10. November 2005

Bewilligungsstopp für neue Investitionen verschärft chronische Unterfinanzierung der Krankenhäuser

10.11.2005 - Die Zukunft der Krankenhäuser im Wettbewerb und die DRG-Einführung mit seinen Auswirkungen auf die Versorgung waren neben landesspezifischen Problembereichen zentrale Themen des KGNW-FORUMS

Sein Unverständnis brachte Johannes Kramer, Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), auf dem diesjährigen Krankenhaustag in Düsseldorf zu dem vom nordrhein-westfälischen Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann angekündigten Bewilligungsstopp für 2006 bei neuen Investitionen für Krankenhäuser zum Ausdruck. Dr. Kramer forderte vor über 350 Teilnehmern und Medienvertretern, dass es aufgrund der chronischen Unterfinanzierung und der dramatischen Finanzsituation vieler Krankenhäuser dürfe es auf keinen Fall zu diesem Bewilligungsstopp kommen. Auch seien die Ankündigungen unter betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkten für die Krankenhäuser unannehmbar und in der Sache nicht nachvollziehbar.
Nach Kramers Worten beläuft sich der investive „Nachholbedarf“ oder „Investitionsstau“ für die Krankenhäuser in NRW auf 13,1 Milliarden Euro. Dies treffe die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen besonders, in den vergangenen Jahren für Einzel- und Pauschalförderung zusammen nur noch rund 26 Euro pro Kopf der Bevölkerung aufgewandt wurden. NRW war damit im Vergleich der 16 Bundesländer Schlusslicht. Die anderen Bundesländer gaben im Mittel mehr als 46 Euro pro Kopf der Bevölkerung für Krankenhausinvestitionen aus.

Der KGNW-Präsident zeigte zwar Verständnis für die finanziell schwierige Lage, in der sich das Land befindet. Gleichwohl müssten Förderungen noch möglich sein, insbesondere dort wo einem Krankenhaus eine existentielle Gefährdung droht und wo Verordnungen oder rechtliche Regelungen wie z.B. das Medizinproduktegesetz umgesetzt werden müssten.

Dr. Kramer bedauerte, dass die neue Regierungskoalition in Berlin die dringend notwendige grundlegende Reform der Finanzierung des Gesundheitswesens kurzfristig nicht angehen werde. Dies zeigten die ersten Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen. Die Flickschusterei an den Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) müsse beendet werden, betonte der KGNW-Präsident und forderte eine vom individuellen Arbeitsverhältnis abgekoppelte Finanzierungsregelung bei gleichzeitiger Wahrung der solidarischen Elemente der GKV.

Er wies darauf hin, dass der gesteigerten Nachfrage nach medizinischen Leistungen im geltenden System nicht ausreichend entsprochen werden könne. Da die Stagnation der deutschen Wirtschaft von Massenarbeitslosigkeit begleitet werde, könne der Finanzierungsbedarf unserer sozialen Sicherung aufgrund der Koppelung der Beitragseinnahmen der Krankenkassen an den Faktor Arbeit nicht gedeckt werden.

Ihre konstruktive Mitarbeit habe die KGNW der Landesregierung auch bei der von der Landesregierung geplanten Novellierung des Krankenhausgesetzes NRW angeboten, die auch die KGNW für notwendig halte, erklärte Dr. Kramer. Die KGNW sehe aber die Letztverantwortung für eine flächendeckende stationäre Versorgung und den Sicherstellungsauftrag weiterhin beim Land Nordrhein-Westfalen.

Der KGNW-Präsident wies in Zusammenhang mit der Krankenhausplanung auch auf die sich abzeichnende Konkretisierung und Bildung von weiteren Schwerpunktzentren hin. Der Prozess der Etablierung von Brustzentren sei in Nordrhein ins Stocken geraten. So seien im Anerkennungsverfahren für 26 geplante Brustzentren elf Kliniken, die für ein Brustzentrum in Frage kommen, in einem schwebenden Verfahren und 42 Häuser hätten Klage oder Widerspruch gegen diese geplanten Zentren eingereicht.

Trotz dieser ungeklärten Situation und nicht abgeschlossenen Entscheidungsprozessen bei Brustzentren bestünden aber bei den Landesregierungen bereits Überlegungen zur Bildung und Etablierung von weiteren Zentren, z.B. zur Behandlung von Darmkrebs – so Dr. Kramer. Bevor es zur weiteren Etablierung von Schwerpunktzentren komme, müsse aber zuerst nach wissenschaftlich fundierten und evidenzbasierten Kriterien evaluiert werden, ob mit dieser Zentrenbildung - wie vermutet - eine Qualitätsverbesserung in der Behandlung verbunden sei. Es müsse erst dafür gesorgt werden, schon bestehende Brustzentren weiterzuführen, ehe über weitere Zentrenbildung nachgedacht werde, erklärte der KGNW-Präsident. Er sehe die ernste Gefahr, dass diesen Zentren von den Krankenkassen zurzeit die Grundlage entzogen werde.

Gründe hierfür seien, dass die Krankenhäuser ihre Vorleistungen zum Teil in Millionenhöhe sowie die bisher geleisteten senologischen Fälle von den Krankenkassen nicht adäquat refinanziert bekämen. So sollen z.B. die über das Budget hinausgehenden Mehrfälle ab 2005 nicht zu 100% der Fallpauschalen, sondern nur zu 21% vergütet werden. Auch die Zusatzkosten, die die von der Landesregierung geforderten hohen Qualitätsstandards erzwingen, seien hier noch nicht berücksichtigt. Wenn es hier keine Änderung gebe, werde es für neue Zentren mit der KGNW keinen Konsens geben.

Der Geschäftsführer der KGNW, Staatssekretär a. D. Richard Zimmer, erläuterte eingehend die nicht akzeptablen steuerlichen Belastung der Krankenhäuser durch den systemwidrigen steuerlichen Zugriff auf Krankenhäuser und die restriktive Rechtsauslegung der Finanzverwaltungen bei der Ertrags- und Umsatzsteuer insbesondere in NRW.

Die mit zahlreichen Gesetzesänderungen der vergangenen Jahre verbundenen grundsätzlichen Veränderungen im Krankenhausrecht würden seit etwa drei Jahren von den Finanzverwaltungen durch ihre Auslegung des Steuerrechts nicht nachvollzogen, erklärte Zimmer. Die Suche nach neuen Steuerquellen werde von den Finanzverwaltungen vehement vorangetrieben. Der KGNW-Geschäftsführer forderte die Landesregierung dringend auf, sich dieses Problems verstärkt anzunehmen. Die Krankenhäuser seien durch die gesetzlichen Finanzierungsgrundlagen nach Jahren der Budgetdeckelung an der Grenze ihrer finanziellen Belastbarkeit angekommen. Zusätzliche steuerliche Belastungen sind keinesfalls tragbar, betonte der KGNW-Präsident. Er wies daraufhin, dass durch die Steuerjagd der Finanzverwaltungen z.B. Krankenhäuser mit 250 Betten jährlich mit circa 200.000 Euro zusätzlich belastet werden.

Im Rahmen des diesjährigen Krankenhaustages der KGNW diskutierten Vertreter der KGNW und mit Experten der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des Gesundheitswesens zu den Themenschwerpunkten „Die Zukunft der Krankenhäuser im Wettbewerb!“ und „G-DRGs und Versorgungskonsequenzen“ die Situation der Krankenhäuser angesichts der gesundheitspolitischen Herausforderungen und den damit verbundenen tief greifenden Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation der Krankenhäuser und der Einführung eines DRG-Vergütungssystems.

Nach der Begrüßung durch KGNW-Präsident Dr. Johannes Kramer, in der er noch einmal auf die Kernaussagen der Grundsatzpositionen der KGNW zur Weiterentwicklung der Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen einging, beschrieb der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Prof. Bert Rürup in seinem Vortrag „Zukunft des Gesundheitswesens - Zukunft der Krankenhäuser“ die Entwicklung der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen im niedergelassenen und stationären Bereich sowie die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf das Gesundheitswesen. Prof. Rürup verdeutlichte die Folgen der steigenden Inanspruchnahme der Patienten mit zunehmenden Alter sowie die damit verbundenen Auswirkungen auf die Gesundheitsausgaben.

Anschließend diskutierte der Vorsitzende des Sachverständigenrates unter der Moderation von Dr. Preusker mit dem Vorstandsvorsitzenden des AOK Bundesverbandes Dr. Hans Jürgen Ahrens und dem Vizepräsidenten der Deutschen Krankenhausgesellschaft Dr. Rudolf Kösters über die Zukunft der Krankenhäuser im Wettbewerb. Für den Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Dr. Andreas Köhler, der erst kurz vor Veranstaltungsbeginn seine Teilnahme am KGNW.FORUM absagen ließ, vertrat der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Dr. Leonard Hansen, die Positionen der niedergelassen Ärzte zu diesem Thema.

Vorträge mit anschließender Podiumsdiskussion zum G-DRG-System und dessen Auswirkungen auf die Versorgung bildeten am Nachmittag die Schwerpunkte des KGNW-FORUM. Dr. Michael Schmidt, Abteilungsleiter im Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) erläuterte die maßgeblichen Bausteine des Klinik-Fallpauschalensystems 2006 und des neuen DRG-Katalogs. Dr. Schmidt ging ebenfalls auf die neuen Abrechnungsbestimmungen und Zusatzentgelte ein.

Die Einflüsse der Änderungen auf die Krankenhäuser stellte Prof. Dr. Norbert Roeder von der Universität Münster heraus. Während Dr. Wulf-Dietrich Leber als Geschäftsführer des Bereichs Gesundheit beim AOK Bundesverband und Dr. Peter Steiner als Geschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft die Weiterentwicklung und die damit verbundenen Auswirkungen aus Sicht der Krankenkassen und Krankenhäuser beschrieben.

Zuvor hatte KGNW-Geschäftsführer Richard Zimmer in seiner Einführung die Einführung des DRG-Vergütungssystems als den größten Paradigmenwechsel und als Zeitenwende in der Finanzierung der Krankenhäuser seit Bestehen der Bundesrepublik mit heute noch nicht absehbaren Auswirkungen auf unsere Krankenhäuser und die Versorgungsstrukturen bezeichnet.

Experten wie Praktiker seien sich einig, dass die DRG-Umstellung eine Mega- oder Jahrhundertaufgabe für die Krankenhäuser darstelle und dass die Krankenhauslandschaft in Deutschland und damit auch in Nordrhein-Westfalen dadurch umgewälzt werde, betonte Zimmer. Es gehe um eine komplette Umstellung der betriebswirtschaftlichen Grundlagen bei laufendem Versorgungsbetrieb, die zudem in einer Zeit erfolge, da die Krankenhäuser ohnehin durch integrierte Versorgung, medizinische Versorgungszentren, Zentrenbildung, Bewilligungsstopp und Budgetierung sehr große Umwälzungen und Herausforderungen zu bewältigen haben. Die Krankenhäuser stünden derzeit unter einem so noch nie dagewesenen Anpassungsdruck.

Der KGNW-Geschäftsführer stellte die Frage, ob das lernende System bereits ausgelernt habe oder welche Wegstrecke noch zurückgelegt werden müsste. Der KGNW-Geschäftsführer wies auch auf die Probleme der Maximalversorger bei der Finanzierung von Intensivpatienten und auf die Defizite insbesondere in den Bereichen hoch spezialisierter Leistungen, neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und der stationären Versorgung von Kindern hin.

Zudem dürfe nicht außer Acht gelassen werden, in welcher Ausprägung sich das neue Vergütungssystem auf die Versorgung der Patienten auswirken könnte, betonte Zimmer in Zusammenhang mit der vielfach befürchteten zu frühen Überleitung von Patienten in den ambulanten und rehabilitativen Bereich und den dadurch veränderten Patientenströme.

Der KGNW-Geschäftsführer hob hervor, dass die Einführung des DRG-Systems und die damit verbundenen Folgen für die Krankenhäuser, Mitarbeiter und Patienten so gravierend seien, dass in jedem Fall äußerste Sorgfalt, umfassende Kompetenz, Behutsamkeit und ein hohes Verantwortungsbewusstsein bei allen Beteiligten bei der weiteren Implementierung gefordert seien.

Die Vorträge des diesjährigen nordrhein-westfälischen Krankenhaustages sowie die Unterlage der Pressekonferenz sind als pdf-Dateien angefügt.