31. Oktober 2022

Auf dem Weg zum klimaneutralen Krankenhaus

16. Krankenhaus-Umwelttag zeigte konkrete Maßnahmen und Visionen auf

© KGNW Die 16. Auflage des Krankenhaus-Umwelttags Nordrhein-Westfalen fand am 29. September 2022 im Rahmen der Fachmesse Krankenhaus-Technologie (FKT) im Wissenschaftspark Gelsenkirchen statt. Nach einem Arbeitstreffen des Arbeitskreises „Umweltschutz im Krankenhaus“ am Vormittag standen am Nachmittag zwei Technische Klima-Workshops mit insgesamt 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf dem Programm. Die Workshops zeigten Krankenhäusern Wege auf, zum Klimaschutz beizutragen und ihre Klimaziele zu erreichen.

Hintergrund: Die Bundesregierung hat in ihrem Klimaschutzgesetz klare Zielmarken gesetzt. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um mindestens 65 Prozent gegenüber 1990 verringert werden. Für 2040 werden 88 Prozent angepeilt, bis 2045 soll Deutschland Treibhausgasneutralität erreichen.

Die Klimaschutzziele des Bundes stellen die NRW-Krankenhäuser vor enorme Herausforderungen. Sie müssen beachtliche Investitionsmittel aufbringen, um Gebäude energetisch zu sanieren, Strom- und Wärmeversorgung auf erneuerbare Quellen umzustellen und nachhaltige Lösungen für das Raumklima einzuführen. Denn mit einem Anteil von 5,2 Prozent des bundesweiten CO₂-Ausstoßes liegt der deutsche Gesundheitssektor nur wenig hinter der Stahlindustrie mit 6 Prozent. Einen großen Teil davon verursachen die Krankenhäuser. Das beschreibt im Detail das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie in einem Gutachten für die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW). Es entwirft ein „Zielbild Klimaneutrales Krankenhaus“ mit zehn konkreten Maßnahmen und ihren Effekten auf das Klima.

„Kein Krankenhaus kann Klimaneutralität allein erreichen“

Im Technischen Workshop „Wege zum klimaneutralen Krankenhaus“ beim 16. Krankenhaus-Umwelttag Nordrhein-Westfalen stellte Friedhelm Beiteke von der KGNW die Ergebnisse und das Learning aus dem im April 2022 abgeschlossenen Projekt KLIK green vor. Mit 187 qualifizierten Klimamanagerinnen und -managern aus 252 Kliniken und einer Gesamtreduktion der Treibhausgasemissionen in Höhe von 254 000 Tonnen übertraf das Projekt seine Ziele deutlich. Die Realisierung des Klimaschutzes beruhte zu 35 Prozent auf investiven Maßnahmen, zu 65 auf gering- oder nichtinvestiven Maßnahmen. Bei der Betrachtung der erzielten Treibhausgasreduktionen ergab sich ein genau umgekehrtes Bild: 62 Prozent waren auf investive, lediglich 38 auf nicht- oder geringinvestive Maßnahmen zurückzuführen. Fest steht: Klimaneutralität ist ohne Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen nicht zu erreichen. Aus der Projektarbeit leitete das Team Forderungen an die Politik sowie Handlungsempfehlungen für die Krankenhäuser ab:

  • Klimaschutz im Krankenhaus ist eine Managementaufgabe. Die oberste Führungsebene sollte Klimaschutz als strategische Führungsaufgabe auffassen und in der Organisationsstruktur des Hauses verankern.
  • Dem Klimaschutzmanagement kommt bei der Planung und Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen eine zentrale Bedeutung zu: Es formiert ein Klimaschutzteam aus Beschäftigten aller relevanten Abteilungen, entwickelt in enger Abstimmung mit der Geschäftsführung eine Klimaschutzstrategie für sein Haus und koordiniert alle aktuellen und künftigen Klimaschutzmaßnahmen.
  • Die Position der Klimaschutzmanagerin oder des -managers sollte als Vollzeitstelle budgetiert und in der Aufbauorganisation des Krankenhauses eine Stabsstelle sein.
  • Klimaschutzinvestitionen werden im aktuellen Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht abgebildet. Dies bedarf einer dringlichen Änderung sowohl in der rechtlichen als auch der finanziellen Ausgestaltung.
  • Für Neu- und Erweiterungsbauten von Krankenhäusern sollte der Passivhausstandard in den öffentlichen Ausschreibungen zum Standard definiert werden.
  • Im öffentlichen Vergaberecht sollten Klimaschutzkriterien sowie Nachhaltigkeitskriterien gleichgewichtig zu den Kriterien der Wirtschaftlichkeit der Gebote als Vergabekriterien verankert sein.

Dipl.-Geograph Ulrich Jansen (Foto), Forschungsbereich Mobilität und Verkehrspolitik des Wuppertal Instituts, stellte dieses Zielbild vor. Darin formuliert er zehn konkrete Maßnahmen in einem Umsetzungshorizont zwischen einem Jahr und zehn Jahren:

  • Klimaschutzmanagement (3 Jahre)
  • Photovoltaik (2 Jahre)
  • Wärme- und Kälteerzeugung (5 bis 10 Jahre)
  • Gebäudehüllen (5 bis 10 Jahre)
  • LED-Beleuchtung (2 Jahre)
  • Heizungspumpen (5 Jahre)
  • Lüftungsanlagen (5 bis 10 Jahre)
  • Ohne Auto zum Krankenhaus (1 Jahr)
  • Ausbau E-Mobilität (3 Jahre)
  • Narkosegase (2 Jahre)

Das Wuppertal Institut hält es für erforderlich, Routinen aufzubrechen und erhebliche Investitionen in Infrastruktur, Gebäudesubstanz und Gebäudetechnik zu tätigen. Wichtig: „Kein Krankenhaus kann die Klimaneutralität allein erreichen.“

Meilensteine bis zur Net-Zero-Emission

Burkhard Fischer, Leiter des Referats „Qualitätsmanagement, IT und Datenanalyse“ der KGNW, präsentierte die bereits erreichten und die noch in der Zukunft liegenden Meilensteine in den Eckpunkten für ein Konzept „Klimaschutz im Krankenhaus“. Dieses basiert auf der KGNW-Initiative „Klimaneutrales Krankenhaus“. Neben dem Papier des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie analysiert ein zweites Gutachten, verfasst vom Institute for Health Care Business (hcb, Essen), die erforderlichen finanziellen Rahmenbedingungen und formuliert weitere Handlungsempfehlungen.

Zum Start der Initiative werden noch im Jahr 2022 eine Online-Erhebung zum Umsetzungsstand des Klimaschutzes in den NRW-Krankenhäusern und die eigentliche Auftaktveranstaltung zur KGNW-Initiative „Klimaneutralen Krankenhaus“ durchgeführt. Zwischen 2023 und 2025 sind insgesamt zwölf themenbezogene Fokusveranstaltungen zu konkreten Klimaschutzmaßnahmen geplant, zum Beispiel zum Klimaschutzmanagement, zu Narkosegasen oder zu Gebäudehüllen.

Nach rund zwei Jahren, etwa Anfang 2025, soll eine neue Online-Erhebung stattfinden, die den Zwischenstand zum Klimaschutz in den NRW-Krankenhäusern beschreibt und Referenzprojekte sammelt. Sogar die Vergabe eines Klimaschutzpreises ist angedacht.

Der „Climate Boost“ bis ins Jahr 2030, innerhalb dessen das systematische Klimamanagement in den Krankenhäusern startet, soll den CO2-Ausstoß auf weit unter 60 Prozent des Standes von 1990 reduzieren, im nächsten Schritt, dem Transition Net Zero zwischen 2030 und 2045, auf null senken („Net-Zero-Emission“). Nach 2045, der Nachhaltigkeitsphase der Initiative, geht es weiter: Denn dann sind alle geschaffenen Maßnahmen kontinuierlich zu erhalten und zu erneuern.

Verwertung von Abfällen schützt das Klima

Der andere Technische Klima-Workshop im Rahmen des 16. Krankenhaus-Umwelttags NRW drehte sich um das Thema „Abfallverwertung als Beitrag zur Reduzierung von Treibhausgasäquivalenten“. Seit langem bereits werden in Krankenhäusern Abfallfraktionen separat gesammelt, um diese stofflich verwerten zu können. In den vergangenen Jahren hat sich diese Situation jedoch geändert. Inzwischen lassen sich Abfälle in Form von Mengenstrom sogar zu Geld machen. Seine Bedeutung steigt zunehmend als wichtige Quelle für weltweit nachgefragte Sekundärrohstoffe wie Glas, Papier, Metalle und Kunststoffe. Ein Erzeuger, zum Beispiel ein Krankenhaus, kann sich die verwerteten Abfälle bei seiner CO2-Bilanz als Äquivalente anrechnen lassen. Damit ist ein weiterer Schritt auf dem Weg hin zum Ziel des klimaneutralen Krankenhauses getan. Als einer der Referenten präsentierte André Alter von Remondis medison beispielsweise „Möglichkeiten zur stofflichen Verwertung von Krankenhausabfällen (Metalle und Rest aus Autoklavierungsabfällen)“. Sein Unternehmen, einer der Aussteller der Fachmesse Krankenhaus-Technologie, hat sich auf medizinische Abfallentsorgung spezialisiert – gerade im Krankenhaus als Erzeuger und Besitzer von Abfällen ein komplexer Prozess mit zahlreichen gesetzlichen Pflichten auf Länder- und europäischer Ebene. Die Verwertung von Abfällen könnte ein weiterer Mosaikstein sein, um das Ziel eines klimaneutralen Krankenhauses zu erreichen.