21. Oktober 2013
WDR-Magazin WESTPOL berichtet über "Irreführender Krankenhaus-Navigator?"
Das WDR-Magazin WESTPOL hat in seiner Sendung vom 20. Oktober 2013 einen Bericht zum Thema "Irreführender Krankenhaus-Navigator?" gezeigt. Hier können Sie sich den Beitrag erneut anschauen und den Text dazu nachlesen:
Hier der gesprochene Text des Beitrags:
Vor einer wichtigen Operation stellt sich die Frage: Welches ist das beste Krankenhaus für den geplanten Eingriff? Helfen können Krankenhausvergleiche im Internet, wie das der AOK. Doch gerade dieses Angebot steht nun in der Kritik.
Die Patienten wollen Spitzenmedizin - fürchten Ärztepfusch, gefährliche Krankenhauskeime und überlastetest Personal. Aber wie findet man das richtige Krankenhaus? Die AOK verspricht Hilfe - mit einem Kliniknavigator im Internet. Für jede Krankheit bietet er eine simple Bewertung der Krankenhäuser: Ein Bäumchen, zwei oder drei stehen für schlechte, mittlere oder gute Qualität. Das Besondere: Die AOK betrachtet nicht nur die Qualität in der Klinik. "Darüber hinaus kommt hinzu, dass hier nicht nur die Behandlungsqualität während des Krankenhausaufenthaltes in den Blick genommen wird, sondern auch bis zu einem Jahr nach Entlassung aus dem Krankenhaus, also hier die Behandlungsqualität über einen sehr langen Zeitraum gemessen werden kann. Das macht das Ergebnis einzigartig", findet Jürgen Klauber vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO).
Klinik klagt gegen den Navigator
Die Rückfallquote, das ist ein wichtiger Maßstab, auch für das Kreiskrankenhaus in Gummersbach. Die Klinik ist auf Schmerztherapie spezialisiert, hat unter anderem ein Tumorzentrum und ein Schlaganfallzentrum - und bekam trotzdem nur zwei Bäumchen. "Eine mögliche Fehlerquelle ist, dass der Patient, der eine Knieprothese bekommen hat, nach der stationären Entlassung bei einem Autounfall verstirbt. Dann kann es passieren, dass dieser Todesfall der Knieprothese zugerechnet wird, obwohl der an einem Autounfall verstorben ist", erläutert Prof. Walter Schäfer, Chefarzt des Kreiskrankenhauses Gummersbach. "Solche Unschärfen müssen wir da herausbekommen." Denn das sorge für schlechte Noten in der Bewertung. Deshalb klagt die Klinik gegen die AOK, will den Navigator aus dem Netz nehmen. Doch die Kasse nennt ihre Methode wissenschaftlich. Andere Häuser hätten damit kein Problem.
Doch merkwürdig: Hundertprozentig überzeugt von ihren Berechnungen scheint die AOK nicht zu sein. WESTPOL liegt ein Schreiben vor, das die Kasse vor Gericht selbst vorgelegt hat. Darin heißt es: "... statistisch signifikante Qualitätsunterschiede zwischen zwei Krankenhäusern aufzudecken ... ist von vornherein wenig aussichtsreich."
Qualitätsunterschiede nicht feststellbar?
Ist die Rangliste eine Mogelpackung? Professor Stausberg ist Medizin-Informatiker, beschäftigt sich seit Jahren mit Qualitätsbewertungen auf statistischer Basis und hat auch die AOK-Bewertungsmethode untersucht. Sein Ergebnis fällt eindeutig aus: "Die Bewertung in diese drei Gruppen gute Qualität, durchschnittliche Qualität und schlechte Qualität unterstellt Unterschiede in der Qualität zwischen den Krankenhäusern, die wissenschaftlich aus den Zahlen nicht ableitbar sind", erklärt Stausberg. Sprich: Qualitätsunterschiede zwischen einzelnen Häusern kann die AOK nicht sicher feststellen - und doch verteilt sie im Internet Qualitätsbäumchen.
Und noch eins stört nicht nur die Klinik in Gummersbach: "Wenn wir selber nachprüfen und die offiziellen Qualitätsdaten sehen, dann werden die Krankenhäuser teilweise sehr gut bewertet und angeblich bei der AOK schlecht. Wenn man dann fragt, wo sind wir denn schlecht, dann bekommen wir gesagt: Das sagen wir nicht. Das ist Datenschutz", kritisiert Joachim Finklenburg von der Krankenhausgesellschaft NRW.
"Es geht nur um Geld für die AOK."
Hat die AOK etwas zu verbergen? Auffällig ist: Kleine Krankenhäuser schneiden in der Regel schlechter ab als große. Wer den Navigator nutzt, wird also eher ein großes Haus wählen. So kann man die Patienten in bestimmte Häuser lotsen - große Kliniken gut auslasten, kleine in Probleme bringen. Genau das ist gewollt, sagt die Krankenhausgesellschaft NRW und erhebt einen schweren Vorwurf. "Ich vermute, die AOK möchte Patientenströme umlenken in für sie genehme Krankenhäuser. Sie möchte wirtschaftliche Vorteile verhandeln, die aber nicht berechtigt sind. Ich glaube, das ist das große Problem, dass es nicht um Qualität geht", so Joachim Finklenburg. "Es geht nur um Geld für die AOK." Dem widerspricht Jürgen Klauber vom Wissenschaftlichen Institut der AOK: "Wenn jetzt heute einzelne Krankenhäuser das diskreditieren oder versuchen, das System zu diskreditieren, dann richtet sich das aus unserer Sicht vor allen Dingen gegen den Transparenzanspruch des Patienten."
Politisches Instrument - oder Hilfe für Patienten?
Wer hat recht? Unstrittig ist: Die AOK dringt seit Jahren darauf, in NRW Betten abzubauen. Viele kleine Häuser mussten bereits schließen. Schlecht für die Patienten, gut für die Kasse, denn weniger Betten, das heißt weniger Operationen und geringere Kosten. Macht die AOK mit dem Navigator also Politik? "Es gibt Papiere, in denen durchschimmert, dass die AOK ihre Daten auch als Vorstufe dazu verwenden will, um Krankenhäuser aus der Versorgung herauszunehmen", erläutert der Gesundheitspolitiker Rudolf Henke (CDU). "Das ist natürlich eine Entscheidung, die nach unserem Krankenhausrecht die Krankenhausplanung der Bundesländer zu treffen hat. Und deswegen gehört das in die Gremien der Krankenhausplanung und eigentlich nicht vom grünen Tisch der Krankenkasse her entschieden."
Ist der Kliniknavigator also in Wirklichkeit ein politisches Instrument auf der Basis zweifelhafter Daten - oder tatsächlich eine Hilfe für Patienten? Entschieden wird das jetzt vor Gericht.
Quelle: http://www.wdr.de/tv/westpol/sendungsbeitraege/2013/1020/krankenhaus-navigator.jsp