19. März 2012

Alpin-Ski mit künstlichen Gelenken

Endoprothetikforum Münster thematisiert kritische Fragestellungen

Die Zahl der Operationen, bei denen künstliche Hüft- oder Kniegelenke eingesetzt werden, steigt stetig von Jahr zu Jahr. Für die Krankenkassen ist die Sache klar: Viel zu großzügig würden die Chirurgen in Deutschland die Kunstgelenke einsetzen, wo vielleicht noch Krankengymnastik oder Medikamente helfen würden.
Die Organisatoren des jährlich auf Gut Havichhorst vor den Toren Münsters stattfindenden Endoprothetikforums der Raphaelsklinik sehen die Ursachen woanders. Zum einen sei es der wachsende Altersdurchschnitt der Bevölkerung, der immer häufiger den Einsatz eines künstlichen Gelenkersatzes erfordern würde. Arthrose und Gelenkverschleiß lassen das Gehen für viele ältere Menschen zur Qual werden, da ist das künstliche Gelenk der einzige Weg zu mehr Lebensqualität. Dann wären da aber auch noch die ständig steigenden Erwartungshaltungen vieler Patienten „Manche Menschen wollen im Alter oft noch mobiler sein, als sie es in ihrer Jugend je waren, beginnen mit dem Alpin-Ski oder dem Rennradfahren“ schildert Prof. Dr. Carsten Perka von der Berliner Charité. Steigendes Durchschnittsalter und wachsende Ansprüche an die eigene Mobilität lassen auch einen anderen Aspekt immer wichtiger werden, den Austausch künstlicher Gelenke, die etwa 15 bis 20 Jahre halten. „Für den Chirurgen ist es wichtig, dass bei der Operation möglichst wenig vom Knochen des Patienten entfernt wird, damit für zukünftige Eingriffe noch genügend erhalten bleibt“ sagen Chefarzt Prof. Dr. Gunnar Möllenhoff und Oberarzt Dr. Bernhard Egen von der Raphaelsklinik. Als Folge dieser „Sparmaßnahmen“ werden inzwischen Kunstgelenke und spezielle OP-Werkzeuge entwickelt, die individuell für jeden einzelnen Patienten hergestellt werden. Dies spare zwar Knochenmaterial ein, so die Experten, die Kosten treibe es aber in die Höhe: "Ob es zukünftig für jeden Menschen die gleiche Qualität an Endopthesen geben wird, oder ob es immer höhere Eigenanteile geben wird, muss die Gesundheitspolitik entscheiden" erläutert Möllenhoff.
Der steigenden Zahl von Operationen steht ein ausgeprägter Nachwuchsmangel gegenüber. „Wir müssen es schaffen, immer mehr junge Menschen in die Orthopädie zu bringen“ skizziert Prof. Dr. Rudolf Ascherl von den Zeisigwaldkliniken in Chemnitz das Problem. Der körperlich anstrengende Einsatz am OP-Tisch würde Medizinstudenten zunehmend von dieser beruflichen Laufbahn abhalten. Dass immer mehr Frauen den Medizinerberuf ergreifen, müsse ebenfalls zu einem Umdenken bei der Gestaltung des beruflichen Umfeldes führen, so der Experte.