08. April 2022

Optimal@NRW-Kongress: Altenpflege durch Telemedizin digital und zukunftssicher gestalten

© Universitätsklinikum Aachen Aachen, 08.04.2022 – Die zentrale Herausforderung des demografischen Wandels ist die adäquate Versorgung pflegebedürftiger Senioren in Altenheimen angesichts des grassierenden Fachkräftemangels. Im Fokus steht die Frage: Wie lassen sich Klinikeinweisungen auf das nötige Maß reduzieren? Denn ist ein Arzt in einem Pflegeheim nicht greifbar, wird vorschnell und zu oft der Rettungsdienst alarmiert und ein Transport in die nächstgelegene Notaufnahme veranlasst. Ein solches Szenario ist nicht nur kostspielig, sondern auch für die älteren Pflegeheimbewohner sehr belastend. Das Projekt Optimal@NRW, mit rund 15 Millionen Euro vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert, zielt auf die optimierte Akutversorgung geriatrischer Patienten ab. Das Besondere: Alle Player des Gesundheitswesens – vom Altenheim, über die Niedergelassenen, die Krankenkassen und den Rettungsdienst bis hin zur Uniklinik RWTH Aachen – arbeiten dazu in einem telemedizinischen Kooperationsnetzwerk über die Sektorengrenzen hinweg zusammen. Zum Zwischenfazit lud das Projekt am 8. April zum Fachkongress mit der Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung Claudia Moll, dem Direktor des Instituts für Digitale Allgemeinmedizin sowie Vorstandssprecher des Zentrums für Seltene Erkrankungen an der Uniklinik RWTH Aachen Univ.-Prof. Dr. med. Martin Mücke und vielen Fachexperten in die Landeshauptstadt Düsseldorf.

Auch heute noch ist es ein großes Problem für viele Altenpflegeeinrichtungen, dass ältere Bewohnerinnen und Bewohner vorschnell hospitalisiert werden. Wenn sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert, organisiert das Pflegepersonal vor Ort medizinische Hilfe. Stehen die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte allerdings nicht zeitnah zur Verfügung, bleibt den Pflegefachkräften bis dato oftmals nur die Möglichkeit, den Rettungsdienst zu alarmieren. Die Folge: Vermeidbare und vorschnelle Krankenhauseinweisungen, lange Wartezeiten in den bundesweit chronisch überfüllten Notaufnahmen und Transporte, die die Bewohnerinnen und Bewohner physisch sowie psychisch stark beeinträchtigen können.

Pflege neu denken, Synergien schaffen

Optimal@NRW setzt genau an diesem Punkt an. Das Projekt wird über einen Zeitraum von vier Jahren mit rund 15 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert und etabliert eine intersektorale telemedizinische Lösung, um die Pflege in Altenpflegeeinrichtungen zukunftssicher zu gestalten. Ziel des Projekts ist die optimierte Akutversorgung geriatrischer Patienten durch ein telemedizinisches Kooperationsnetzwerk – bestehend aus Altenpflegeeinrichtungen, niedergelassenen Ärzten, dem Rettungsdienst und der Uniklinik RWTH Aachen – rund um die Uhr. Der Effekt: Die Fachkräfte in den Seniorenzentren können einen sich verschlechternden Gesundheitszustand ihrer Bewohner schneller erkennen und diesen durch die Televisiten bedarfsgerecht behandeln. Der Weg in die Notaufnahme bleibt medizinischen Notfällen vorbehalten. Das Projekt soll auf diese Weise inadäquate Klinikeinweisungen reduzieren und die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner verbessern. Nachdem die technischen Voraussetzungen in den 24 teilnehmenden Altenpflegeeinrichtungen geschaffen werden konnten, startete das Projekt am 1. Februar 2022 mit der sogenannten Interventionsphase: Bei akuten Beschwerden kann sich das Pflegepersonal nun in Form von Videosprechstunden ärztliche Unterstützung holen und mit den unterschiedlichen medizinischen Sektoren in Kontakt treten.

Erkenntnisse und Zukunftsvisionen

Zur Halbzeit des Projekts fanden sich die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, alle GKV-Kassen in NRW als Konsortialpartner sowie die projektbeteiligten Altenpflegeeinrichtungen aus der Region Aachen (Stadt und Städteregion Aachen, Kreis Heinsberg und Kreis Düren) neben weiteren Protagonisten aus dem Versorgungsbereich und der Gesundheitswirtschaft zu einem Optimal@NRW-Kongress in der Landeshauptstadt zusammen. Dieser bot Zeit und Raum, um über die wichtigen Belange rund um die digitalisierte, bedarfsgerechte Gestaltung der Pflege durch telemedizinische Strukturen sowie den innovativen Ansatz der neuen Versorgungsform und deren Zukunftsperspektive in der Regelversorgung zu diskutieren. „Das Projekt folgt der Idee, die Medizin zum alten Menschen zu bringen, nicht umgekehrt, das sollte künftig nur im Akutfall geschehen. Altenpflege und geriatrische Versorgung werden damit ein stückweit digital. Optimal@NRW setzt dahingehend neue Akzente und bietet auch die Option, die Engpässe in der Notfallversorgung deutscher Kliniken zu verbessern. Die praktische Übertragung dieser intersektoralen telemedizinisch-gestützten Betreuung in die künftige Regelversorgung ist ein wichtiger Schritt hin zur bedarfsgerechten und ortsnahen Patientenversorgung“, betont Priv.-Doz. Dr. med. Jörg Christian Brokmann, Projektkoordinator und Leiter des Zentrums für klinische Akut- und Notfallmedizin an der Uniklinik RWTH Aachen.

Nachstehend finden Sie die Statements der beteiligten Projektpartner.

Barbara Steffens, Leiterin der TK-Landesvertretung Nordrhein-Westfalen:
„Unser Projekt Optimal@NRW beweist eindrucksvoll, wie verantwortlich der Einsatz von digitalen Prozessen im Bereich der Pflege gestaltet werden kann. Mit dem Ziel, die medizinische Akutversorgung in der gewohnten Umgebung sicherzustellen, werden die Bedürfnisse der zu Pflegenden in den Mittelpunkt gestellt. Diesen Weg müssen wir konsequent weitergehen.“

Tim Hollmann, Leiter des Geschäftsbereichs Versorgungsmanagement bei der IKK classic:
„Durch das Innovationsfondsprojekt Optimal@NRW kann mittels Telemedizin ein bedarfsgerechter Zugang pflegebedürftiger Patientinnen und Patienten im ländlichen Raum zur Notfallversorgung ermöglicht werden. Die verbesserte Verzahnung vom ambulanten und stationären Notdienst sowie Rettungsdienst hat somit Vorbildcharakter und trägt zu einer optimalen Versorgung von geriatrischen Patientinnen und Patienten bei.“

Heiner Beckmann, Landesgeschäftsführer der BARMER in Nordrhein-Westfalen:
„Bei allen digitalen Gesundheits-technologien steht für uns immer der Mensch im Mittelpunkt. Das gilt für Patientinnen und Patienten ebenso wie für die Beschäftigten des Gesundheitswesens. Mit Blick auf das Projekt Optimal@NRW sind wir bei der BARMER davon überzeugt, dass dieses digitale Versorgungsangebot eine Verbesserung für alle Beteiligten ist.“

Matthias Mohrmann, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg:
„Das Projekt Optimal@NRW ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: Wir müssen die Trennung der Sektoren gerade in der Versorgung pflegebedürftiger geriatrischer Patientinnen und Patienten überwinden, um ihren Bedürfnissen gerecht zu werden. Mit gut ausgebildeten Praxisassistenzkräften und dem Einsatz intelligenter telemedizinischer Lösungen kann es gelingen, vermeidbare Klinikeinweisungen zu verhindern und die notwendigen Behandlungen vor Ort zu erbringen.“

Klaus Overdiek, Leiter der DAK-Landesvertretung Nordrhein Westfalen:
„Im Fokus steht die optimale Versorgung des Pflegebedürftigen. Gerade in ländlichen Regionen hängt eine bedarfsgerechte Versorgung von einer guten Zusammenarbeit der Akteure ab. Von einem sektorenübergreifenden Netzwerk der Pflege-Akteure profitieren Pflegebedürftige und Angehörige.“

Milorad Pajovic, Gesundheits- und Versorgungsmanagement, Projektleiter Pflegekompetenzzentrum - ReKo - bei der DAK-Gesundheit:
„Jeder verdient die optimale Pflege und Versorgung. Auch auf dem Land. Gute Versorgung braucht ein starkes lokales Netzwerk, in dem Beratung, ambulante und stationäre Betreuung, medizinische Versorgung und Mobilitätsdienste effektiv ineinandergreifen. Dieses Netzwerk gerade in ländlichen Regionen aufzubauen, zu festigen und voranzutreiben, ist das Ziel des regionalen Pflegekompetenzzentrums.“

Dr. med. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein:
„Der demographische Wandel stellt die Versorgung geriatrischer Patientinnen und Patienten in Pflegeheimen heute vor beträchtliche Herausforderungen. Umso entscheidender ist darum ein gut abgestimmtes Miteinander der Sektoren unter Einbindung modernster Technologien. Mit Optimal@NRW schaffen wir es gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern, bestehende Strukturen gezielt auszubauen und bisher ungenutzte Synergien zu heben. Das entlastet nicht nur die Krankenhäuser ganz erheblich, sondern schafft auch für die Patientinnen und Patienten in den teilnehmenden Pflegeheimen ideale Rahmenbedingungen bei der Akutversorgung – und das rund um die Uhr.“

Robert Pex, Projektmanager der Geschäftsführung von Alloheim, Alloheim Senioren-Residenzen SE:
„Im Rahmen des Projekts Optimal@NRW werden unsere Bewohner durch eine telemedizinische und interdisziplinäre Betreuung engmaschig und just-in-time medizinisch begleitet. So können unter anderem. medizinisch nicht zwingend notwendige Krankenhauseinweisungen, die mitunter eine hohe Belastung für die Senioren darstellen, vermieden werden. Im Rahmen eines Frühwarnsystems können zudem frühzeitig Gesundheitsverschlechterungen erkannt und rasch entsprechende Interventionsmöglichkeiten eingeleitet werden. Aufgrund der direkten ärztlichen Telekonsultation erfahren unsere Mitarbeiternden sofortige Unterstützung, müssen nicht auf einen verfügbaren Hausarzt warten und können dem Bewohner eine entsprechende individuelle Betreuung zukommen lassen. Der reduzierte Dokumentationsaufwand entlastet die Mitarbeiter – die eingesparte Zeit wiederum kommt den Bewohnern zugute.“

Ralf Müller, Pflegedienstleiter, Maria Hilf Burg Setterich GmbH:
„Als im Frühjahr 2020 das Projekt Optimal@NRW startete, waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Einrichtung hoch motiviert, sich der Aufgabe zur Implementierung der telemedizinischen Versorgung unserer Bewohnerinnen und Bewohner zu stellen. Wir sehen in dem Projekt Optimal@NRW einen neuen, sehr guten Ansatz der Akutversorgung, mit dem Ziel, durch den Einsatz eines Frühwarnsystems, einem System zur Telekonsultation mit den Ärzten und der digitalen Behandlungsdokumentation, drohende Krankenhausweisungen unserer Bewohnerinnen und Bewohner zu vermeiden.“