25. Februar 2022

„Tag der Seltenen Erkrankungen“ am 28. Februar

Experten im Evangelischen Klinikum Niederrhein für Marfan- und Wilkie-Syndrom

© EVKLN Duisburg. Am 28. Februar ist der „Tag der Seltenen Erkrankungen“. In Deutschland leben rund 4 Millionen Kinder und Erwachsene mit einer der etwa 8.000 Seltenen Erkrankungen. Bei Betroffenen vergehen oft Jahre bis zur richtigen Diagnose. Für viele Krankheiten fehlen Spezialisten, Medikamente und Therapien; meist werden Symptome lange Zeit falsch gedeutet. Die Klinik für Gefäßchirurgie des Evangelischen Klinikums Niederrhein an den Standorten Duisburg-Nord in Fahrn und in Dinslaken ist spezialisiert auf die Behandlung zwei seltener Syndrome: dem Marfan-Syndrom und dem Wilkie-Syndrom. Spezielle Gefäßprothesen und OP-Verfahren ermöglichen neue Lebensqualität für die Betroffenen.

Marfan-Syndrom: Lebensbedrohliche Bindegewebsschwäche
Beim Marfan-Syndrom handelt es sich um eine seltene genetische Bindegewebsschwäche. Die Zahl der Betroffenen liegt bundesweit bei etwa mehreren tausend pro Jahr. Durch einen genetischen Defekt kann sich das Bindegewebe nicht richtig ausbilden, was zu starken Veränderungen an Knochen, Muskeln, Gelenken, Blutgefäßen, Herz oder auch Augen führt. Äußerlich sind Menschen mit dem Marfan-Syndrom auffallend großgewachsen; die Finger sind besonders lang und schmal. Patienten und Patienten entwickeln zudem verschiedene Beschwerden an den Augen: So kann sich dort die Netzhaut ablösen, die Augenlinse abreißen oder verschieben. Die größten Gefahren bestehen für Herz und Gefäße, besonders die Aorta (Hauptschlagader) ist betroffen. Meist kommt es zu Aussackungen oder gar Rissen, was im weiteren Verlauf zum Platzen der Aorta führen kann - dann besteht Lebensgefahr. Um das zu verhindern setzt PD Dr. Peter Fellmer, Leiter der Klinik für Gefäßchirurgie im Evangelischen Klinikum Niederrhein, auf ein modernes, minimalinvasives OP-Verfahren: „Mit speziellen Gefäßprothesen können wir die Brust- oder auch die Bauchschlagader ersetzen. Anders sind die Gefäße nicht zu retten, es gibt auch sonst keine Therapien dafür. Das Marfan-Syndrom ist leider nicht komplett heilbar. Wir können Betroffene im Evangelischen Klinikum Niederrhein allerdings umfassend medizinisch betreuen und begleiten. Stationär versorgen wir sie in der Klinik, am Standort Duisburg-Nord dann auch ambulant vor Ort in der dort angeschlossenen Praxis. Außerdem haben wir im Verbund Kinder- und Erwachsenenkardiologen, Herzchirurgen, Orthopäden und Augenärzte.“ Dank des modernen OP-Verfahrens sowie der engen Zusammenarbeit haben Betroffene inzwischen eine deutlich höhere Lebenserwartung von weit über 50 Jahren oder älter.

Wilkie-Syndrom: Beschwerdefrei durch neuartiges OP-Verfahren
Heftige Bauchkrämpfe, Übelkeit bis hin zu Erbrechen – und das jedes Mal nach dem Essen und Trinken. Das Wilkie-Syndrom ist ein Kompressionssyndrom, an dem etwa 0,1 bis 0,3 Prozent der Bevölkerung leidet. Bei den Betroffenen wird der Zwölffingerdarm abgedrückt. Grund ist die obere Darmschlagader, die in diesem Bereich aus der Bauchschlagader abzweigt. Der Winkel dieser Abzweigung ist bei Betroffenen sehr flach und beträgt oft nur 8 bis 10 Grad; normal sind es 30 bis 45 Grad. Im Zwölffingerdarm gibt es deshalb einen Engpass, an dem Essen und Trinken nur beschwerlich oder gar nicht weitergeleitet werden können. Die Folge: Völlegefühl, Krämpfe oder gar Erbrechen. Viele der Betroffenen sind deshalb häufig stark untergewichtig. Die meisten von ihnen sind junge Frauen. „Hinter fast allen liegt ein langer Leidensweg. Wenn sie zum Hausarzt oder zum Internisten gehen, vermuten diese oft zuerst eine Magen-Darm-Erkrankung oder eine Lebensmittelunverträglichkeit. Wenn bei den Patientinnen dann Medikamente nicht wirken oder andere Behandlungen nicht funktionieren, heißt es oft: Dann ist es psychosomatisch“, erklärt Oberarzt Jaser Al-Maqablah aus der Klinik für Gefäßchirurgie. Er ist spezialisiert auf die Behandlung des Wilkie-Syndroms. Den Betroffenen wird zuerst versucht, mit hochkalorischer Nahrung zu helfen. Dadurch können sie Gewicht und Fettgewebe aufbauen, so dass sich der betroffene Winkel von selbst weitet. Wenn das nicht klappt, ist eine Operation nötig. Oberarzt Jaser Al-Maqablah setzt dazu seit zwei Jahren auf ein neuartiges, sehr komplikationsarmes Verfahren. Dabei wird um die Nierenvene eine Kunststoffprothese gelegt. Die Prothese wirkt als eine Art Polster und hebt die Darmschlagader an, dadurch wird der Winkel vergrößert. Auf diese Weise hat Oberarzt Jaser Al-Maqablah bereits erfolgreich 11 Patientinnen operiert. Das spezielle OP-Verfahren kommt bundesweit nur noch an einer weiteren Klinik zum Einsatz.