12. Dezember 2006
Hochwertige Krankenhausversorgung in Gefahr
12. Dezember 2006 Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, hat heute in einem Pressegespräch nachdrücklich an die Bundesländer appelliert, am Freitag im Bundesrat bei der Gesundheitsreform gegen die 500 Millionen Euro Sonderabgabe der Kliniken zu stimmen.
„Die Länder haben den Sicherstellungsauftrag für die stationäre Versorgung und kennen die schwierige finanzielle Lage der Kliniken. Sie werden nicht zulassen, dass den Kliniken, deren Investitionen aus Steuermitteln der Länder aufzubringen sind, eine halbe Milliarde Euro entzogen werden, um den Bundeshaushalt zu konsolidieren. Auch gibt es massive verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Sanierungsbeitrag, die endlich ernst genommen werden sollten. Wenn der Bundespräsident die Belastungen der Kommunen in anderen Bereichen nicht akzeptiert, dann sollte dies auch für die Belastungen der Krankenhäuser, die vielfach als kommunale Betriebe geführt werden, gelten.“ Insgesamt enthalte das Gesetzespaket sehr viele konzeptionelle wie auch rechtstechnisch-handwerklich unausgereifte Positionen, die noch dazu ordnungspolitisch in die falsche Richtung eines zentralistischen staatsgelenkten Gesundheitswesens führten.
Der DKG-Hauptgeschäftsführer: „Die Bundesländer sollten am Freitag mit einem Veto den notwendigen umfassenden Nachbesserungsprozess zu einer Gesundheitsreform anstoßen und die Perspektiven für ein modernes – Innovationen und Wachstum förderndes – Gesundheitswesen geben. Der Sanierungsbeitrag der Kliniken entbehrt jeder sachlichen Rechtfertigung. Bei insgesamt sprudelnden Krankenkassen- und Steuereinnahmen kann die Bundesregierung ehrlicherweise längst nicht mehr an ihrer alten Argumentation eines Sanierungsbeitrages für die GKV festhalten. Inzwischen ist für jedermann klar, dass über die Kliniken im kommenden Jahr eine beispiellose Kostenlawine hinwegrollt. Allein die Tarifabschlüsse, die Mehrwertsteuererhöhung, das Arbeitszeitgesetz und massiv gestiegene Energiekosten führen zu einem Kostenschub von mehr als 5 Prozent. Gleichzeitig müssen die Kliniken für 2007 mit der vom Gesetzgeber eng vorgegebenen Zuwachsrate von nur 0,28 Prozent (West) und 1,05 Prozent (Ost) auskommen. Hinzu kommt, dass die Krankenhäuser infolge der Nachwirkung des Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetzes (AVWG) im Jahr 2007 rund 330 Millionen Euro Einsparungen für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erbringen müssen.“ Dies alles führe zu massiven Belastungen in den Krankenhäusern, die den Abbau von Arbeitsplätzen beschleunigten. Die Auswirkungen für Patienten und Mitarbeiter würden sich weiter verschärfen. Schon heute hätten mehr als ein Drittel der Kliniken einen Notlagentarifvertrag. Flächendeckende, hochwertige Krankenhausversorgung in Deutschland sei unter diesen Bedingungen mittelfristig nicht mehr aufrecht zu halten. Baum: „So werden aus gesunden Krankenhäusern kranke Häuser.“
Dass mittlerweile selbst gut geführte Krankenhäuser kaum noch Möglichkeiten hätten, Finanzierungslücken ohne Leistungseinschnitte zu schließen, machte Wolfram Firnhaber, Verwaltungsleiter des städtischen Klinikums Memmingen, deutlich. Nach mehr als 30 Jahren schuldenfreien Wirtschaftens werde im Jahr 2007 erstmalig ein zwangsläufiger Verlust geschrieben. Diese Entwicklung zeige um so deutlicher, dass auch die Krankenhäuser, die durch enorme Effizienzsteigerungen in den letzten Jahren Überschüsse erzielt hätten, nun vor den drastischen Belastungen der Reform kapitulieren müssten. Firnhaber: „Das Klinikum Memmingen hat seine Hausaufgaben gemacht. Es gibt hier nichts mehr einzusparen!“
Rüdiger Strehl, Kaufmännischer Direktor des Universitätsklinikums Tübingen, wies darauf hin, dass allein den Unikliniken im kommenden Jahr 10-15 Prozent Budgetkürzungen drohten. Diese in der Bundesrepublik Deutschland bisher beispiellose Kumulation von Belastungen sei das Ergebnis einer fehlenden politischen Gesamtschau. Gesundheits-, Tarif- und Steuerpolitik seien nicht koordiniert. „Es bleiben nur noch zwei große Einsparoptionen: Personalabbau im Bereich der Pflege und des ärztlichen Diensts sowie die Standardisierung der Behandlung auch schwerstkranker Patienten auf deutlich niedrigerem Niveau als bisher“, betonte Strehl.
Dr. Josef Düllings, Hauptgeschäftsführer der in katholischer Trägerschaft geführten Einrichtungen St. Vincenz-Krankenhaus GmbH Paderborn und St.-Josefs-Krankenhaus gGmbH Salzkotten, wies mit Nachdruck darauf hin, dass die Sonderbelastungen für die Einrichtungen im wesentlichen aus gesetzlichen Vorgaben herrühren: „Eine Kompensation der Sonderbelastungen ist nur durch Verwendung von Mitteln, die eigentlich für Investitionen vorgesehen waren, möglich. Gleichzeitig sind wir gezwungen, geplante Instandhaltungsmaßnahmen zunächst auszusetzen.“
Horst Defren, Geschäftsführer der Evangelischen Huyssens-Stiftung/Kliniken Essen-Mitte, warnte vor Wartelisten und empfindlichen Kürzungen von Leistungen für die Patienten. Auf rund drei Millionen Euro bezifferte Defren die zusätzlichen Belastungen des Klinikums Essen-Mitte allein für das Jahr 2007, wenn die Gesundheitsreform Wirklichkeit würde. „Dieser immense Kostendruck muss letztlich kompensiert werden“, so Defren. Neben der Überprüfung des Einsatzes teurer Diagnostik- und Therapieverfahren müsse darüber nachgedacht werden, frei werdende Stellen generell nicht neu zu besetzen.