25. Mai 2022
Klimaschutz ist Chefsache
Interview mit Friedhelm Beiteke von der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) zum Projektende von „KLIK green“ und Klimaschutz im Krankenhaus
Können Sie uns das Projekt „KLIK green“ kurz erklären?
Beiteke: Ja, gerne. „KLIK green“ qualifiziert Fachkräfte der Krankenhäuser in Workshops und Schulungen zu Klimamanagerinnen und Klimamanagern. Damit können sie künftig gezielt konkrete Klimaschutzziele für die Einrichtungen erarbeiten sowie Maßnahmen planen und umsetzen. Bei der Durchführung von Schulungen und Workshops treten wir unterstützend auf. Das Projekt fördert weiterhin den Austausch unter den Klimamanagerinnen und -managern verschiedener Einrichtungen. Das angehende Klimamanagement eines Krankenhauses knüpft so ein Netzwerk innerhalb des eigenen Hauses und außerhalb durch den Austausch im „KLIK green“-Netzwerk.
Welches Ziel wurde mit „KLIK green“ verfolgt? Und wurde das Ziel erreicht?
Beiteke: Das Ziel von „KLIK green“ lautete, 100.000 Tonnen CO2-Äquivalente in 250 Krankenhäusern und Reha-Kliniken deutschlandweit zu vermeiden. Heute können wir bilanzieren: Wir haben deutlich mehr erreicht. Von den rund 1.640 „KLIK green“-Klimaschutzmaßnahmen sind viele abgeschlossen und implementiert, andere sind noch in der Planungs- oder Umsetzungsphase. Über die gesamte Wirkdauer der Maßnahmen wird „KLIK green“ mehr als 200.000 Tonnen CO2-Äquivalente einsparen. Zur Einordnung: Das entspricht den Emissionen von rund 40.000 Hin- und Rückflügen von Deutschland auf die Malediven. Das ist ein wirklich gutes Ergebnis. Insgesamt 187 Krankenhausbeschäftigte ließen sich bundesweit seit Projektstart im Mai 2019 zu Klimamanagerinnen und Klimamanagern ausbilden. Mit 64 beteiligten Einrichtungen waren die NRW-Kliniken am stärksten vertreten – das ist jedes fünfte Krankenhaus.
In welchen Bereichen setzen die Klimamanagerinnen und Klimamanager Maßnahmen in den Krankenhäusern um?
Beiteke: Den Krankenhäusern bieten sich durch „KLIK green“ zahlreiche Möglichkeiten, aktiv zum Klimaschutz beizutragen. Es geht immer darum, die CO2-Emissionen in den beteiligten Häusern zu verringern. Neben der Energie sind hier beispielsweise die Bereiche Bautechnik, Einkauf, IT, Logistik, Abfallmanagement, Speisenversorgung, E-Mobilität sowie die Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihren Verhaltensweisen im Hinblick auf das Energiesparen betroffen.
Können Sie Maßnahmen nennen, die sich als besonders effektiv herausgestellt haben?
Beiteke: Der größte Faktor beim Thema Klimaneutralität der Krankenhäuser ist die Energieversorgung. Heute betreiben viele Kliniken eigene fossil befeuerte Blockheizkraftwerke, die langfristig zum Beispiel auf Biogas umgestellt werden müssen. Eine weitere Alternative liegt in der Fernwärme aus Industrieanlagen. Langfristig können auch Wasserstoff-Brennstoffzellen eine Rolle spielen. Im Bereich Energiesparen liegt großes Potenzial, um die Emission von klimaschädlichen Treibhausgasen zu verhindern. Das fängt schon damit an, dass ineffiziente Leuchtmittel durch LED-Beleuchtung ersetzt werden. Auch die Anpassung des Verbrauchsmanagements von OP-Sälen, die nicht rund um die Uhr besetzt sind, kann Energie einsparen. Gerade die Umstellung auf klimafreundliche Energiequellen lässt sich auch wirtschaftlich darstellen. Es lohnt sich finanziell, weniger Energie zu verbrauchen und so die Betriebskosten zu senken. Den Häusern fehlen aber die finanziellen Mittel, die dafür erforderlichen Investitionen zu stemmen.
Gleiches gilt für bauliche Maßnahmen: ein weiteres sehr effizientes Handlungsfeld für die Krankenhäuser auf dem Weg zur Klimaneutralität. Aber die energetische Sanierung der Gebäude erfordert sehr hohe Investitionen. Das gilt auch, wenn höhere Standards bei der Wärmedämmung von Neubauten erreicht werden sollen. Wenn solche Maßnahmen nicht gefördert werden, haben die Träger keine Chance sie umzusetzen.
Beachtenswert sind auch die Treibhauswirkungen von Narkosegasen wie „Desfluran“, das 2.540-fach klimaschädlicher als CO2 ist. Der Einsatz alternativer Anästhetika kann den CO2-Fußabdruck der Krankenhäuser enorm verringern – ohne dass zusätzliche Kosten entstehen. Aber auch die Wiedergewinnung von Narkosegasen gewinnt an Bedeutung. Dabei wird das während einer Operation eingesetzten Gas in mobilen Filteranlagen aufgefangen und geht dann zur Aufarbeitung zurück zum Hersteller.
Das heißt: Eines der größten Hindernisse bei den Klimaschutzmaßnahmen sind finanzielle Beschränkungen?
Beiteke: Generell können wir feststellen: Klimaneutralität braucht Investitionen. Die Maßnahmen lassen sich nicht ohne Investitionen umsetzen.
„KLIK green“ stellt selbst keine Fördermittel zur Verfügung, unterstützt aber bei der Fördermittelrecherche. 72 Maßnahmen sind bundesweit unter Verwendung der Fördermittel aus den Töpfen der Nationalen Klimaschutzinitiative realisiert worden. Daher konzentrierten sich die Maßnahmen vor allem auf diejenigen Einsparmaßnahmen, die keine zusätzlichen finanziellen Mittel erfordern oder nur geringe Investitionen beanspruchen. Insgesamt 27 Prozent der Klimaschutzmaßnahmen waren „nicht investiv“, 38 Prozent nur „gering investiv“. Die größte Absenkung von Treibhausgas-Emissionen, 62 Prozent, wurde allerdings mit „investiven“ Maßnahmen erreicht. Um Klimaneutralität in den Kliniken bis 2045 zu erreichen, sind also sind investive, überwiegend hoch investive Maßnahmen unumgänglich.
Es braucht den Einsatz der Länder, die ja für die Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser zuständig sind. Aber auch die Krankenkassen sind gefragt, wenn Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden, dadurch aber die Betriebskosten steigen. Wenn zum Beispiel die Speiseversorgung auf regionale, gegebenenfalls sogar biologisch angebaute Produkte umgestellt wird, ist der Wechsel selbst gering investiv. Die Produkte verursachen aber höhere Betriebskosten. Im Bereich Mobilität kommt es zusätzlich auf die Kommunen an. Denn: Nur wenn das Haus mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist, können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren täglichen Arbeitsweg mit Bus und Bahn bestreiten oder Angehörige für ihren Besuch bei Patientinnen und Patienten auf das Auto verzichten.
Was sind die wichtigsten Lehren aus dem Projekt für die Krankenhäuser?
Beiteke: Eine der wichtigsten Erfahrungen aus dem Projekt ist: Klimaschutz muss als Führungsaufgabe verstanden werden. Die Krankenhausleitung muss den Klimaschutz als strategische Aufgabe wahrnehmen und umsetzen. Wenn wir Klimaneutralität erreichen wollen, dann braucht jedes Krankenhaus eine Klimaschutz-Strategie, die wiederum in der Gesamtunternehmensstrategie verankert sein muss. Die Geschäftsführung und der gesamte Führungskreis müssen zusammen aktiv mitwirken. Dazu gehört auch, dass die Leitung eines Krankenhauses sich immer wieder direkt mit den Klimamanagerinnen und Klimamanagern austauscht. Die Maßnahmen geraten sonst ins Stocken.
„KLIK green“ ist Ende April 2022 ausgelaufen? Wie geht es weiter?
Beiteke: Der Klimaschutz endet nicht mit „KLIK green“. Wir haben viel erreicht, stehen aber noch am Anfang des Weges hin zur Klimaneutralität. Auch nach Ende der Projektlaufzeit werden der BUND und die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen das Thema weiterverfolgen und die Klimamanagerinnen und Klimamanager weiterhin begleiten. Konkret bedeutet das: Wir werden auch zukünftig Schulungen und Weiterbildungen anbieten. Die wichtige Netzwerkarbeit in verschiedenen Austauschformaten hört also nicht auf und wird über das Projektende hinaus fortgesetzt. Auch das Informationsmaterial, das während des Projektes zusammengetragen wurde, bleibt über die Webseite zugänglich. Ein Konzept liegt bereits vor. Das langfristige Ziel, Klimaschutz im gesamten Gesundheitswesen zu fördern und dort als Berufsfeld zu etablieren, bleibt damit über „KLIK green“ hinaus bestehen.