21. August 2006

Tarifabschluss zwischen VKA und Marburger Bund

21. August 2006 - Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und der Marburger Bund haben sich am 17.08.2006 auf ein Eckpunktepapier für einen „Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern“ geeinigt. Damit ist der Tarifkonflikt an den kommunalen Krankenhäusern beendet.

Der Gesamtabschluss enthält viele Parallelen zu dem Abschluss zwischen der TDL und dem Marburger Bund (TV-L). Die Mitgliederversammlung der VKA hat in ihrer Sitzung vom 18. August 2006 dem Tarifabschluss mit dem Marburger Bund zugestimmt. Bei der Ärztegewerkschaft bedarf es noch der Zustimmung der Großen Tarifkommission und der Mitglieder des Marburger Bundes, die zur Urabstimmung aufgerufen werden.
Die 10 bis 13 Prozent mehr Gehalt als es der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) vorsah, werden zu ganz erheblichen Mehrbelastungen für die kommunalen Krankenhäuser in NRW führen. Nach Berechnungen der KGNW muss jedes der 90 kommunalen Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen allein durch den Tarifabschluss zwischen VKA und Marburger Bund Mehrkosten von durchschnittlich 1 Million Euro jährlich tragen. Einen solch gewaltigen außerordentlichen Kostenschub können – aufgrund der ohnehin schon dramatischen Finanzlage – viele Kliniken nicht verkraften.

Ebenso wenig kann ein Krankenhaus wie in anderen Branchen die Preise für seine Dienstleistungen erhöhen. Die Refinanzierung über die Vergütungen der Krankenkassen ist nicht möglich, da Gehaltssteigerungen nicht in die Krankenhaus-Fallpauschalen einfließen. Insgesamt erhalten die 456 nordrhein-westfälischen Krankenhäuser (317 freigemeinnützige/ 90 öffentliche/ 49 private) durch die gesetzlich festgelegte Veränderungsrate von 0,63 Prozent zusammen nur etwa 69 Mio. Euro zusätzliche finanzielle Mittel von den Kassen. Das bedeutet einen Budgetzuwachs von lediglich 0,15 Mio. Euro pro Krankenhaus in NRW.

Nachfolgend ein kurzer Überblick über die Einzelheiten des Tarifabschlusses:

• In-Kraft-Treten
Der Tarifvertrag soll zum 01.08.2006 rückwirkend in Kraft treten. Er ist frühestens zum
31.12.2006, die Entgelttabelle frühestens zum 31.12.2007 kündbar.

• Wochenarbeitszeit
Die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit wird auf 40 Stunden festgesetzt.

• Entgelttabelle
Es wird eine vollständig neue Entgelttabelle vereinbart, die systematisch dem TV-L entspricht.
Das Grundentgelt wird im Vergleich zum TVöD erheblich gesteigert, wobei die Entgeltsteigerung etwas hinter dem TV-L zurückbleibt. Die Steigerungen fallen für den Assistenzarztbereich am geringsten aus. Für Oberärzte wird die Möglichkeit einer außertariflichen Bezahlung eröffnet. Die Ärzte erhalten weder eine Jahresonderzahlung noch ein zusätzliches Leistungsentgelt. Das Jahressonderentgelt für 2006 wird anteilig ausgezahlt.

• Überleitungsregelung
Zu beachten sind die Überleitungsregelungen. Bei den Ärzten wird auf ihren bisherigen Tarifstatus ein „erhöhter Bestandschutz“ gewährleistet. Soweit Ärzte derzeit ein Vergleichsentgelt nach TVöD erhalten, wird das Vergleichsentgelt nach TVöD pauschal um 5 % erhöht, bevor eine Stufenzuordnung nach dem neuem Tarifvertrag erfolgt. Übersteigt dieses erhöhte TVöD-Vergleichsentgelt das Entgelt der zutreffenden Stufe nach dem neuen Tarifvertrag, bekommen die Ärzte eine entsprechende individuelle Zwischenstufe im neuen Tarifsystem. Außerdem werden in das Vergleichsentgelt nach TVöD erhöhend noch fiktiv Bewährungs- und Fallgruppenaufstiege nach BAT bis zum 31.07.2006 eingerechnet.

• Vergütung der Bereitschaftsdienste
Künftig gibt es drei Bereitschaftsdienststufen, die bisherige Bereitschaftsdienststufe A wird abgeschafft. Die Bezahlung der Bereitschaftsdienste wird deutlich angehoben, am stärksten in den früheren Stufen A und B. Der Anstieg fällt im Assistenzarztbereich niedriger aus als im Facharztbereich.













Stufe TVöD
Stufe neu
Bewertung als Arbeitszeit
A
I
60%
B
I
60%
C
II
75%
D
III
90%

Stundenentgelt: z.B. Assistenzarzt: 22,30 Euro, Facharzt: 27,10 Euro.

• Vergütung der Rufbereitschaftsdienste
Die Vergütung der Rufbereitschaft knüpft an die Systematik des TVöD an, es wird aber jede einzelne Inanspruchnahme innerhalb der Rufbereitschaft auf eine volle Stunden gerundet.

• Tägliche Arbeitszeit
Der Tarifvertrag lässt Schichten mit 12 Stunden Volldienst (maximal 4 in Folge) zu. In Zusammenhang mit Bereitschaftsdiensten sind folgende Verlängerungen der täglichen Arbeitszeit zugelassen: Nach Prüfung alternativer Arbeitszeitmodelle, einer Belastungsanalyse und ggf. Ergreifung daraus resultierender Maßnahmen kann die tägliche Arbeitszeit verlängert werden

- bei Bereitschaftsdienst der Stufen I oder II: auf 24 Stunden kraft Tarifvertrag
- bei Bereitschaftsdienst der Stufe III: auf 18 Stunden kraft Tarifvertrag
- bei Bereitschaftsdienst der Stufe III: auf 24 Stunden, falls eine Betriebs-/Dienstvereinbarung
abgeschlossen ist

wenn mindestens die 8 Stunden überschreitende Zeit als Bereitschaftsdienst abgeleistet
wird.

An Wochenenden und an Feiertagen darf die tägliche Arbeitszeit kraft Tarifvertrag maximal 24 Stunden betragen, wenn dadurch für den einzelnen Arzt mehr Wochenenden und Feiertage frei sind.

• Opt-Out-Regelung (Verlängerung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit)
Die nach § 7 Abs. 2a Arbeitszeitgesetz mögliche freiwillige Verlängerung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit auf über 48 Stunden durch den Arzt (sog. „Opt-Out“) wird nun generell auf 58 Stunden festgesetzt. Die bisherige Beschränkung im TVöD bei den Bereitschaftsdienststufen C und D auf 54 Stunden entfällt. Die freiwillige Verlängerung wird bereits durch den Tarifvertrag zugelassen, so dass der zusätzliche Abschluss einer Dienst-/Betriebsvereinbarung anders als im TVöD nicht erforderlich ist.

• Dokumentation der Arbeitszeit
Die Arbeitszeit ist elektronisch oder auf andere geeignete Weise zu erfassen.

• Existenzsicherungs-Tarifverträge
Auf Landesebene können Marburger Bund und Kommunaler Arbeitgeberverband zur wirtschaftlichen Existenzsicherung eines Krankenhauses und zur Vermeidung von Personalabbau für die Ärzte an einzelnen Krankenhäusern befristet Abweichungen von der Entgelttabelle, von der wöchentlichen Arbeitszeit und von sonstigen tariflichen Leistungen vereinbart werden.

• Freistellungsanspruch für Fortbildung
Zur Teilnahme an ärztlichen Fortbildungen hat jeder Arzt Anspruch auf 3 Tage Arbeitsbefreiung mit Entgeltfortzahlung.

• Teilnahme am Rettungsdienst
Der Einsatzzuschlag für die Teilnahme am Rettungsdienst erhöht sich von 15,41 Euro auf 20 Euro. Die bisherige Regelung nach BAT/TVöD, wonach der Zuschlag bei sonstigen Leistungen durch den Arbeitgeber/einem Dritten entfällt, scheint zu entfallen.

• Geltung sonstiger Regelungen
Soweit nichts Abweichendes durch den neuen Tarifvertrag geregelt wird, gelten die gleichen tariflichen Regelungen wie für die nichtärztlichen Beschäftigten.