin. Nur schwerere Komplikationen führten mitunter zu operativen Eingriffen.
„Die Reflux-Erkrankung kann zu Recht als Volkskrankheit betrachtet werden. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, die nicht bagatellisiert werden sollte und häufig die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt“, ergänzte Prof. med. Dr. Joachim Labenz, Medizinischer Direktor des Diakonie-Klinikums die Ausführungen. Er verdeutlichte als führender Reflux-Spezialist in Deutschland anhand unterschiedlicher Studien, wie stark die Erkrankung in den Hintergrund gedrängt wird: „Die Patienten gehen zu ihrem Arzt und vertrauen ebenso wie der Arzt auf die Wirkung der verschriebenen Medikamente. Dass diese für den individuellen Fall mitunter nicht die volle Wirkung entfalten, wird als Schicksal aufgefasst. Eine Leidensgeschichte findet ihre Fortsetzung.“ Verdeutlicht wurden seine Erfahrungen als Arzt anhand eines Erfahrungsberichts, den ein Patient den Zuhörern vermittelte. Sein Leidensweg endete schließlich bei Dr. med. Dietmar Stephan, einem führenden Experten der minimal-invasiven Chirurgie, der ihm einen sog. Magenschrittmacher implantierte. Mit diesem sei er nahezu beschwerdefrei. Anhand dieses Erfahrungsberichts, moderiert von seinem Operateur, entspann sich eine lebhafte Diskussion, bei der auch die Zuhörer ihre Erfahrungen miteinbrachten. Sie zeigte, dass ein solcher Leidensweg eher die Regel denn die Ausnahme ist.
Und tatsächlich: Jeder fünfte Bürger in Deutschland leidet mindestens einmal pro Woche unter Reflux-Beschwerden. „Die hartnäckigen Symptome wie Sodbrennen und bitterer Geschmack sind vielfach bekannt und geben häufig Anlass zur Selbstmedikation“, so Prof. Dr. med. Joachim Labenz. Die Symptome könnten sich auch durch einen dumpfen Schmerz oder Druck hinter dem Brustbein bemerkbar machen. Dies hänge häufig mit Art und Menge der Nahrung zusammen und trete sogar während der Schlafperioden auf. Mitunter würden diese Beschwerden als Herzleiden fehlinterpretiert. Erschwerend wirkten sich Schluckstörungen, morgendliche Heiserkeit und chronisch vermehrtes Aufstoßen aus. Diese könnten bis zu chronischem Husten, Bronchitis, Lungenentzündung und Asthma führen. „Darüber hinaus gibt es eine Vielfalt von weiteren Symptomen und Beschwerden, die mitunter auch von Ärzten fehlinterpretiert werden. Dies spricht für einen interdisziplinären Ansatz“, sagte Prof. Dr. med. Frank Willeke, Chefarzt der Chirurgischen Klinik im St. Marien-Krankenhaus Siegen, und verwies auf die kooperativen Ansatz des Reflux-Zentrums Siegerland. „Unser Projekt beschäftigt sich intensiv mit der Diagnostik und Therapie der Patienten.“
Er beschrieb dann auch den typischen Ablauf nach dem Vorgespräch im Reflux-Zentrum bis hin zum Eingriff: Nach einer Magenspiegelung, zum Ausschluss von schwerwiegenden oder bösartigen Veränderungen, wird die Behandlung medikamentös eingeleitet. Diese sei in vielen Fällen auch ausreichend. Bei hartnäckigen Befunden oder bei Unverträglichkeiten der Medikamente kann und sollte eine operative Korrektur der Muskelschwäche im Übergang zur Speiseröhre erwogen werden. Dabei wird eine Magenmanschette um die Speiseröhre herum gelegt und stellt gewissermaßen eine Rückflusssperre für den sauren Mageninhalt dar. Diese Operation wird heutzutage minimal-invasiv, als sogenannte „Schlüssellocheingriff“ durchgeführt.
Auch nach diesem Vortrag nutzen die Teilnehmer die Möglichkeit, unmittelbar ihre Fragen an die Ärzte zu adressieren. „Unser Ziel, so Berührungsängste abzubauen, die eine wesentliche Ursache für die Dunkelziffer bei der Reflux-Krankheit sind, ist uns gelungen“, fassten die beiden Leiter des Reflux-Tages zusammen. Es ist geplant, den Siegener Reflux-Tag zu einer regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltung zu entwickeln.

Im Bild: Prof. Dr. Joachim Labenz während seines Vortags