21. Juli 2014

Die 10 zentralen Ergebnisse des Mengengutachtens

Die Ergebnisse des Forschungsauftrages zur Leistungsentwicklung in der stationären Versorgung wurden am 10.07.2014 veröffentlicht. Aus Krankenhaussicht stellen diese 10 Punkte die wesentlichen Ergebnisse dar:

  • Mit einem Zuwachs von 7,8 % war die Fallzahlentwicklung in der stationären Versorgung bei den DRG-vergüteten Fällen im Beobachtungszeitraum 2007 bis 2012 nicht auffällig hoch. Sie lag im Durchschnitt der Entwicklung der vergangenen 20 Jahre. Auch die Ausgabenentwicklung im Krankenhausbereich lag mit 22,4 % innerhalb der 5 Jahre im Rahmen der GKV-Ausgabenentwicklung mit 20 %.
  • Die Gutachter bestätigen mit dem internationalen Vergleich des Leistungsgeschehens die hohe Leistungsfähigkeit der deutschen Krankenhäuser und die gute Versorgung, die den Bundesbürgern im Vergleich zu anderen Ländern zur Verfügung steht. Dass in Deutschland die Zahl der Hüft-, Herz-, Rückenoperationen höher als in vielen anderen Ländern der OECD oder der EU liegt, ist nicht verwunderlich. Relevante Vergleichsländer wie die USA und die Schweiz weisen ähnliche Raten auf. Dies ist Ausdruck der besonderen Leistungsfähigkeit, aber auch der Qualität und des Vertrauens der Patienten in die Qualität der Krankenhäuser, sowie der weitgehend selbstbeteiligungsfreien Verfügbarkeit der Leistungen für die Versicherten.
  • Entgegen weit verbreiteter Interpretationen ist darauf hinzuweisen, dass bei endoprothetischen Hüft- und Kniegelenkoperationen in den letzten drei Jahren keine wesentlichen Fallzahlsteigerungen zu beobachten sind. Bei Rückenoperationen sind ebenfalls keine wesentlichen Steigerungen zu beobachten. Hier kommt es allerdings zur vermehrten Anwendung neuer Operationstechniken, die – weil fortschrittlich – dann auch höhere Zuwachsraten aufweisen. Grundsätzlich allerdings ist zu berücksichtigen, dass lediglich ca. 0,3 % der Rückenschmerzpatienten operiert werden.
  • In dem Gutachten wird festgestellt, dass die Leistungszuwächse global stattfinden, d. h. in allen Leistungsbereichen (Notfallbehandlungen, planbare Behandlungen, konservative und operative Leistungsbereiche) zu beobachten sind. Dass planbare Leistungen nicht am Wochenende erbracht werden, sondern möglichst innerhalb des ordentlichen Dienstplanes, ist eine Selbstverständlichkeit, dient der Patientensicherheit und kann nicht als Indikator für medizinisch nicht notwendige Leistungen bewertet werden.
  • Die grundsätzliche Frage, ob Krankenhäuser nicht medizinisch notwendige Leistungen erbringen und ob diese Leistungen aufgrund finanzieller Anreize erbracht werden, wird mit diesem Gutachten besonders ausführlich untersucht. Dabei sind wesentliche medizinische Begründungsfaktoren wie der medizinische Fortschritt, Demographie, veränderte Lebensgewohnheiten und Erwartungen der Menschen an das Gesundheitswesen, Unzulänglichkeiten in der ambulanten Versorgung – alles Faktoren, die medizinische Leistungsentwicklungen begründen – nicht in die vertiefte Analyse eingegangen. Der Zusammenhang zwischen veränderten Bewertungsrelationen und Leistungsentwicklungen wurde dagegen vertieft analysiert. Der statistische Anhang mit 16.000 Seiten macht dies mehr als deutlich. Als Ergebnis ist herausgekommen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Anstieg kalkulierter Bewertungsrelationen und dem Anstieg von Leistungen, die medizinisch unbegründbar wären, nicht festgestellt werden kann.
  • Sofern rein statistisch zu beobachten ist, dass höher bewertete Leistungen mit Fallzahlzuwächsen einhergehen, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass es sich um vergütungsinduzierte Leistungszuwächse handelt. Vielmehr muss berücksichtigt werden, was die Ursachen für Höherbewertungen von Fallpauschalen sind. Für die Fallpauschalen werden jedes Jahr neue Kostenerhebungen durchgeführt. Ein Anstieg der Bewertungen ergibt sich in der Systematik des relativen Bewertungssystems nur, wenn spezifische Kostenkomponenten einer Leistung gestiegen sind. Es gibt a priori keinen Grund, weshalb Kliniken bei nachgewiesen höheren Kosten medizinisch nicht notwendige Leistungssteigerungen bewirken sollten. Richtig ist allerdings, dass höhere Bewertungsrelationen in der Regel mit medizinischen Fortschrittseffekten verbunden sind, die in Form von kostenintensiveren Medikationen, Operationsverfahren oder Medikalprodukten zum Tragen kommen.

    Der damit möglicherweise verbundene Zuwachs der Leistungen ist nicht eine Folge der höheren Bewertungen, sondern auf die Adaption des medizinischen Fortschritts zurückzuführen, der im Zeitverlauf verbreitet Eingang in das System findet. Deshalb sind Beobachtungen über Fallzahlzuwächse im Kontext mit höher bewerteten Leistungen sehr gut durch das medizinische Leistungsgeschehen erklärbar. Daraus den Schluss zu ziehen, dass Krankenhäuser aus „Profitgier“ medizinisch nicht notwendige Leistungen erbrächten, ist in keiner Weise gerechtfertigt. Die Gutachter selbst machen deutlich, dass die medizinische Notwendigkeit der erbrachten Leistungen aus ihren Beobachtungen nicht in Frage gestellt werden kann.
  • In ihren Empfehlungen zur qualitätsorientierten Leistungssteuerung der Krankenhausversorgung beziehen die Gutachter Stellung zu vielen der im Koalitionsvertrag bereits aufgezeigten Überlegungen zur Weiterentwicklung des Systems. Eine Ableitung aus der wissenschaftlichen Analyse ist dabei vielfach nicht zu erkennen. Es werden sowohl krankenhaus- als auch krankenkassenseitig präferierte Positionen angesprochen. Aus Krankenhaussicht grundsätzlich positiv zu vermerken ist, dass die Gutachter eher skeptisch im Hinblick auf P4P-Strategien sind. Im Gutachten werden auch keinerlei Empfehlungen zum Abschluss von Selektivverträgen zur Steuerung des Leistungsspektrums der Krankenhäuser abgegeben.
  • Mit dem Vorschlag, das System stärker zu pauschalieren, weniger Prozeduren zu berücksichtigen oder zwischen konservativer und operativer Behandlung von Rückenleiden überhaupt nicht mehr zu unterscheiden, würde das System deutlich vom leistungsorientierten Ansatz weggeführt. Eine stärkere Pauschalierung und die Nichtberücksichtigung des Kostenaufwandes verschiedener Behandlungsstrategien würde die Anfälligkeit des Vergütungssystems deutlich erhöhen. Es liegt auf der Hand, dass eine Fallpauschale, die sowohl konservative, d. h. im wesentlichen schmerztherapeutische und physiotherapeutische Behandlungskonzepte, und höchst aufwendige Operationstechniken am Rücken mit einem Durchschnittspreis zusammenführt, im Ergebnis zu Leistungssteuerungen führt, die für fortschrittliche Therapien wenig Raum lassen, gleichzeitig aber konservative Therapien deutlich übervergüten würden. Dies würde sehr schnell zur erneuten Kritik an überbezahlten Leistungen führen.
  • Die Gutachter empfehlen eine stärkere Berücksichtigung von Vorhaltekosten neben der fallbezogenen Vergütung durch eine Grundversorgungspauschale für ländliche Krankenhäuser und eine Komplexleistungspauschale für Maximalversorger sowie eine abgestufte Pauschale für die Notfallversorgung, die jeweils unabhängig vom Fallvolumen gewährt werden soll. Darüber hinaus schlagen sie eine automatisierte Anpassung der Landesbasisfallwerte an eine krankenhaus-spezifische Preisentwicklung vor. Das sind Vorschläge, die an den derzeitigen systemischen Schwächen des Finanzierungssystems ansetzen und in die Diskussion zur Weiterentwicklung des ordnungspolitischen Finanzierungsrahmens Eingang finden sollten.
  • Die Selbstverwaltungspartner stimmen grundsätzlich überein, dass die Beteiligung von Krankenhäusern an der jährlichen Kalkulation nicht auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Stichprobe erfolgt. Deshalb hat man sich auf ergänzende Korrekturverfahren bereits im letzten Jahr verständigt. Nur auf der Basis einer freiwilligen Teilnahme kann die bestehende hohe Datenqualität garantiert werden. Die Behauptung des GKV-Spitzenverbandes, Krankenhäuser würden aus ökonomischen Gründen Leistungen erbringen, ist allerdings höchst widersprüchlich. Der GKV-Spitzenverband hat bei der jährlichen Abnahme des Katalogs Leistungen, die zu hoch vergütet wären, bisher nicht benannt.

Ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass die Deutsche Krankenhausgesellschaft kein Interesse an überbewerteten Leistungen hat. Aus der Systematik der Bewertungsrelationen und des Kalkulationsverfahren führen überbewertete Leistungen an anderer Stelle zu unterbewerteten Leistungen. Das gemeinsame Interesse von Krankenkassen und Krankenhäusern muss die richtige und faire Leistungsbewertung sein. Dies ist das Ziel der jährlichen Kalkulationen sowie der stetigen Weiterentwicklung der Kalkulationsmethode und wird ergänzt durch sehr differenzierte, gemeinsam vereinbarte Abrechnungsbestimmungen. In diesem Zusammenhang ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Gutachter feststellen, dass die Erlöse pro Krankenhausfall verglichen mit anderen Ländern bei vielen Leistungen häufig im Mittelfeld liegen und dass es auffällig ist, dass bei Fallkonstellationen wie PTCA, Bypass- und Hüft-TEP nur noch Slowenien und Israel geringere Preise aufweisen.