26. April 2024

Der Minister, der als Elefant im Raum schwebt

„Gesundheitskongress des Westens 2024“ zeigte Chancen und Risiken des Veränderungsprozesses im Gesundheitswesen

© WISO/Schmidt-Dominé „Bereit zur Veränderung – nutzen wir die Chance!“ – so lautete das Motto beim diesjährigen Gesundheitskongress des Westens. Die Veranstaltung für Vertreterinnen und Vertreter aus Klinik und Praxis, aus Gesundheitspolitik und -wirtschaft, aus der Forschung und Wissenschaft sowie der Pflege fand am 18. und 19. April 2024 in Köln statt. 800 Teilnehmende folgten ihrem Ruf, mehr als 500 waren via Livestream dabei. Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) unterstützte die Veranstaltung erneut als Kooperationspartner.

Erste Pflöcke schlug NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann bereits in seinem Impulsvortrag zum Auftakt ein. Dabei richtete er sich direkt an und gegen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Falls dieser das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) ohne Beteiligung der Länder zum nicht zustimmungspflichtigen Gesetz erkläre, werde Nordrhein-Westfalen zusammen mit Bayern und Schleswig-Holstein Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Deren Rechtsgutachten hatte die mögliche Verfassungswidrigkeit des Gesetzes bestätigt, das demnach umfassend in die Krankenhausplanung – Hoheitsgebiet der Länder – eingreife. Zudem kritisierte Karl-Josef Laumann das Vorgehen seines Kollegen auf Bundesebene, Prof. Karl Lauterbach. Dieser wolle erst nach Verabschiedung des KHVVG entsprechende Verordnungen vorlegen, aus denen sich die Auswirkungen des Finanzierungsmodells auf die Krankenhäuser ergeben. Das müsse aber vorher konkret berechnet werden. Darüber hinaus forderte Minister Laumann bei den Mindestvorgaben mehr Ausnahmeregelungen und Flexibilität für die Länder, um die regionale Versorgung sicherzustellen: Er könne „einem Krankenhaus nicht den Versorgungsauftrag wegnehmen, weil eine Fachärztin schwanger“ werde, war eines seiner Beispiele für nicht praxistaugliche Regelungen.

Eines der Hauptthemen des gesamten Gesundheitskongresses war dann auch die Krankenhausreform, auch wenn der Hauptverantwortliche, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, gar nicht zugegen war. Er schwebte vielmehr als Elefant bei jeder Klinikdiskussion im Raum. Zum Beispiel bei der Podiumsdiskussion „Krankenhausreform: Dringend nötig, nur wie und wann?“. Dr. Dr. Peter May, Referatsleiter Medizin der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), (auf dem Gruppenfoto Zweiter von rechts) vertrat hier die Position der Krankenhäuser und diskutierte (von links nach rechts) mit Prof. Christian Karagiannidis, Leiter ARDS und ECMO Zentrum Köln-Merheim (Kliniken der Stadt Köln) und Mitglied der Regierungskommission zur Krankenhausversorgung, Birgit Szymczak, Stabsstelle Krankenhausplanung, Krankenhausstatistik im Ministerium für Arbeit Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAGS), Moderator Prof. Heinz Lohmann, Dr. Peter Indra, Amt für Gesundheit bei der Gesundheitsdirektion Kanton Zürich, Schweiz, und Thorsten Kaatze, Vorsitzender der Geschäftsführung des Evangelischen Klinikum Bethel.

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„Miteinander-Reden funktioniert im Bund leider nicht“

Die Krankenhausplanung diene dem Bund als „Blaupause“, verdeutlichte Peter May für die KGNW, „wir waren für Veränderungen und sind nach wie vor dafür“. Doch im Bund ticken die Uhren anders: „Gegen die aktuelle Diskussion rund um die Krankenhausreform war Corona ein Spaziergang“, befand Christian Karagiannidis, in der Kommission mitverantwortlich für die Gestaltung der neuen Krankenhauslandschaft. Eines der laut Thorsten Kaatze drängendsten Probleme für die Kliniken: „Wir haben nicht nur einen Fachkräftemangel, sondern auch einen Kräftemangel – angefangen beim Reinigungsdienst.“ Peter May machte deutlich, worin der größte Unterschied zwischen dem Veränderungsprozess auf Bundes- und Landesebene liege: „Der Krankenhausplan und die Zusammenarbeit auf Landesebene ist von großem Vertrauen getragen. Das Miteinander-Reden funktioniert im Bund leider nicht.“

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Um die wirtschaftlichen Einbrüche der Krankenhäuser ging es in der Diskussionsrunde „Wie viel Geld muss und kann ein Krankenhaus verdienen?“. Dr. Axel Paeger, CEO und Vorsitzender des Vorstandes AMEOS Gruppe AG, legte den Finger in die Wunde: „Den Krankenhäusern sind in den letzten zweieinhalb Jahren inflationsbereinigt 15 Prozent der Erlöse weggebrochen. Das (aufzufangen) schafft kein Unternehmen in keiner Branche.“ Igor Levit, Geschäftsführer Finanzen (CFO) der Knappschaft Kliniken GmbH, forderte „Geld für Digitalisierung, ihre nachhaltigen Strukturen und für den Aufbau ambulanter Strukturen. Speziell dafür sind die Investitionsgelder des Landes nicht vorgesehen, sondern nur für den stationären Bereich“. Ein weiteres mögliches Problem benannte Dr. Georg Rüter, ehemaliger Geschäftsführer der katholischen Hospitalvereinigung (KHO): „Die sinkende ärztliche Produktivität wird uns in ein paar Jahren um die Ohren fliegen.“

Telemedizin als Schlüssel für Kooperationen

KGNW-Vizepräsident Sascha Klein, Geschäftsführer Klinikum Oberberg, (auf dem Foto ganz rechts) hob bei seinem Impulsvortrag des Forums „Neue Standards in der modernen ambulanten Versorgung: Ist Spitzenmedizin in der Fläche mit Telemedizin machbar?“ die Vorzüge der Telemedizin hervor: Telemedizin diene als „ein Schlüssel für Kooperationen zwischen Krankenhäusern“. Es könne auch als Modell für den niedergelassenen Bereich dienen.

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Als positive Beispiele nannte er das „Virtuelle Krankenhaus NRW“ (VKh.NRW) und Telnet@NRW. Darüber hinaus könne Telemedizin dabei helfen, die Sektorengrenzen zu überspringen. Denn sie ließe sich auch im niedergelassenen Bereich einsetzen. Sie ermögliche Konsile mit Fachärztinnen und -ärzten in Krankenhäusern. Für den flächendeckenden Ausbau telemedizinischer Angebote im ambulanten wie im stationären Bereich forderte Sascha Klein jedoch eine auskömmliche Vergütung.

Alles in allem bewährte sich der Gesundheitskongress des Westens 2024 als zentrale Veranstaltung für Entscheiderinnen und Entscheider der Gesundheitsbranche, auch über Nordrhein-Westfalen hinaus. „Unglaublich inspirierend, vom ersten Moment an“, sagte Kongressleiterin Claudia Küng. „Es ist toll, dass immer mehr kluge, engagierte Menschen mit anderen klugen, engagierten Menschen zusammenarbeiten wollen.“ Diese Zusammenarbeit sei wichtig. „Denn es kommen richtige Tsunami-Themen auf uns zu, denen wir uns nur gemeinsam stellen können.“

Im kommenden Jahr findet die Neuauflage am 14. und 15. Mai erneut in Köln statt.