18. Februar 2020

Das Susac-Syndrom: Häufig mit Multipler Sklerose verwechselt

Bochumer Neurologin engagiert sich für die Erforschung sehr seltener Autoimmunerkrankung

Weltweit sind gerade einmal 500 Betroffene bekannt und obwohl die Dunkelziffer um einiges höher liegen dürfte, bleibt das Susac-Syndrom – 1979 benannt nach seinem Entdecker John O. Susac – eine äußerst seltene Erkrankung, die oftmals aus Unkenntnis nicht erkannt und unzureichend therapiert wird. „In Deutschland sind mir 50 Patientinnen und Patienten bekannt, die bis zur korrekten Diagnosestellung manchmal einen langen Leidensweg hinter sich hatten“, sagt Privat-Dozentin Dr. Ilka Kleffner, Oberärztin der Neurologischen Klinik und Leiterin der Stroke Unit am Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum, die sich seit ihrer Assistenzarztzeit für die Erforschung der seltenen Krankheit engagiert.

Das Susac-Syndrom ist eine Autoimmunerkrankung der kleinsten Blutgefäße des Gehirns, der Netzhaut im Auge und des Innenohres. Sie verläuft typischerweise in Schüben und lässt sich anhand von dreierlei Symptomgruppen klassifizieren:

1. Hörstörungen (Innenohrschwerhörigkeit, Tinnitus),
2. Sehstörungen (Visusminderungen, Gesichtsfeldeinschränkungen),
3. kognitive Defizite (Enzephalopathie: Wesensveränderungen und Bewusstseinsstörungen, neurologische Ausfälle: Gleichgewichtsstörungen bis hin zur Lähmung).

Die Symptome treten meistens akut innerhalb weniger Tage gleichzeitig oder nacheinander auf. Häufig zeigen sich im Vorfeld zudem Kopfschmerzen, die den übrigen Symptomen auch mehrere Monate vorausgehen können. Betroffen vom Susac-Syndrom sind überwiegend Frauen (Verhältnis 3:1) im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Gerade die Kombination zentralnervöser Symptome mit Sehstörungen bei jungen Patienten führt regelmäßig zu der Fehldiagnose einer Multiplen Sklerose. „Dabei sind Hörstörungen für die MS eher untypisch“, erklärt Dr. Kleffner. „Im Gegensatz zur MS ist das Susac-Syndrom nämlich eine Erkrankung der Blutgefäße und nicht der Myelinscheide.“ Grund dafür sind Verschlüsse und entzündliche Prozesse der kleinen Aterien im Innenohr, in der Netzhaut und im Gehirn, die mittels einer Magnet-Resonanz-Tomografie und der retinalen Fluoreszenzangiografie sichtbar gemacht werden können. Im Jahr 2016 wurden dazu durch das European Susac Consortium (EuSac) einheitliche Diagnosekriterien erstellt, um eine Abgrenzung gegenüber anderen, wesentlich häufigeren Erkrankungen zu ermöglichen.

Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung gibt es derzeit noch keine Studien darüber, welche Therapie am besten wirkt. Als ein probates Mittel hat sich jedoch die Gabe von Cortison als Infusion oder in Tablettenform gezeigt. Das Steroidhormon führt meistens zum Aufhalten der entzündlichen Reaktion und verhindert ein Fortschreiten der Erkrankung. Wenn rechtzeitig mit einer Behandlung begonnen wird, können sich viele Symptome sogar zurückbilden. Eine frühzeitige Diagnose ist daher sehr wichtig. In einigen Fällen sind aber auch andere Medikamente notwendig, die Einfluss auf das Immunsystem nehmen. Dazu zählen Immunsuppressiva wie Cyclophosphamid (Chemotherapie), Immunglobuline oder eine Antikörpertherapie. Auch eine Plasmapherese, eine der Dialyse ähnliche Blutwäsche, kann in schweren Fällen helfen.

Bislang ist der Auslöser der Erkrankung noch nicht erforscht. „Wir wissen mittlerweile, dass bestimmte Immunzellen, die T-Lymphozyten, am Prozess beteiligt sind und die Innenhaut der Blutgefäße angreifen. Es gibt somit noch viel zu tun“, weiß Dr. Kleffner und meint damit nicht nur die Erforschung der Ursache, sondern auch die öffentliche Wahrnehmung des Themas.

Anlässlich des „Tags der Seltenen Erkrankungen“ lädt das European Susac Consortium am Freitag, 28. Februar, um 13 Uhr daher zu einem Patiententreffen ins Alfried Krupp Krankenhaus nach Essen ein. Nach den Fachvorträgen können sich Betroffene kennenlernen, sich austauschen und mit Ärzten ins Gespräch kommen. Ein wichtiges Angebot, denn eine Selbsthilfegruppe gibt es bisher nicht, das Vernetzen findet meist über soziale Medien statt.

Weitere Infos gibt es unter www.eusac.net und www.orpha.net.

BU: Priv.-Doz. Dr. Ilka Kleffner, Oberärztin der Neurologischen Klinik und Leiterin der Stroke Unit am Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum, bespricht mit Dr. Jörg Rehrmann, Oberarzt der Augenklinik am Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum, die Aufnahme der retinalen Fluoreszenzangiografie.