03. März 2005

Krankenhäuser in NRW unerwartet stark von Insolvenz bedroht

Nach einer Studie des RWI und der ADMED haben Krankenhäuser in NRW haben eine höhere Insolvenzwahrscheinlichkeit und sind schlechter mit Kapital ausgestattet, als dies die Trägerstruktur erwarten lassen würde.



KGNW-Veranstaltung zu Insolvenzrisiken von Krankenhäusern vor dem Hintergrund von Basel II am 3. März 2005 in Essen /Krankenhäuser in NRW unerwartet stark von Insolvenz bedroht

Krankenhäuser in NRW haben eine höhere Insolvenzwahrscheinlichkeit und sind schlechter mit Kapital ausgestattet, als dies die Trägerstruktur erwarten lassen würde. Trotz eines im Bundesvergleich überdurchschnittlich hohen Anteils freigemeinnütziger Träger liegen sie in puncto Insolvenzwahrscheinlichkeit nur im westdeutschen Schnitt. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Sonderauswertung der Studie „Insolvenzrisiken der deutschen Krankenhäuser - Bewertung und Transparenz unter Basel II“ für Nordrhein-Westfalen, die vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) und der Unternehmensberatung ADMED erstellt wurde. Die Ausgangsstudie des RWI und ADMED, die Ende vergangenen Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, bewertete Jahresabschluss- und extern zugängliche krankenhausspezifische Daten von bundesweit 212 Krankenhäusern. Dabei schnitten - unterschieden nach Trägerschaft - öffentlich-rechtliche Kliniken deutlich schlechter ab als Krankenhäuser in privater und freigemeinnütziger Trägerschaft.

Die Studie und ihre Sonderauswertung wurden am 3. März 2003 in Essen Rahmen einer Veranstaltung der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit dem RWI und der ADMED der Öffentlichkeit präsentiert:

Die Insolvenzwahrscheinlichkeit der Krankenhäuser in NRW liegt im westdeutschen Schnitt, obwohl die Kliniken wegen des hohen Anteils freigemeinnütziger Träger eigentlich leicht besser abschneiden müssten. Zudem ist ihre Kapitalausstattung um circa 1,2 Milliarden Euro geringer, als sie in Folge der Struktur der Krankenhausträger zu erwarten wäre. Dies sind weitere Ergebnisse der Studie des RWI und der Unternehmensberatung ADMED GmbH.

NRW-Krankenhäuser schneiden schlechter ab als erwartet

In NRW liegt die Insolvenzwahrscheinlichkeit der Kliniken trotz der günstigeren Trägerstruktur im Durchschnitt der westdeutschen Länder von 1,9 Prozent. Verantwortlich für das schlechte Abschneiden ist wohl die Kapitalausstattung der Krankenhäuser, die hinter den Erwartungen zurückbleibt. Dies ist offensichtlich darauf zurückzuführen, dass die NRW-Kliniken unterdurchschnittlich durch die öffentliche Hand gefördert werden. Auf diese Weise ist seit 1991 eine kumulierte Förderlücke von etwa 1,2 Milliarden Euro im Vergleich zu anderen westdeutschen Bundesländern entstanden. Bei der Rentabilität liegen die Krankenhäuser in NRW hingegen leicht über den Erwartungen. Aufgrund dieser Ergebnisse ist anzunehmen, dass in NRW bis 2010 circa zehn Prozent der rund 470 Krankenhäuser vom Markt verschwinden werden. Damit unterscheidet sich Nordrhein-Westfalen nicht von anderen westdeutschen Ländern, wo durchschnittlich ebenfalls mit einem Rückgang von zehn Prozent zu rechnen ist. Laut der Untersuchung sind ländliche Regionen von dieser Entwicklung ebenso betroffen wie Ballungszentren.

Zudem belegt diese Studie, dass sich die durchschnittliche Insolvenzwahrscheinlichkeit der untersuchten Kliniken bis 2008 von derzeit 1,7 auf voraussichtlich 2,2 Prozent erhöhen wird. Dies gilt wohl auch für NRW.

Gemeinsame Pressekonferenz der KGNW, des RWI und ADMED

Auf der gemeinsamen Pressekonferenz erläuterte Dr. Johannes Kramer die dramatische finanzielle Situation vieler Krankenhäuser, die nach über zehnjähriger Budgetierung die Krankenhäuser finanziell mit dem Rücken zur Wand stünden. Hinzu käme, dass die Krankenhäuser sich wegen des erwarteten Rückzugs der öffentlichen Hand zunehmend verschulden müssen.

Über 50 Prozent der Krankenhäuser würde rote Zahlen schreiben bei steigender Tendenz, erklärte der KGNW-Präsident. Dies zeige die Auswertung der Ergebnisse des aktuellen Krankenhausbarometers des Deutschen Krankenhausinstituts e.V.

Dr. Kramer erläuterte die Folgen der Budgetierung. So durften nach einer Quasi-Nullrunde 2004 die Krankenhausbudgets für 2004 nur um 0,02 % und in diesem Jahr auch nur um 0,38 % steigen. Dies sei bei gleichzeitig steigenden Kosten insbesondere im Personal- und Sachkostenbereich sowie weiteren gesetzlich vorgegebenen finanziellen Mehrbelastungen völlig unzureichend und habe im Ergebnis eine Kürzung der Finanzmittel der Krankenhäuser zur Folge, betonte er.

Die Gesamtmehrbelastungen von 2,47 Prozent bei einer Veränderungsrate von 0,38 Prozent führte zu einen Defizit von schätzungsweise 250 Mio. Euro für die nordrhein-westfälischen Krankenhäuser (Beispielrechnung):

· Gesicherte Mehrbelastung der Krankenhäuser

  • Personalkosten: + 2,14 %
  • Sachkosten: bis zu + 3,1 %
  • Gesamtmehrbelastung: + 2,47 %
  • Veränderungsrate: + 0,38 %
Differenz: 2,09 %

Dies entspricht einem Defizit von schätzungsweise 250 Mio. Euro für die
nordrhein-westfälischen Krankenhäuser.

· Ausgewählte weitere Mehrbelastungen

  • Zusatzversorgung
  • Anschubfinanzierung Integrierte Versorgung
  • Zahlungsmoral der Krankenkassen
  • Arbeitszeitgesetz

Einerseits stiegen die Kosten, andererseits stünden nur begrenzte investive Fördermittel durch das Land zur Verfügung, hob der KGNW-Präsident hervor. Nach Berechnungen der Landesbank Sachsen gebe es in den Krankenhäusern in Deutschland einen Investitionsstau von circa 50 Milliarden Euro. Hier von seien die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen besonders betroffen, weil Nordrhein-Westfalen bei der Krankenhausförderung von 1972 – 2002 mit 126 583,-- Euro pro Bett das Schlusslicht aller Bundesländer bilde, wies Dr. Kramer auf das Problem der Krankenhausförderung durch das Land.

Im Zeitraum 1992 bis 2001 habe das Land Nordrhein-Westfalen das Haushaltsvolumen für Krankenhausinvestitionen im Bereich der Einzelförderung auf rund 316 Mio. Euro um mehr als die Hälfte reduziert. Für Einzel- und Pauschalförderung zusammen seien nur noch rund 26 Euro pro Kopf der Bevölkerung aufgewandt worden, verglich der KGNW-Präsident die Lage der NRW-Krankenhäuser mit der in anderen Bundesländern. NRW habe damit im Vergleich der 16 Bundesländer das Schlusslicht gebildet. Die anderen Bundesländer hätten im Mittel mehr als 46 Euro pro Kopf der Bevölkerung für Krankenhausinvestitionen aus.

Die Landesregierung habe zwar in den vergangenen Jahren von Kürzung bei den investiven Fördermitteln für die nordrhein-westfälischen Krankenhäuser abgesehen, trotzdem zeige sich sehr deutlich, dass das bisher zur Verfügung gestellte Investitionsvolumen für die Krankenhäuser in NRW weiterhin viel zu niedrig ist, so der KGNW-Präsident. Dieses Geld fehle den Krankenhäusern, um sich auf die Herausforderungen der Zukunft, wie z. B. DRG-System, ambulante Öffnung der Krankenhäuser, Telematik-Infrastruktur, einzustellen.

Im anschließenden Workshop führte Dr. Kramer nach der Begrüßung durch RWI-Präsident Prof. Dr. Christoph M. Schmidt in das Thema einführen. Zum Rating aus Bankensicht nahm Christoph Bickmann, Vorstand der Darlehnskasse Münster, Stellung und Dr. Rudolf Kösters, Vizepräsident der DKG, behandelte dieses Thema aus Sicht der Krankenhäuser. Er ging darüber hinaus ausführlich auf die aktuelle gesundheits- und krankenpolitische Lage auf Bundesebene und die daraus resultierenden Herausforderungen für die Krankenhäuser ein.

Dr. Boris Augurzky vom RWI Essen stellte anschließend die Studienergebnisse unter besonderer Berücksichtigung der nordrhein-westfälischen Kliniken dar und erläuterte gemeinsam mit Dr. Sebastian Krolop von der ADMED GmbH Fallstudien, Praxisbeispiele und Handlungsoptionen zur Verbesserung des Ratings.