25. Oktober 2014

Über Bewusstsein, Emotionen, Erinnerungen und mehr

Phänomen Gedächtnis: Experten diskutierten über neue Erkenntnisse

Psyche trifft Gedächtnis – am zurückliegenden Wochenende (24./25.10.) kamen rund 200 Expertinnen und Experten aus ganz Deutschland zum 22. Wissenschaftlichen Symposium für Psychotherapie in Bochum zusammen, um über das Phänomen „Gedächtnis“ zu diskutieren und aktuelle Forschungsergebnisse auszutauschen. Welchen Einfluss hat das Gedächtnis auf die Psyche und umgekehrt?
„Wir konnten insgesamt zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewinnen, die in ihren Vorträgen ein breites Spektrum der Gedächtnisforschung abdeckten“, fasste Prof. Stephan Herpertz, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psycho¬therapie des LWL-Universitätsklinikums der Ruhr-Universität Bochum im Land¬schaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), zusammen. „Dazu zählten unter anderem Gedächtnisleistungen, Informationen, Erinnerungen, Erfahrungen und Emotionen sowie deren Zusammenhänge.“
Referent Prof. Dr. Andreas Kruse, Direktor des Instituts für Gerontologie der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, befasst sich beispielsweise bereits seit vielen Jahren mit dem „Gedächtnis im Alter“. So treten im höheren Lebensalter speziell jene biografischen Ereignisse in das Bewusstsein – und dies zum Teil mit hoher emotionaler Intensität –, die im Lebenslauf besondere Bedeutung für das Individuum besessen haben. „Diese in das Bewusstsein tretenden Ereignisse deuten auf sogenannte ŽInselnŽ des Selbst hin“, erklärte der Wissenschaftler. „Große Bedeutung kommt hier den in der Biografie erfahrenen Traumata zu, wie uns dies unsere Studien zu den Spätfolgen des Holocausts zeigen.“ Die Tatsache, dass sich der Mensch im Alter nicht mehr gegen derartige dominant werdende Erinnerungen schützen kann, ist auch darauf zurückzuführen, dass in dieser Lebensphase die Fähigkeit, einschießende Gedanken zurückzudrängen („Inhibitionsfähigkeit“), deutlich verringert ist.
Wie Konflikte und Traumata zu krankhaften Gedächtnisverzerrungen führen können, arbeitete Prof. Dr. Nikolai Axmacher, Leiter der Abteilung Neuropsychologie der Ruhr-Universität Bochum, in seinem Vortrag „Zur Neurobiologie von Erinnerung und Verdrängung“ auf. Er beschrieb den Einfluss von Emotionen auf die Gedächtniseinspeicherung und den -abruf. Während es sich dabei zunächst um gesunde Modifikationen von Gedächtnisprozessen handelt, können Konflikte und Traumata Verdrängung und Dissoziation (Trennung von Wahrnehmungs- und Gedächtnisinhalten) zur Folge haben. In einigen Untersuchungen wird die Verdrängung als willentliche Unterdrückung angesehen. Axmacher stellte einen alternativen Ansatz vor, bei dem Verdrängung mittels freier Assoziation untersucht wird.
Über den Zusammenhang von „Trauma und Gedächtnis“ referierte PD Dr. Henrik Kessler, Oberarzt in der LWL-Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. „Menschen, die Traumatisches erlebt haben, zeigen oft gestörte Formen der Erinnerung an diese Ereignisse“, stellt der Bochumer Wissenschaftler fest. „Typischerweise können sie sich an das Ereignis kaum erinnern, die schrecklichen Gefühle von damals sind jedoch oft präsent und sehr belastend.“ Diese treten dann zum Beispiel in Form von Panikattacken auf. Er erläuterte diese Probleme anhand von Patientenfällen und benannte neue Behandlungsansätze, mit denen Gedächtnisinhalte so verändert werden können, dass eine Entlastung von quälenden Gefühlen möglich ist.

Bildzeile:
Das 22. Wissenschaftliche Symposium für Psychotherapie in Bochum konnte mit seinen Fachvorträgen viele Fragen rund um das Phänomen „Gedächtnis“ beantworten; Klinikdirektor Prof. Dr. Stephan Herpertz (2.v.li.) und drei seiner Referenten: PD Dr. Henrik Kessler, Oberarzt in der LWL-Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Prof. Dr. Andreas Kruse, Direktor des Instituts für Gerontologie der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, und Prof. Dr. Nikolai Axmacher, Leiter der Abteilung Neuropsychologie der Ruhr-Universität Bochum (v.l.n.r.). (Bildquelle: LWL)