19. August 2010

Akustische Neuromodulation gegen chronische Ohrgeräusche

Dr. Murrenhoff am St. Martinus-Hospital, Olpe bietet neuartige Therapie an

Seit Anfang 2010 ist ein neues Verfahren zur Behandlung von chronischen Ohrgeräuschen zugelassen. Das Verfahren nennt sich Akustische Neuromodulation und wurde von Herrn Prof. Dr. Tass im Forschungszentrum Jülich entwickelt. Angeboten wird die Therapie über speziell geschulte HNO-Ärzte. Ab Mitte August bietet Dr. Murrenhoff, HNO-Arzt im Medizini-schen Versorgungszentrum II am St. Martinus-Hospital, Olpe (Martinus-Höfe), dieses Verfah-ren für Betroffene der Region an.

Der akustische Neuromodulator ist ein kleines Gerät, welches ähnlich einem Hörgerät direkt am Ohr getragen wird. Die Therapie besteht in der Verabreichung einer bestimmten Abfolge von Tönen. Die Tonhöhe und Tondauer werden in der HNO- Praxis auf das Ohrgeräusch an-gepasst. Die verabreichten Töne bewirken eine Änderung in dem Hirnareal, in der das Hören wahrgenommen wird und in dem sich die störenden Geräusche festgesetzt haben. „Das Dauerfeuer der betreffenden Nervenzellen im Gehirn wird unterbrochen, das Ohrgeräusch verliert an Intensität oder verschwindet vollständig“ so Dr. Murrenhoff. „Der Neuromodulator verspricht die erste Therapie zu sein, mit der chronische Ohrgeräusche dauerhaft behandel-bar sind“. Die Therapie ist schmerzlos und die vom Neuromodulator abgesonderten Töne werden vom Patienten in der Regel als angenehm empfunden. Das Gerät wird für Wochen bis Monate täglich 4-6 Stunden getragen, so lange, bis das Ohrgeräusch nicht mehr stört oder verschwunden ist. Die Wirksamkeit der Therapie wird durch wissenschaftliche Studien untermauert, dennoch ist das Verfahren zu neu, als dass die Kosten dafür bereits jetzt von den Krankenkassen übernommen werden. Der Patient muss die Anschaffung des Neuromo-dulators und auch die Einstellung des Gerätes bis auf weiteres selber finanzieren.

Öffentlich bekannt wurde die Methode der akustischen Neuromodulation durch einen Bericht in Stern.TV. Prof. Dr. Tass wird am 05. August in der Sendung „Die große Show der Natur-wunder“ (ARD, 20.15 Uhr) erneut zum Thema Tinnitus und akustische Neuromodulation be-richten.

Hintergrundinformationen zum Neurostimulator; Quelle: „Adaptive Neuromodula-tion GmbH (ANM)“

Die Idee der akustischen CR-Neuromodulation, die das Klingeln im Ohr durch gezielte akusti-sche Reize bekämpft, wurde in über zehnjähriger Arbeit am Forschungszentrum Jülich etab-liert. Entwickelt wurde das Gerät von der Jülicher Adaptive Neuromodulation GmbH (ANM) - einem jungen, deutschen Medizintechnikunternehmen, das im Dezember 2005 als Ausgrün-dung aus dem Forschungszentrum Jülich entstanden ist. Entsprechend groß ist auch die Freude bei Prof. Sebastian Schmidt, Vorstandsmitglied des Forschungszentrums Jülich: "Über zehn Jahre systematischer wissenschaftlicher Arbeit im Forschungszentrum münden nun in Hilfe für Patienten, und dies bei einer Volkskrankheit, von der sehr viele Menschen betroffen sind."
Das bestätigen erste Ergebnisse einer Studie („RESET“; www.clinicaltrials.gov), die Prof. Dr. Peter Tass, Direktor des Instituts für Neurowissenschaften und Medizin im Forschungszent-rum Jülich und Erfinder der Therapie, auf einem Fachkongress präsentierte: „Die Lautstärke der Ohrgeräusche und die empfundene Belästigung durch den Tinnitus nahmen kontinuier-lich ab – nach zwölf Behandlungswochen bereits um 40 und 33 Prozent –, in der Placebo-gruppe hingegen nur um 9 und 8 Prozent. Die Tinnitus-Frequenz wurde zudem tiefer und damit angenehmer.“
Eingesetzt wird der Neurostimulator derzeit für die Behandlung von chronischem, subjekti-vem, tonalen Tinnitus. Dabei verursachen neuronale Fehlsteuerungen in der Großhirnrinde das permanente Ohrgeräusch: Statt gezielt und nacheinander feuern Nervenzellen bei Tinni-tus übermäßig und gleichzeitig Signale ab. Die Jülicher CR-Neuromodulation stört diese krankhaft synchrone Überaktivität der Nervenzellen durch gezielte akustische Signale, die ganz speziell auf den jeweiligen Tinnitus des Patienten abgestimmt sind. Dazu muss der Pa-tient in der HNO-Facharztpraxis an einer Art Tonmischpult zunächst die genaue Tonhöhe und Lautstärke seiner Ohrgeräusche nachbilden. Sie werden von einem Programmiergerät er-fasst, das dann anhand eines von Prof. Dr. Peter Tass entwickelten komplexen Algorithmus eine ganz bestimmte, individuelle Tonfolge für die Stimulation berechnet. Dem Patienten wird die Tonfolge in einer gerade noch hörbaren Lautstärke auf seinen Stimulator übertra-gen. Der Patient trägt dann den Neurostimulator mit seinen medizinischen Kopfhörern ganz bequem für mehrere Stunden pro Tag über einen Zeitraum von mehreren Monaten und da-nach nur noch nach Bedarf.
Das Besondere an dem Verfahren ist: Durch diese Stimulation bauen
sich die Nervennetzwerke im Hirn wieder um. Deshalb erreichen wir
mit unserem Stimulator auch nicht nur eine maskierende Wirkung –
wie bei den häufig eingesetzten Rauschgeneratoren,
sondern eine dauerhafte Linderung der Krankheit", sagt Tass. "Die
ehemals betroffenen Nervenzellverbände verlernen den krankhaften
Gleichtakt."

Nach langer und sorgfältiger Entwicklungszeit also steht nun die breitere
klinische Umsetzung durch HNO-Fachärzte an. Wichtig hierbei ist, dass zunächst in einer aus-führlichen Anamnese sichergestellt wird, dass der Patient für die Therapie geeignet ist – da-nach erfolgt die individuelle Einstellung der Therapie auf den Patienten