07. Juni 2021

„Hurra, ich lebe!“

Welthirntumortag am 8. Juni: Nicht jeder Hirntumor ist bösartig

© Foto: Echelmeyer/Alexianer Münster. Ständige Gereiztheit. Das Gefühl, sich zusammenreißen zu müssen, um nicht zu explodieren. Dazu Müdigkeit, Übelkeit und bleierne Schwere: So ging es Sabine K. (Name geändert) seit dem Frühjahr 2020. Angehörige bemerkten ihre gespannte Situation, der Arbeitgeber bot Hilfe hinsichtlich Burnout und Depressionen an. Doch für Sabine K. war klar: „Da muss was Anderes sein“. MRT-Bilder machten schließlich sichtbar, was die Mittfünfzigerin monatelang quälte: Ein Tumor, fast so groß wie ein Tennisball, war in ihrem Gehirn gewachsen. Im Clemenshospital in Münster wurde ihr jetzt der Tumor entfernt, eine Woche nach der Operation Ende Mai ist sie optimistisch.

„Hurra, ich lebe! Das kann ich wohl sagen“, erzählt sie, während sie auf ihrem Krankenbett sitzt und manchmal noch ein wenig um Worte ringt. Die Diagnose Gehirntumor war ein großer Schock für die Münsterländerin. Aber: Er war gutartig und operativ gut zu entfernen. Außerdem: Endlich hatte sie die richtige Diagnose für ihre Situation. Sie schaut auf ihre Turnschuhe: „Die sind früher Marathon gelaufen“, erklärt sie. Nun lernt sie, mit eben diesen Schuhen das Leben etwas langsamer angehen zu lassen.

Da der Tumor direkt hinter der Stirn saß, beeinträchtigte er nicht nur ihr Verhalten, sondern auch bereits den Seh- und Riechnerv. Prof. Dr. Uta Schick, Chefärztin der Neurochirurgie am Clemenshospital in Münster, entfernte den Tumor, der gute sechs Zentimeter maß, großzügig aus dem Schädel. „Diese Art von Tumor, ein gutartiges Meningiom, befällt etwa fünf Mal öfter Frauen als Männer“, weiß die Expertin. Grund ist, dass er besonders auf weibliche Hormone wie Progesteron und Östrogen anspricht. Ist bereits ein Tumor in der Entstehung, wird er durch Hormontherapien in den Wechseljahren, die Einnahme der Pille oder durch eine Schwangerschaft quasi „gefüttert“, also zu schnellem Wachstum animiert.

„Ist die Operation geglückt, liegt die Rezidivquote, also die Gefahr einer Wiedererkrankung, bei rund 15 Prozent“, so Schick weiter, die in ihrer auf gutartige Hirntumoren spezialisierten Neurochirurgie Patienten aus ganz Deutschland behandelt. In der Regel zehn Jahre nach der Erkrankung werden die Patienten noch in der Nachsorge betreut, zunächst in kurzen, später in langen Intervallen. Selten ist eine Nachbestrahlung erforderlich. Und auch die beeinträchtigten Nerven erholen sich durchaus, je nachdem, wie weit diese durch den Tumor verletzt wurden und wie sie in der Rehabilitation wieder angeregt werden können.

Sabine K. verlässt Anfang Juni, nur eine Woche nach der Operation, das Krankenhaus. Eine lange Narbe entlang des Haaransatzes bis hinunter zum Ohr ist noch unter dicken Pflastern versteckt, aber die quirlige Frau ist positiv gestimmt: „Ich war immer unter Tempo, immer unterwegs, immer aktiv. Nun hoffe ich, dass meine Power zurückkehrt“. Ein langer, aber ruhiger Weg, auf dem ihre Marathonschuhe sie begleiten.

Bilduntertitel: Der orangefarbene Vergleichskörper entspricht der Größe und Platzierung des Tumors von Sabine K. in ihrem Gehirn.
Foto: Echelmeyer / Alexianer